Berlin. Jahrelang wurden Millionen männliche Küken getötet. Wie ein Gesetz das Tierwohl, die Aufzucht und die Produktion von Eiern verändert.

In Deutschland ist seit Jahresbeginn das Töten männlicher Küken von Legehennen verboten. Bis dahin wurden sie vergast, da ihre Aufzucht nicht rentabel war. „Durch das neue Gesetz werden in Deutschland in diesem Jahr rund 40 Millionen männliche Küken vor dem Tod bewahrt“, sagt der Präsident des Geflügelverbands, Friedrich-Otto Ripke, dieser Redaktion.

Seit Januar werden die geschlüpften Küken entweder als so genannte Bruderhähne gemästet und aufgezogen. Andere ihrer männlichen Artgenossen werden durch Geschlechtsbestimmungsverfahren noch vor dem Schlüpfen aussortiert.

Allerdings wirkt das Gesetz nur in Deutschland und damit nicht so, wie sich dies die Geflügelwirtschaft und Tierschützer wünschen. „Wir brauchen eine europaweite Regelung, sonst erhalten wir nicht den gewünschten breiten ethischen Erfolg“, so Ripke.

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Zudem fordert der Verbandschef eine bessere Kontrolle des deutschen Verbots durch die Behörden. „Unser deutsches Gesetz wirkt nur innerhalb Deutschlands und lässt zu viele Umgehungstatbestände zu. So könnten zum Beispiel männliche Küken über die Grenzen gefahren und dort getötet werden“, so Ripke. Denn in Polen, Holland, Italien oder Frankreich ist das Kükentöten weiterhin erlaubt. Auch sei es legal, Junghennen im Ausland zu kaufen und einzuführen, deren männliche Geschwister dort weiterhin nach dem Schlupf getötet werden.

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Der neue Umgang mit den männliche Küken sorgt aber auch für Wettbewerbsverzerrungen und vor allem bei Brütereien für erhebliche Mehrkosten. „Die Aufzucht der Bruderhähne kostet zwischen 3,20 und 3,80 Euro pro Tier, die über den Verkaufspreis der Eier von Legehennen querfinanziert werden müssen. Das macht jedes Ei um 1,5 bis 2 Cent teurer.“

Die Folge, so befürchtet Ripke: Es wird zu einer weiteren Konzentration in der Branche führen. Dies wird vor allem kleinen Brütereien die Existenz kosten. Bereits heute gibt es nur noch 22 Brütereien in Deutschland.“

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Das große Problem: „Bislang gibt es noch keinen ausreichenden Markt für das Fleisch von Bruderhähnen“, sagt Ripke. Denn: „Das Fleisch von Bruderhähnen ist dunkelfarbig und grobfasrig. Der Verbraucher muss erst daran gewöhnt werden.“ Die Aufzucht der Bruderhähne sei zudem nicht nachhaltig.

Warum? „Die Tiere verbrauchen zu viel Futter und entwickeln daraus zu wenig Fleisch. Die Tiere sind eben aus Eiern von Legehennen geschlüpft, die für das Eierlegen gezüchtet wurden und nicht für die Mast.“

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Auch die Geschlechtsbestimmungsverfahren müssten weiter optimiert werden. „Aktuell kann das Geschlecht erst ab dem 9. Tag bestimmt werden. Ein Verfahren, mit dem die Selektion idealerweise noch vor der Embryo-Bildung erfolgt, steht uns noch nicht zur Verfügung“, bedauert der Verbandschef. „Alle Verfahren sind noch nicht so praxisreif, wie wir es uns wünschen. Wir brauchen kostengünstigere und genauere Bestimmungsverfahren.“

Auch der Deutsche Tierschutzbund sieht den Umgang mit den männlichen Küken kritisch und setzt sich insbesondere für eine bessere Haltung von Bruderhähnen ein. Grundsätzlich kritisieren die Tierschützer, dass das System der Hochleistungszucht bestehen bleibt.

Eier: Geflügelbranche setzt auf Eier ohne Küken töten

Gleichwohl setzt die deutsche Geflügelbranche voll auf den Weg ohne Kükentöten. „Eier aus Lieferketten ohne Kükentöten können Verbraucher längst kaufen“, sagt Ripke. Ab Mai sollen Eier im Handel, die ohne Kükentöten entstanden, über den Eier-Code und die KAT-Datenbank rückverfolgt werden können. Damit kann der Verbraucher sich dann bewusst beim Kauf entscheiden.

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Die Kennzeichnung wird wie auch die Herkunfts- und Haltungskennzeichnung auf den Eiern vom Verein für kontrollierte alternative Tierhaltungsformen (KAT) organisiert – also von der Wirtschaft und nicht von den zuständigen Behörden.

Aktuell stammen etwa 72 Prozent aller verzehrten Eier aus Deutschland. Die restlichen Eier müssen importiert werden und kommen zum größten Teil aus Holland. In Deutschland gibt es knapp 50 Millionen Legehennen – darunter 6 Millionen Bio-Legehennen.

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