Leipzig. . Vor 25 Jahren hat Sebastian Krumbiegel als Frontmann der Popband „Die Prinzen“ große Hits geschaffen. Jetzt gibt er sich politisch.

„Küssen verboten“ und „Alles nur geklaut“: Mit diesen Hits starteten „Die Prinzen“ vor 25 Jahren ihre Erfolge. Sebastian Krumbiegel war der Frontmann einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Popbands. Mittlerweile engagiert sich der Leipziger auch politisch, was ihn nicht selten in schwierige Situationen bringt.

Neulich in einer Kleinstadt in Sachsen: Beim Konzert singt er seine Lieder, und dazwischen sagt er seine Meinung: zur AfD, zu Flüchtlingen und dazu, wie er sich das Zusammenleben vorstellt. Nach seinem Auftritt kommt ein jüngerer Mann auf ihn zu und sagt: „Du bist schon eine ganz schön widerliche Schwuchtel.“

Krumbiegel ist so perplex, dass er im ersten Augenblick gar nicht reagieren kann. Dann aber sagt er doch noch, dass man mit ihm bitteschön respektvoll umgehen soll, er mache das mit seinem Gegenüber auch.

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    Aber eigentlich, und das wurmt Sebastian Krumbiegel noch Wochen später, hätte er viel schärfer reagieren sollen. „Darum geht es doch gerade“, sagt er, „dass wir uns klar positionieren, gerade in Zeiten wie diesen, in denen unsere Demokratie so sehr gefährdet ist wie lange nicht.“

    Deshalb hat er neulich in einem Interview den Redbull-Chef Dietrich Mateschitz für seine Aussagen über Flüchtlinge angegriffen, deshalb hat er die Hymne für seinen Fußballverein RB Leipzig geschrieben, die ein „buntes Leipzig“ als Vision zeichnet – und deshalb hat er auch gerade ein Buch geschrieben mit dem Titel „Courage zeigen“ (Gütersloher Verlagshaus, 19.99 Euro).

    Krumbiegels Karriere begann im Leipziger Thomanerchor

    Krumbiegel, gerade 50 Jahre alt geworden, hat in dem Buch Bilanz gezogen. Es ist voller Szenen seines Lebens, die von ihm eine Haltung verlangt haben, ein Rückblick in die Zeit der DDR.

    Sebastian Krumbiegel war 14 Jahre alt und konnte nicht verstehen, warum ein Klassenkamerad beinahe von der Schule geflogen wäre. Dessen Vergehen bestand darin, eine Zeichnung im Physikunterricht gemalt zu haben. Darauf waren Demonstranten zu sehen, im krakeligen Stil eines Achtklässlers. Das sollte ausreichen für eine Suspendierung von Schule und dem Thomanerchor – dem beide angehörten. Dass aus diesem Wolfgang Lenk der spätere „Prinzen“-Bandkollege geworden ist, war nicht abzusehen.

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      Von Neonazis mit Hakenkreuz-Tattoo verprügelt

      Gerade jetzt hat sich die Band wieder zusammengefunden. Im Sommer gehen sie auf Tour, auch mit ein paar neuen Liedern. „Aber vorher mache ich noch ein paar Auftritte allein“, sagt er, „nur mit dem Buch und Liedern am Klavier in kleinen Orten.“ Er liest dann Passagen aus „Courage zeigen“ vor; zum Beispiel den Text über den Tag, als er in Leipzig von Neonazis verprügelt wurde. Sie kamen aus dem Gebüsch mit Reizgas, Springerstiefeln und Hakenkreuz-Tattoo. Damals gab es jemanden, der dazwischenging und ihm geholfen hat.

      Krumbiegel ging seinerzeit damit um wie mit vielen Dingen aus seinem Alltag: Er schrieb ein Lied – „Geh in den Knast, begib Dich direkt dorthin“. Es zeigt seine unverhohlene Wut, aber auch seine Ratlosigkeit, wie mit solchen Tätern umzugehen ist. „Ich lehne es ab, einfach nur ein Opfer zu sein“, sagt er, „und daraus folgt für mich auch nicht, dass ich meine Schnauze halte.“ Ähnlich ging es ihm, als er noch einmal „verprügelt“ wurde – dieses Mal allerdings mit Worten, in einem Shitstorm. „Ich weiß schon, dass es nur Wörter sind“, sagt er, „aber was diese Beleidigungen und Verwünschungen so Schwarz auf Weiß ausrichten können, wusste ich vorher nicht.“

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        Pöbeleien und fehlender Respekt

        Gefährlich lebt es sich in der Hinsicht gerade in Sachsen. Pöbeleien in Bautzen, verfolgte Flüchtlinge in Arnsdorf, bedrohte Flüchtlingsbusse in Clausnitz und dann die Sprengkörper vor der Moschee in Dresden. Immer wieder kommen nach Konzerten auch in Sachsen Menschen zu ihm, nicht nur, um zu pöbeln. Eine Frau sagte neulich, sie schäme sich so für Sachsen.

        „Das reicht mir aber nicht“, sagt er. „Die Leute müssen selbst erkennen, dass sie etwas tun müssen, damit es besser wird in ihrem Umfeld.“ Er singe schließlich auch nicht nur von Wetter und Liebesschmerz. Vor allem geht es ihm um den Ton untereinander. „Der ist so unangenehm gerade, und das stört mich.“