Berlin. Verkehrsminister Wissing plant offenbar eine massive Ausweitung der E-Auto-Prämie. In der Ampel-Koaliton stoßen die Pläne auf Kritik.

Mit einem massiven Ausbau der staatlichen Kaufprämien für E-Autos will Bundesverkehrsminister Volker Wissing offenbar die Elektromobilität in Deutschland voranbringen. Anders als im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung vorgesehen könnte die Förderung bis ins Jahr 2027 verlängert und deutlich erhöht werden. Eigentlich hatten die Parteien vereinbart, dass die Prämien 2025 auslaufen – und bis dahin sinken.

Nun könnte alles anders kommen. Über einen entsprechenden Entwurf des FDP-Politikers berichtete das „Handelsblatt“. Demnach soll der Staat beim Kauf von E-Autos für bis zu 40.000 Euro künftig 10.800 Euro überweisen. Bislang gibt es 6000 Euro. Auch der Zuschuss der Hersteller von 3000 Euro soll bis ins Jahr 2027 verlängert werden.

Mehr Geld sehen die Pläne dem Bericht zufolge auch für teurere Autos vor. Bei Kaufpreisen bis 60.000 Euro steige der Zuschuss von 5000 auf 8400 Euro. Um die volle E-Auto-Prämie zu erhalten, müsse ab dem zweiten Halbjahr 2023 aber ein mindestens elf Jahre altes Verbrennerauto verschrottet werden. Die staatlichen Kaufprämien sollen ab dem Jahr 2025 sinken. Laut Gutachten würden sie bis zu 73 Milliarden Euro kosten. Erklärtes Ziel der Bundesregierung ist es, bis ins Jahr 2030 insgesamt 15 Millionen Elektroautos auf die Straße zu bringen.

Verkehrsminister Volker Wissing will auch eine umstrittene Förderung verlängern – für die er gar nicht zuständig ist.
Verkehrsminister Volker Wissing will auch eine umstrittene Förderung verlängern – für die er gar nicht zuständig ist. © Getty Images | Adam Berry

Wissing will Föderung verlängern – doch Habeck ist zuständig

Wissings Pläne umfassen auch eine Fortsetzung der umstrittenen Förderung für Plug-in-Hybride bis 2024. Diese Fahrzeuge können nur kurze Strecken rein elektrisch zurücklegen. Der FDP-Politiker will die Prämie halbieren und je nach Kaufpreis 2250 oder 1875 Euro zahlen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will den Zuschuss in diesem Jahr auslaufen lassen – sein Ministerium ist auch fachlich zuständig für die E-Auto-Förderung.

Die Überlegungen gehen laut dem „Handelsblatt“ aus einem Regierungsgutachten hervor, in dem Forschungsinstitute einen Entwurf des geplanten Klimaschutzsofortprogramms der Bundesregierung bewertet haben. Eine Habeck-Sprecherin betonte gegenüber unserer Redaktion, dass es noch keine finalen Vorschläge gebe. Das Klimaschutzsofortprogramm mit einzelnen Maßnahmenvorschlägen aller Ressorts und aller Sektoren befinde sich in der Ressortabstimmung. Alle Sektoren müssten Beiträge leisten. „Jede Maßnahme wird dann auf ihre Klimaschutzwirkung bewertet“, sagte die Sprecherin. Es gebe „Nachholbedarf in allen Feldern, um unsere Klimaschutzziele zu erreichen.“

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ADAC: Förderung für Plug-in-Hybride verlängern

Rückendeckung erhält Wissing vom Automobilclub ADAC. „Für den Hochlauf der E-Mobilität ist eine Fortführung der Förderung wichtig“, sagte Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand unserer Redaktion. „Diese kann aus Sicht des ADAC mit Blick auf die Belastungen für den Steuerzahler degressiv gestaltet werden, doch ein vollständiges Auslaufen 2025 wäre auf jeden Fall verfrüht.“ Eine Verlängerung und Reduzierung der Förderung für Plug-in-Hybride hält der ADAC für sinnvoll: Diese könnten den Einstieg in die E-Mobilität bedeuten.

Dagegen stoßen die Vorschläge in der Ampelkoalition auf heftige Kritik. „Das ist weder durch den Koalitionsvertrag gedeckt, noch gab es dazu Gespräche, von den bislang getroffenen Vereinbarungen abzuweichen“, sagte SPD-Fraktionsvize Detlef Müller dem „Spiegel“. Er nannte das Konzept „unausgegoren“. „Ich bin verwundert, dass wir seit Wochen über einen unterfinanzierten ÖPNV und fehlende Milliarden zum Ausbau der Schiene diskutieren, um die sich Wissing bei den Haushaltsverhandlungen nicht einmal bemüht hat, und der Minister dann mit so einem teuren und unnötigen Vorschlag für das Auto um die Ecke kommt“, betonte Müller.

Fehlt Wissing am Ende das Geld für wichtige Projekte bei der Bahn?

Wissing hat sich zuletzt nicht nur mit den Bundesländern über die milliardenschwere Finanzierung des Neun-Euro-Tickets gestritten. Es soll angesichts der hohen Energiepreise mehr Menschen zum Umstieg in Bus und Bahn bewegen. Laut dem „Spiegel“ warnen Wissings Beamte auch vor einer Unterfinanzierung beim Aus- und Neubau von Bahnstrecken. Der Minister wolle konstant 2,2 Milliarden Euro pro Jahr zur Verfügung stellen. Der Bedarf liege zum Ende des Jahrzehnts aber bei sechs Milliarden Euro.

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Die Folge: Wichtige Bauvorhaben stehen zur Disposition. Betroffen wären etwa der Rhein-Ruhr-Express, der Ausbau von Großknoten wie Hamburg, Hannover und Köln und der Deutschlandtakt. Dieses Projekt von Wissings Vorgänger Andreas Scheuer (CSU) sieht vor, dass zwischen den Großstädten künftig alle 30 Minuten ein Fernzug rollt.

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