Berlin. Der Amazonas-Regenwald in Brasilien brennt - seit Wochen. Was passiert mit dem Klima, wenn die Lunge der Welt ihre Arbeit einstellt?

Die Welt ist entsetzt: Drei Wochen lang brannte der Amazonas-Regenwald ohne großes Interesse vor sich hin. Inzwischen sind die Rauchwolken so groß und schwarz, dass sie bereits aus dem All zu sehen sind. Selbst die internationale Politik kann ihre Augen nicht mehr verschließen. Macron will das Thema beim G7-Gipfel besprechen, Angela Merkel schließt sich an.

Das zeigt: Das Schicksal des Amazonas-Regenwaldes geht uns alle an. Die Welt ist aufgewacht: Die Waldbrände, die in den vergangenen Monaten um ein Vielfaches zugenommen haben, bedrohen unser Weltklima. Was ist, wenn die Lunge der Welt für immer ihre Arbeit einstellt?

Roberto Moldonado vom WWF sagte zur "Welt", dass man keine Klimaziele einhalten könne, wenn der Amazonas-Regenwald abbrennt. "Es ist dramatisch für den Amazonas-Regenwald und die Menschen, die dort leben." Aber nicht nur, wie er sagt: Auch für die gesamte Welt seien die Waldbrände im Amazonas eine große Gefahr. Er fordert den Druck auf den brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro deutlich zu erhöhen.

Amazonas-Regenwald wichtig fürs Klima - Darum geht es:

Der Amazonas-Regenwald in Brasilien ist nicht nur wichtig aufgrund seiner Artenvielfalt


  • Für das gesamte Weltklima wird ihm eine enorme Bedeutung zugeschrieben

  • Er funktioniert wie eine riesige Klimaanlage

  • Wohl kaum jemand auf diesem Planeten weiß so viel über den Amazonas-Regenwald wie der brasilianische Umweltforscher Prof. Antonio Donato Nobre. Der Amazonas, sagt er, sei einer der Orte, an dem die Erde ihre spektakulärsten Schätze aufbewahre.

    Darum ist der Amazonas fürs Klima auf der Welt wichtig

    Eine Fülle von Lebensformen, die Kohlendioxid einatmen und Sauerstoff ausatmen, Wasser verdunsten, magische Gerüche emittieren, giftige Gase entfernen, pulsieren, regulieren und befeuchten, Regen sowie Wind erzeugen und ein zugängliches Klima schaffen.“ Nobre fürchtet, dass all dies verloren geht.

    Die Angst um den Amazonas spaltet Brasilien, seit sich der neue brasilianische Präsident Jair Bolsonaro anschickt, die Axt im Amazonas-Regenwald anzulegen. Bolsonaro, seit Januar im Amt, hatte im Wahlkampf angekündigt, den Regenwald für die Wirtschaft zu öffnen, Abholzung und Brandrodung voranzutreiben. Das ist ihm auch gelungen: Seit drei Wochen wütet jetzt schon ein verheerender Waldbrand im Amazonas-Regenwald, die Rauchwolken sind sogar bis in den Weltraum zu sehen.

    Indigene Völker im Regenwald bedroht

    Auch will er die Rechte der etwa 900.000 Angehörigen indigener Stämmen beschneiden, um die geschützten Gebiete für Agrarflächen, Bergbau oder den Bau von Staudämmen und Autobahnen zu öffnen. Die indigenen Völker sind die letzten Verteidiger des Amazonas-Regenwaldes. 13 Prozent der Fläche Brasiliens sind als Schutzgebiete ausgewiesen.

    Bolsonaro lockerte die Waffengesetze in Brasilien

    Bolsonaro wird als rechtsextrem eingestuft. Öffentlich verherrlichte er Folter und Militärdiktatur, hetzte gegen ethnische Minderheiten oder Homosexuelle, verleugnete den Klimawandel. In Kreisen von Umweltorganisationen heißt er „Tropen-Trump“.

    Dort aber macht sich längst Entsetzen breit: „Ich fühle mich persönlich bedroht“, sagte Iara Pietricovsky, Direktorin des Dachverbandes brasilianischer Nichtregierungsorganisationen, in einem Interview. Vor wenigen Tagen erst lockerte Jair Bolsonaro die Waffengesetze in Brasilien.

    „Das ist eine Art Freifahrtschein für Gewalt, auch gegen uns“, glaubt Pietricovsky. Auch Christoph Bals von der deutschen Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch sorgt sich: „Wir hören von bevorstehenden ‚Säuberungswellen‘, von Drohungen, Mitarbeiter auszuweisen oder den Organisationen die Finanzmittel zu kürzen.“

    Brasiliens neuer Präsident folgt Trump-Kurs

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      Amazonien ist größte Regenwaldregion der Erde

      Es ist ein Krieg gegen die Natur. Der Amazonas gilt als grüne Lunge des Planeten.

      Die tropischen Regenwälder in seinem Einzugsgebiet erstrecken sich über eine Fläche von acht Millionen Quadratkilometern.


    • Zum Vergleich: Deutschland hat eine Fläche von 357.000 Quadratkilometern.

    • Amazonien ist damit neben dem Kongobecken in Afrika und Südostasien die mit Abstand größte Regenwaldregion der Erde.

    • Neben seiner Bedeutung für die Bewahrung der Artenvielfalt ist der Amazonas vor allem eine gigantische Kohlenstoffsenke:

      Amazonas und seine Klima-Schlüsselrolle

      Wachsende Bäume entziehen das CO2 aus der Atmosphäre. Brasilien kommt so bei den UN-Klimaverhandlungen eine Schlüsselrolle zu. Eine neue Studie kam jetzt zu dem Schluss: Ein gigantischer Wald könnte die Erderwärmung aufhalten.

      Zugleich funktioniert der Amazonas wie eine riesige Klimaanlage für den Planeten: Durch die Verdunstung bildet sich über dem Tropenwald eine Wolkendecke. Wie ein gigantischer Sonnenschirm verhindert sie, dass die Sonneneinstrahlung die Landmassen zu stark aufheizt und austrocknet.

      Ein großer Baum, hat Nobre errechnet, kann an einem Tag mehr als tausend Liter Wasser aus der Erde pumpen und verdunsten. Nobre und andere Forscher haben den Begriff der „fliegenden Flüsse“ eingeführt: „Das sind Ströme von Wasserdampf in der Atmosphäre, die sich ganz ähnlich wie irdische Flüsse verhalten. Sie transportieren in der Atmosphäre eine große Menge Wasser als Wasserdampf. Und das ist die Voraussetzung für Regen“, schreibt Nobre.

      Seit 70er-Jahren sind 20 Prozent der Waldfläche verschwunden

      Einer seiner Brüder, Carlos Nobre, gehört zu den bekanntesten Meteorologen Brasiliens. Er hält es für möglich, dass weite Teile des Amazonas-Regenwaldes schon in wenigen Jahren als trockene Savanne enden. Holze man den Wald ab, komme die Klimapumpe zum Stillstand.

      Ein Szenario, das die Forscher des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) als grundlegende Gefahr für das Erdklima erachten: „Fallen die Wälder als Speicher für Wasser und Kohlenstoff aus, können sie die Erderhitzung nicht mehr dämpfen. Brände und sterbende Bäume heizen vielmehr die Klimaerwärmung zusätzlich an.“

      Dabei weiß die brasilianische Regierung ziemlich genau, wie viel Regenwald das Land verliert. Seit 30 Jahren bilden Fotos von drei Umweltsatelliten die Zerstörung des Amazonas quasi in Echtzeit ab. Nach Angaben des Nationalen Instituts für Weltraumforschung (INPE) sind seit den 70er-Jahren im Amazonasgebiet etwa 20 Prozent der Waldfläche verschwunden.

      7900 Quadratkilometer Wald wurden im Amazonas abgeholzt

      Dabei gab es eine Zeit, in der es schien, als komme der Kahlschlag zum Stillstand. Von 2004 bis 2014 sanken die Abholzraten, vor allem durch die Ausweisung von Indianer- und Naturschutzgebieten.

      Nun aber kreist die Säge:

      Von August 2017 bis Juli 2018 wurden 7900 Quadratkilometer Wald abgeholzt, bestätigte die Regierung – über 13 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.


    • Allein in 2017 habe Brasilien 1,2 Milliarden Bäume verloren, die Zerstörung betreffe eine Fläche von einer Million Fußballfeldern.

    • Seit Januar bis Mitte August gab es bereits mehr als 70.000 Feuer im Amazonas-Regenwald, die Zahl der Brände stieg um mehr als 83 Prozent im Vergleich zum Vorjahr

    • Von der Abholzung betroffen sind insbesondere die Bundesstaaten Pará und Mato Grosso. Wo einst Regenwald stand, wachsen nun riesige Plantagen, auf denen Sojabohnen angebaut werden. 80 Prozent des Ertrags landet in den Landwirtschaften Europas, Nordamerikas, Russlands und Chinas. Denn das eiweißreiche Soja ist eines der wichtigsten Futtermittel für die Mast von Schweinen und Rindern.

      Amazonas-Regenwald: Mercosur sorgt für Druck

      Auch Deutschland ist von Soja-Importen abhängig. Gleichzeitig zahlte die Bundesregierung in den vergangenen Jahrzehnten Millionen für die Rettung des Regenwalds. „Deutschland und Brasilien verbindet über viele Jahre eine strategische Partnerschaft für den Wälderschutz“, sagt Christoph Bals.

      „Die Bundesregierung sollte die Bereitschaft zu weiteren Finanzzusagen an Verhandlungen über Fortschritte im Wälderschutz und an Bedingungen knüpfen“, fordert er. Wegen der fortschreitenden Abholzung des Amazon-Regenwalds will Deutschland die Fördergelder jetzt auch entziehen.

      Auch könnte Deutschland bei den Verhandlungen der EU mit Brasilien über das Freihandelsabkommen Mercosur in dieser Frage Druck auf Bolsonaro ausüben.

      Bolsonaros Vorschläge spalten Brasiliens Gesellschaft

      Ob es für die von Bolsonaro angekündigte starke Abholzung des Regenwaldes eine Mehrheit im Kongress gibt, ist nach Einschätzung von Bals unklar. Die Agrarlobby verfüge über großen Einfluss in der Volksvertretung, sei aber gespalten.

      Das Bangen um den Amazonas geht also weiter. 50 Millionen Jahre lang, sagt Antonio Donato Dobre, habe der Wald Vulkanismus, Vereisungen, Meteore und die Kontinentalverschiebung überlebt. „Aber jetzt ist er in weniger als 50 Jahren allein durch den Eingriff des Menschen bedroht.“