Tokio/Berlin. In Japan steht diesen Dienstag eine Epochenwende an: Der 85-Jährige Kaiser Akihito dankt ab. Der modern eingestellte Sohn übernimmt.

Der alte Kaiser geht, und das ganze Land schaut zu. Zehn Tage Zwangsferien hat die Regierung den fleißigen und mitunter arbeitswütigen Japanern verordnet, damit das Volk in aller Ruhe an den Feiern zum Wechsel an der Staatsspitze teilnehmen kann. Zehn Tage – das ist für japanische Verhältnisse so ungewöhnlich, dass sich Arbeitnehmer schon beschwert haben, sie wüssten nicht, was sie mit der freien Zeit anfangen sollten.

Am Dienstag endet eine Epoche in dem traditionsverliebten Inselstaat. Zum ersten Mal seit 212 Jahren geht ein japanischer Kaiser in den Ruhestand: Der volksnahe Akihito (85) genießt wegen seiner warmherzigen Ausstrahlung zwar hohes Ansehen, ist jedoch gesundheitlich angeschlagen. Seit 1989 sitzt er auf dem Thron, er ist der letzte Kaiser der Welt.

Unter ihm hat das Land zum ersten Mal in der Geschichte des modernen Japan eine Zeit ohne Krieg erlebt, wie Akihito selbst kürzlich betonte.

Akihito hat sich im Rahmen seines Abschieds ein letztes Mal an seine Nation gewandt. Er danke seinem Volk für die Unterstützung und wünsche sich, dass die neue Ära unter seinem Sohn Naruhito „stabil und fruchtbar“ werde, sagte der 85-jährige Monarch am Dienstag bei einer Abdankungszeremonie in seinem Palast.

Seit Ende Zweiten Weltkriegs hat Kaiser kein politisches Gewicht mehr

Während seiner Regentschaft wurden die Japaner aber auch von verheerenden Unglücken heimgesucht – dem Erdbeben in Kobe 1995 mit mehr als 6000 Toten etwa und der Atomkatastrophe von Fukushima 2011. Zudem leidet Japan unter einem dramatischen wirtschaftlichen Niedergang. „Deshalb blicken so viele Menschen auf die neue Kaiserära in der Erwartung, dass diese so schwierige Zeit sich ändert“, sagt der Monarchie-Experte Hideya Kawanishi von der Universität Nagoya.

Japans Prinz Akihito und seine Braut Michiko Shoda fahren nach ihrer Hochzeit im Jahr 1959 in der königliche Kutsche durch Tokio.
Japans Prinz Akihito und seine Braut Michiko Shoda fahren nach ihrer Hochzeit im Jahr 1959 in der königliche Kutsche durch Tokio. © dpa

Die Hoffnung auf eine neue Ära ist eng mit Akihitos ältestem Sohn Naruhito verbunden. Der 59-Jährige besteigt am Mittwoch den Thron, er wird der 126. Kaiser der ältesten Erbmonarchie der Welt sein. Zwar bedeutet die Abdankung keinen Machtwechsel – seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs besitzt der japanische Kaiser kein politisches Gewicht mehr.

Doch Beobachter erwarten, dass Naruhito das Land prägen wird. Tatsächlich kündigte er an, für „frischen Wind“ in der Kaiserresidenz im Zentrum von Tokio zu sorgen.

Thronfolger Naruhito will das Land öffnen

Im Gegensatz zur rechtskonservativen Regierung um den 64-jährigen Premier Shinzo Abe kommt er vergleichsweise modern daher: Er zeigt sich öffentlich als liebevoller Vater, studierte in Oxford und spricht fließend Englisch, was im sich gegenüber dem Ausland abgrenzenden Japan eine Seltenheit ist.

Professor Kawanishi erwartet Konflikte um die künftige Ausrichtung des ostasiatischen Landes: Es werde schwierig für Naruhito, „zwischen Tradition und seinen eigenen Ideen und Wünschen zu balancieren“. (Jonas Erlenkämper)