Brüssel/Berlin. Manfred Weber (CSU), Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei, will den Ausschluss der Fidesz-Partei verhindern. Kann das gelingen?

Manfred Weber ist ein Mann der leisen Töne und der harten Verhandlungen. Das mag dem Spitzenkandidaten und Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP) bei seinem Besuch am Dienstag beim ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán entgegenkommen. Weber war am Dienstag in heikler Mission unterwegs: Er reiste nach Budapest, um auszuloten, ob sich ein Ausschluss der ungarischen Fidesz-Partei aus der Europäischen Volkspartei noch verhindern lässt. Die Mitgliedschaft steht wegen nationalistischer und EU-kritischer Positionen auf der Kippe, nächsten Mittwoch will der EVP-Vorstand über den weiteren Umgang mit Orbáns Partei beraten.

Für Weber galt es, die Quadratur des Kreises zu lösen. Einerseits will er den Fidesz gern in der Fraktion halten und sich im Wahlkampf als „Brückenbauer“ zwischen Ost und West profilieren. Andererseits gehen Orbáns Aktionen auch nach Webers Ansicht entschieden zu weit. Am Dienstagnachmittag war dann klar: Einen Durchbruch hat Weber nicht geschafft. „Wir bleiben weiter im Gespräch“, sagte Weber nach dem Treffen.

Es sei ein konstruktiver Austausch gewesen, der viele Fragen berührt habe. Er habe Orbán klargemacht, dass die Grundwerte in der EVP nicht verhandelbar seien. Konkret wurde er allerdings nicht: „Wir stehen in einem Dialog. Ich werde das nicht kommentieren, solange wir diesen nicht abgeschlossen haben.“ Orbán habe aber zugesagt, die jüngste Anti-EU-Plakatkampagne zu beenden.

Die Plakat-Aktion ging vielen entschieden zu weit

Der CSU-Politiker Weber wertete das als „erstes, kleines Signal“. Aber: „Eine Menge Fragen liegen auf dem Tisch.“ Es gehe da auch um das größere Bild: Das Europaparlament leite bereits ein Sanktionsverfahren wegen der Gefährdung von EU-Grundwerten gegen Ungarn ein, die EU-Kommission verklagte das Land wegen der Verletzung von EU-Recht vor dem Europäischen Gerichtshof.

Unterstützung für Weber gab es aus dem Bundeskanzleramt: Angela Merkel ließ erkennen, dass auch sie beim EU-Gipfel kommende Woche in Brüssel das Gespräch mit Orbán suchen wolle.

Woran stört sich die EVP genau und warum jetzt vor der Europawahl? Orbán zieht schon seit Jahren massiv gegen die EU-Flüchtlingspolitik zu Felde. Die jüngste Verärgerung hat er mit einer ungewöhnlichen Attacke auf Jean-Claude Juncker ausgelöst.

• Hintergrund: CSU-Politiker Weber ist Spitzenkandidat der Konservativen

Er ließ in Ungarn Plakate mit den Gesichtern des EU-Kommissionspräsidenten und des US-Milliardärs George Soros aufhängen, die suggerierten, es gebe in der EU einen von Soros unterstützten Plan zur Förderung illegaler Migration. Soros ist schon lange Ziel hässlicher Kampagnen. Dass nun auch Juncker, selbst EVP-Mitglied, in diesen Feldzug einbezogen wird, war vielen Parteifreunden dann doch zu viel – zumal man den Plakaten antisemitische Tendenzen nicht absprechen kann.

Neu ist die Feindseligkeit indes nicht: Orbán hat 2014 versucht, Junckers Wahl zum Kommissionspräsidenten zu verhindern, später bezeichnete er dessen Berufung als „einen der schwersten Fehler“ der europäischen Politik. Juncker wiederum sprach sich schon früh für einen Ausschluss Orbáns aus der EVP aus. Dessen jüngste Kampagne hat die Geduld überstrapaziert.

Ob nächsten Mittwoch in Brüssel Entscheidung fällt, ist unklar

Insgesamt 13 EVP-Parteien haben Ausschlussanträge gestellt. Die Zahl relativiert sich aber beim Blick auf die Gesamtzahl von 56 Mitgliedsparteien, die über den Verbleib entscheiden müssen. Große Verbände wie CDU und CSU in Deutschland, die ÖVP in Österreich oder die Forza Italia in Italien haben sich nicht hinter den Ausschluss gestellt. Ob am nächsten Mittwoch in Brüssel eine Entscheidung fällt, ist unklar. In Brüsseler EVP-Kreisen ist die Einschätzung verbreitet, Orbán werde versuchen, so lange wie möglich in der EVP als der stärksten Kraft der EU zu bleiben, dies verspreche noch immer Vorteile für Ungarn. Und für die EVP sei es besser, Orbán halbwegs unter Kontrolle zu halten, als ihn ins Lager rechtspopulistischer EU-Skeptiker zu treiben.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt warnte am Dienstag vor einem zu schnellen Ausschluss. „Die Europäische Volkspartei ist ein hohes Gut. Es wäre gut, diese möglichst breit zu halten.“ Allerdings lasse die EVP auch „nicht alles an Sonderwegen“ zu. Orbán müsse glaubhaft machen, dass er „Teil dieser Gemeinschaft“ sein wolle.

Im Europaparlament werden die Stimmen der Fidesz-Partei (zwölf EU-Abgeordnete stellt sie aktuell) möglicherweise entscheidend sein, wenn Weber sich zum Kommissionschef wählen lassen möchte. Orbán selbst hat sich gegen einen Ausschluss gewehrt und erklärt, dies sei „keine rationale Alternative“.

Einiges spricht aber auch dafür, dass Orbán den Bruch provozieren will. Seine Kritiker spekulieren, dass sich Orbán zur Europawahl im Mai neue, rechtspopulistische Bündnispartner sucht. Inzwischen sinniert er öffentlich über eine Allianz mit Polens nationalkonservativer PiS-Partei, am Freitag kommt Polens Premierminister Mateusz Morawiecki nach Budapest. Welcher Besucher mehr Eindruck hinterlässt, wird sich zeigen.