Berlin. Während Magneten wie das Oktoberfest immer wieder Besucherrekorde aufstellen, verschwinden kleine Volksfeste von der Landkarte. Warum?

Gähnende Leere im kleinen Bierzelt, der Pizzastand ohne Publikum, und für größere Fahrgeschäfte wie einen Autoscooter fehlt schlichtweg der Platz: Das Volksfest im oberbayerischen 20.000-Einwohner-Städtchen Wolfratshausen war in den letzten Jahren alles andere als ein Besuchermagnet. Also entschloss sich die Gemeinde notgedrungen, Schluss zu machen mit der Kirmes auf dem Parkplatz des Kulturzentrums.

Wolfratshausen ist kein Einzelfall: „Vor allem Dorffeste sind vielerorts vom Aussterben bedroht“, stellt Nina Göllinger vom Deutschen Schaustellerbund (DSB) fest. Zwar gibt es zwischen Nord-, Ost- und Bodensee etwa 9750 regelmäßige Volksfeste. Doch in den letzten zehn Jahren sind etwa 2000 Veranstaltungen von der Landkarte verschwunden, so der DSB.

Kleine Feste verlieren ihre gesellschaftliche Bedeutung

Die Schausteller beklagen eine Zweiklassengesellschaft. Während das Oktoberfest in München, die Cranger Kirmes in Herne oder das Fest auf dem Cannstatter Wasen in Stuttgart mit Millionen Besuchern und immer neuen Superlativen werben, verlieren kleine Feste ihre gesellschaftliche Bedeutung.

Jugendliche seien heute so mobil, dass sie einfach in die nächste Großstadt fahren, statt ihr Taschengeld im Heimatdorf auszugeben, heißt es. Der Bundesverband Deutscher Schausteller und Marktkaufleute (BSM) – eine weitere, kleinere Interessenvertretung der Branche – beklagt am Mittwoch in Berlin zudem, Volksfeste befänden sich „im Würgegriff der Bürokratie“.

Behörden machen Schaustellern viele Auflagen

Auch die Wolfratshausener können davon ein trauriges Lied singen. Die Verwaltung sucht einen neuen, besseren Standort – so lange schon, dass sich ein CSU-Stadtrat zu einer ätzenden Bemerkung hinreißen ließ: „In der Zeit, in der das inzwischen geprüft wird, bauen andere einen Bahnhof.“

Wenn das Volksfest wieder aufgelegt werde, dann doch bitte „noch in einem erlebbaren Zeitrahmen“. Der Augsburger Autoscooter-Betreiber Bruno Noli schüttelt den Kopf über die Zahl der Vorschriften, die verschiedenste Behörden vom Landratsamt bis zum Zoll ihm als Mittelständler auferlegten. „Wir sind in ständiger Überwachung.“

Nicht jedes Dorffest hat das Zeug zum Kulturerbe

Doch es gibt Anlass zur Hoffnung. „Der Abwärtstrend der letzten Jahre ist erfreulicherweise gestoppt“, frohlockt Albert Ritter, der Präsident des Schaustellerbundes. Immer mehr Kommunen investieren in attraktive Feste, sagt er. Die Kirmes als eintrittsfreie Vergnügungsmeile für die ganze Familie, diese Sichtweise soll sich durchsetzen, hofft er.

„Bürgermeister sollten nicht nur bei Großveranstaltungen das Fass anschlagen, sondern sich auch um kleine Feste kümmern.“ Einige Rummel, etwa die Fürther Michaelis-Kirchweih in Franken, werden als immaterielles Kulturerbe geschützt und subventioniert. Klar ist aber auch: Nicht jedes Dorffest hat das Zeug zum Kulturerbe. Das weiß man nicht nur in Wolfratshausen.