Jerusalem. Israel hat den Zugang zum Tempelberg eingeschränkt. Während es in Jerusalem ruhig blieb, kam es im Westjordanland zu Zusammenstößen.

Die Heilige Stadt stand auch am Freitag unter Hochspannung, als rund 10.000 Muslime zum traditionellen Mittagsgebet Richtung Al-Aksa-Moschee auf dem Tempelberg strömten. Ein massives Polizeiaufgebot, darunter eine Reiterstaffel, sicherte die Altstadt Jerusalems und angrenzende Stadtteile ab. Eine Eskalation wie am vorvergangenen Freitag sollte auf jeden Fall verhindert werden. Vor zwei Wochen hatten Tausende Palästinenser teils gewalttätig gegen israelische Zugangsbeschränkungen zum Tempelberg protestiert, die nach dem Mord an zwei israelischen Polizisten installiert worden waren.

Drei Demonstranten waren bei den Zusammenstößen getötet worden; am selben Abend hatte ein Palästinenser drei Israelis in ihrem Haus erstochen. An diesem Freitag blieb es vergleichsweise ruhig. Aus Sicherheitsgründen sperrte Israel den Zugang zur Al-Aksa-Moschee für Männer unter 50 Jahren, woraufhin Tausende Muslime im Freien beteten. Nachmittags zogen Gruppen junger Männer durch die Straßen, skandierten anti-israelische Parolen und wurden von Polizisten auseinandergetrieben; gewalttätige Zusammenstöße blieben in Jerusalem jedoch aus.

Detektoren am Zugang zum Tempelberg

Anders die Lage im Westjordanland: In mehreren Städten gingen Palästinenser auf die Straße, warfen Steine auf israelische Soldaten und zündeten Autoreifen an. Die Soldaten antworteten mit Gummigeschossen und verletzten dabei mindestens zwei Männer. In Gush Etzion, einer israelischen Siedlung, rannte ein Palästinenser laut Angaben der israelischen Armee mit einem Messer bewaffnet auf israelische Soldaten zu, die den Angreifer erschossen.

Die Proteste der vergangenen Woche hatten sich an Metalldetektoren entzündet, die Israel an den Zugängen zum Tempelberg aufgestellt hatte. Israels Regierung beschrieb den Schritt als Sicherheitsmaßnahme, nachdem am 14. Juli zwei arabische Männer dort drei israelische Polizisten getötet hatten. Viele Palästinenser sahen in den Metalldetektoren jedoch einen Angriff auf die muslimische Autorität über die Al-Aksa-Moschee. Nach tagelangen Unruhen ließ Israel am vergangenen Montag die Metalldetektoren wieder abbauen. Viele Palästinenser feierten die Kehrtwende als Sieg: Die Hamas veranstaltete am Mittwoch einen Triumphmarsch im kontrollierten Gazastreifen.

Verlierer der Tempelberg-Krise ist Netanjahu

In den sozialen Medien verbreiteten sich Karikaturen, die „Israels jämmerliches Einknicken“ vor dem palästinensischen Widerstand verspotten. Dass Israels Premierminister Benjamin Netanjahu, der sich gern als Mann der Sicherheit präsentiert, so schnell nachgab, hat viele Beobachter überrascht – und viele Israelis verärgert: In der Umfrage eines israelischen Fernsehsenders lehnten 77 Prozent der Befragten den Abbau der Metalldetektoren ab. Auch aus seiner eigenen Koalition bekam der Premier Gegenwind: „Israel geht geschwächt aus dieser Krise hervor“, beklagte Naftali Bennett, Bildungsminister und Vorsitzender der rechten Partei „HaBayit HaYehudi“.

Der Vorsitzende der oppositionellen Arbeitspartei, Avi Gabbay, warf Netanjahu vor, mit seinem Schlingerkurs Israels nationale Sicherheit zu gefährden. Dass Netanjahu von links mangelnde Härte vorgeworfen wird, ist extrem ungewöhnlich. Zumindest in einem Punkt sind sich viele Palästinenser und Israelis derzeit einig: Der Verlierer der Tempelberg-Krise heißt Netanjahu.