Luxemburg. Google will deutschen Behörden keinen Zugriff auf seinen Webdienst Gmail ermöglichen. Der EuGH gab dem Internet-Unternehmen nun Recht.

Google muss den deutschen Sicherheitsbehörden keine Schnittstellen zur Überwachung seines Webdienstes Gmail zur Verfügung stellen. Solche Angebote seien nach EU-Recht keine elektronischen Telekommunikationsdienste und müssten nicht den deutschen Telekom-Bestimmungen unterworfen werden, urteilte am Donnerstag der Europäische Gerichtshof (Rechtssache C-193/18).

Demnach müssen Gmail und andere Webangebote keine neuen Verpflichtungen beim Datenschutz oder der öffentlichen Sicherheit eingehen. Hintergrund des Urteils ist ein seit 2012 andauernder Streit zwischen Google und der Bundesnetzagentur, die Gmail ähnlich wie Telefonnetzbetreiber und Internetprovider als Telekommunikationsdienst einstuft.

Google sollte dazu verpflichtet werden, den deutschen Behörden die Überwachung von Gmail für eine mögliche Strafverfolgung zu ermöglichen. Generell fordern Behörden mehr Freiheit bei der Überwachung digitaler Kommunikation.

Googles Argument: Es betreibe selbst kein Netz für Gmail

Das Internet-Unternehmen hatte gegen die Bundesnetzagentur geklagt. Sein Argument: Das Unternehmen nutze das Internet nur als bestehendes Netz, ohne es selbst zu betreiben. Zudem vermittele man den Nutzern keinen Zugang dazu. Es könne die Datenübertragung deshalb auch nicht kontrollieren.

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    Die Klage war in erster Instanz im Jahr 2015 vom Verwaltungsgericht Köln abgewiesen worden. Zur Begründung hieß es, Gmail sei wegen der Werbefinanzierung ein entgeltlicher Dienst und führe eine aktive Signalübertragung durch. Google ging dagegen in Berufung. Das Oberverwaltungsgericht Münster verwies den Fall schließlich an den EuGH, da die deutsche Regelung auf einer Richtlinie der EU beruhe.

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    Bundesnetzagentur: Es geht um grundsätzliche Regulierung von Webdiensten

    Die Luxemburger Richter stützten die Argumentation von Google. Internetbasierte Email-Dienste wie Gmail würden zwar eine Übertragung von Signalen vornehmen. „Da dieser Dienst nicht ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze besteht“, lasse sich daraus jedoch nicht der Schluss ziehen, dass es sich um einen elektronischen Telekommunikationsdienst nach EU-Recht handele.

    Für die Bundesnetzagentur ist das EuGH-Urteil eine herbe Niederlage. Ihr Chef Jochen Homann hatte bereits deutlich gemacht, dass es ihm nicht nur um Gmail, sondern um die grundsätzliche Regulierung von Webdiensten geht. Die Abgrenzung zu traditionellen Telekommunikationsdiensten verschwimme zunehmend, hatte Homann in einem Interview mit der „Financial Times“ betont. Neben Gmail nannte er explizit den Chatdienst WhatsApp.

    Es sei nicht richtig, dass Anbieter traditioneller Telekom-Dienste Regulierungsvorgaben einhalten müssten, während das für Firmen, die vergleichbare Dienste über das Web bereitstellen, nicht gelte, argumentierte Homann.

    Auf herkömmliche SMS haben die Behörden Zugriff

    WhatsApp wird von vielen Nutzern als SMS-Alternative genutzt. Der zu Facebook gehörende Dienst ist verschlüsselt und nicht für die Sicherheitsbehörden zugänglich, da selbst WhatsApp den Inhalt nicht sieht. Kürzlich hatte auch Seehofer bekannt gegeben, WhatsApp zwingen zu wollen, Chats weiterzugeben.

    Auf herkömmliche SMS haben die Behörden mit richterlichem Beschluss dagegen einen Zugriff. Die Telekommunikations-Anbieter mussten dafür Schnittstellen in ihrer Infrastruktur einrichten. Auf WhatsApp und Co. dürfte das nach Einschätzung von Rechtsanwalt Dr. Michael Biendl von der Kanzlei CMS Deutschland künftig nicht zukommen.

    „Nach der heutigen Entscheidung ist davon auszugehen, dass auch so genannte Over-The-Top-Dienste wie WhatsApp, Telegram und Threema keine Telekommunikationsdienste darstellen“, sagte er am Donnerstag.

    Im konkreten Streit zwischen Google und der Bundesnetzagentur muss nun noch das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen auf Grundlage des EuGH-Urteils entscheiden. Das deutschen Telekommunikationsgesetz basiert auf der entsprechenden EU-Richtlinie. (mbr/vem/dpa)