Bittere Niederlage – Der Traum Hillary Clintons ist geplatzt
•
Lesezeit: 6 Minuten
Von Dirk Hautkapp
New York. Sie sah sich schon am Ziel, dann kam die bittere Niederlage. Der Wahltag bescherte Hillary Clinton den schwersten Tag ihres Lebens.
Die Trauerfeier des Jahres fand ohne sie statt. Mittwochmorgen um zwei Uhr trat Hillary Clintons Wahlkampf-Manager John Podesta im Jacob K. Javits Convention Center in New York ans Redner-Pult und macht in schalem Zweckoptimismus. „Wir sind noch nicht fertig. Geht schlafen, es werden noch Stimmen ausgezählt.“
Keine halbe Stunde später war der größte anzunehmende Unfall perfekt. Donald Trump hatte die 270er-Hürde im Wahlleute-Gremium übersprungen. Seiner Rivalin Hillary Clinton blieb nichts anderes mehr übrig, als zum Telefonhörer zu greifen und die heftigste Niederlage ihres Lebens einzugestehen.
Die gläserne Decke nicht durchbrochen
In der an Rückschlägen wie Beispielen des Wiederaufbäumens reichen Biographie von Hillary Diane Rodham, geboren am 26. Oktober 1947 in Chicago, markiert dieser 9. November 2016 eine Zäsur.
First Lady. Senatorin. Außenministerin. Hochbezahlte Vortragsredenerin. Buch-Autorin. Mächtige Power-Brokerin für die Belange für Mädchen und Frauen weltweit. Und zuletzt zweifache Großmutter. All das hat, mit Tiefen zwar, am Ende immer geklappt. Der Griff ganz nach oben, das Durchbrechen der sprichwörtlichen Glasdecke, die hoch qualifizerte Frauen vom Top-Job der westlichen Welt fernhält, aber ging ins Leere.
Zweimal weibliche Präsidentschaftskandidatin der Demokraten. Zweimal verloren. Ein drittes Mal wird es nicht geben.
Trump zertrümmerte Clintons Leitsatz
Unterlag sie bei der Premiere 2008 noch der damals uneinholbaren Lichtgestalt Barack Obama, so schmerzt die Niederlage gegen den Emporkömmling Donald Trump die 69-Jährige besonders. In einer von Männer dominierten Welt hat sie gegen ein umstrittenes, viele sagen charakterlich jämmerliches Exemplar den kürzeren gezogen.
Das muss, das wird sie persönlich nehmen. Trump hat ihren wichtigsten Leitsatz zertrümmert: „Wandel entsteht nicht durch Glauben oder durch eine große Rede. Wandel kommt nur durch harte Arbeit zustande.“ Irrtum. Wandel kommt auch durch gnadenloses Hetzen, Polemisieren, Dämonisieren.
Hillary Clinton plante sich zu Tode
Clinton hat in diesem Wahlkampf so hart gearbeitet wie nie zuvor. Mit der Ethik des Schuftens im Kopf, ein Vermächtnis ihrer Mutter, der sie alles verdankt, vor allem die Fähigkeit, Niederlagen und Demütigungen einzustecken, ging sie zu Werke. Überließ nichts dem Zufall, plante jeden Schritt im voraus dreimal durch – und sich damit zu Tode.
Mehr als einmal hätte es für sie Anlass gegeben, dieser menschenschindenden Wahl-Kampagne Adieu zu sagen. Trump, der ihr gestern in einer staunenswerten 180-Grad-Wende Dank und Hochachtung übermittelte, stilisierte Hillary Clinton als korrupte, hinterhältige Verräterin der amerikanischen Ideale. Als Karrierefrau, die das Oval Office „kaufen“ will. Eine gnadenlose Verzerrung. Millionen schenkten Trump trotzdem Glauben. Aber Clinton kapitulierte nicht. Nicht gegen diesen Gegner.
Hillary Clinton will Präsidentin werden
1/22
Ihr Programm war zu kontrovers
Dass Donald Trump im Untergrund längst die tektonischen Platten der amerikanischen Demokratie in Reibung versetzt hatte, entging ihr und ihrem Wahlkampf-Apparat, der am Ende eine Milliarde Dollar in den Sand gesetzt hat.
Sie wollte die Politik Obamas behutsam weiterentwickeln. Das macht sie auf der Gegenseite (und in weiten Teilen des Volkes) zum Paria. Mindestlohn-Erhöhung, Studiengebühren-Erlass für Arme, Eindämmung der Kostenexplosion in der Krankenversicherung, bezahlter Mutterschaftsurlaub, höhere Steuern für Reiche – ihr Programm war so kontrovers, dass Experten schon vor Wochen mit der Lupe nach Andockstellen bei den Republikanern suchten.
Sechsstellige Summe für 35-Minuten-Rede
Clinton konnte dem Ruf, eine kühl kalkulierende Machtmaschine zu sein, nie wirklich entrinnen. Der böse Umgang ihrer Leute mit internen Rivalen, die peinlichen Wikileaks-Dokumente, die endlose E-Mail-Affäre; all das hat ihr Image negativ geschärft.
Das Image einer Frau, die zu viele Geheimnisse hat. Die eine öffentliche Meinung zu den Dingen besitzt. Und eine private, die sich dem opportunistisch Notwendigen unterordnet. Etwa demjenigen, der sechsstellige Summen zahlt für eine 35-minütige Rede. Diese Doppelschichtigkeit erklärt die verheerenden Unbeliebtsheitswerte, die sich auf den Wahlzetteln für sie niederschlugen.
In der eigenen Partei viele Neider
Millionen Amerikaner betrachteten Clintons über 30 Jahren angehäuften Erfahrungsschatz nicht nur als zu vernachlässigende Kategorie. Sondern als Ablehnungsgrund. Die Demokratin wurde abgemeiert wie noch nie.
Weil sie bereits beschädigt war von Skandalen, als das Rennen noch gar nicht begonnen hatte. Weil sie in ihrer eigenen Partei mehr Neider als Bewunderer hat. Weil bei vielen Amerikanern der Glaube Allgemeingut geworden ist, dass die Clintons eine Art Erbrecht auf das Weiße Haus zu besitzen glauben. Weil ihre herablassende Bemerkung über Trumps Fans („jämmerlicher Haufen Bedauernswerter“) alle Vorurteile über sie bestätigte.
Weltweites Warten auf das Ergebnis
1/12
Das Ende der Dynastie der Clintons
Was sie selbst als Ausdauer und Beharrungskraft beschrieb, kam bei vielen Wählern nicht anders als Machtgeilheit einer Elitären an, die ihrer Kandidatur nie wirklich eine überzeugende Überschrift überstülpen konnte. Dazu kam ihre Persönlichkeit.
Viel gelernt, viel gearbeitet an sich hat sie offensichtlich nicht. Gegen einen Trump, der 24 Stunden am Tag über sich, und nur sich, reden und prahlen kann, kam die im privaten Kreis als charmante Zuhörerin beschriebene Clinton nie an. Das Geheimniskrämerische, das sie umgibt, das taktische Verhältnis, das sie zur Wahrhaftigkeit pflegt, hat ihr während des Wahlkampfes massiv geschadet.
Die Wähler in Amerika haben Hillary Clinton und damit auch ihren Mann Bill gestern aufs politische Altenteil geschoben. Endgültig. Es ist das abrupte Ende einer Dynastie. Es sei denn Tochter Chelsea…