Berlin. Nur wenige Wochen nach Amtsantritt hat die Ampel-Koalition an Schwung verloren. Das liegt an der Pandemie, aber auch am Kanzler selbst.

Fünf Wochen nach seiner Vereidigung als Kanzler stellt sich Olaf Scholz am Mittwoch erstmals einer Befragung der Bundestagsabgeordneten. Für die Oppositionsfraktionen ist dies eine Gelegenheit, kritisch mit der Arbeit des Kanzlers und seiner Koalition ins Gericht zu gehen.

Zwar beginnt das Ampel-Bündnis aus SPD, Grünen und FDP gerade erst mit dem Regieren, vier große Problemfelder lassen sich jedoch bereits deutlich erkennen.

1. Die Corona-Politik

Die Pandemie bereitet der Bundesregierung derzeit die größten Schwierigkeiten. Das liegt in erster Linie an der besonders ansteckenden Omikron-Mutation. „Wir werden den Kampf gegen diese Pandemie mit der größten Entschlossenheit führen. Wir werden diesen Kampf gewinnen“, versprach Scholz in seiner ersten Regierungserklärung im Dezember. Unter Druck geraten die Ampel und ihr Kanzler aktuell jedoch wegen politischer Ankündigungen, deren Umsetzung inzwischen fraglich ist.

Einen bundesweiten Lockdown will die Ampel unbedingt verhindern, die Regierung setzt auf die umfassende Impfung der Bevölkerung. In den sechs Wochen bis Jahresende wurden 30 Millionen Impfspritzen gesetzt – doch mit den Feiertagen kam die Kampagne ins Stocken.

Fünf Wochen nach seiner Vereidigung stellt sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch erstmals einer Regierungsbefragung im Bundestag.
Fünf Wochen nach seiner Vereidigung stellt sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch erstmals einer Regierungsbefragung im Bundestag. © Getty Images | Pool

Somit ist fraglich, ob die von Scholz ausgegebenen Ziele erreicht werden, durch weitere 30 Millionen Impfungen im Januar bis Monatsende eine Quote bei den Erstimpfungen von 80 Prozent zu erreichen.

Und auch bei der geplanten Impfpflicht hakt es: Das vom Kanzler ausdrücklich befürwortete Vorhaben ist juristisch heikel und politisch umstritten. Daher wackelt nicht nur das von Scholz ausgegebene Ziel, dass die Impfpflicht ab Anfang März gelten soll. Es ist sogar unklar, ob eine solche Regelung überhaupt zustande kommt – auch weil Teile der FDP diese ablehnen.

Die Regierung will keinen eigenen Entwurf für eine Impfpflicht vorlegen. Stattdessen sollen sich die Bundestagsabgeordneten fraktionsübergreifend in Gruppen zusammenfinden und Vorschläge erarbeiten. Die Union wirft Scholz deswegen Führungsschwäche vor.

2. Die Russland-Krise

Der massive russische Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine lastet doppelt auf Scholz. Einerseits bemüht sich der Kanzler, zur Vermittlung zwischen Russland und der Ukraine beizutragen. Scholz schickte seinen Außenpolitikberater Jens Plötner nach Moskau und Kiew, um für Beratungen im Normandie-Format zu werben.

In der Runde hatte Deutschland unter Scholz’ Vorgängerin Angela Merkel (CDU) mit Frankreich in direkten Gesprächen mit Russland und der Ukraine nach einer friedlichen Lösung des Konflikts gesucht. Russlands Präsident Wladimir Putin sieht derzeit allerdings in den USA seinen ersten Ansprechpartner – zum Ärger der Europäer.

Konfliktpotenzial hat die Krise jedoch auch für die Koalition. Zwischen SPD und Grünen knirscht es in der Frage, ob die deutsch-russische Gaspipeline Nord Stream 2 im Falle einer militärischen Eskalation durch Moskau in Betrieb genommen werden kann. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert forderte nun, es dürften keine internationalen Konflikte herbeigeredet werden, „um Projekte auf diesem Wege zu beerdigen, die einem schon immer ein Dorn im Auge waren“.

Bei den Grünen provozierte Kühnert damit Empörung: „Was ist das für eine Logik? Weil die Befürchtungen, die sich mit einem Projekt verbinden, eintreten, muss man jetzt mal endlich richtig durchstarten?“, ätzte Franziska Brantner, parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium.

3. Der Atom-Streit

Die EU-Kommission will Investitionen in Atomkraft unter bestimmten Voraussetzungen als klimafreundlich einstufen - zum Entsetzen der Grünen. Zwar ändern die Pläne aus Brüssel nichts an dem deutschen Atomausstieg. Aber die Umweltpartei ist aus ihrer Sicht schließlich nicht dafür gewählt worden, die von ihnen bekämpfte Nuklearenergie mit einem Öko-Siegel zu adeln. Die Bundesregierung wird sich deswegen gegen das Vorhaben aussprechen.

Der Appetit von Olaf Scholz, wegen der EU-Pläne auf die Barrikaden zu gehen, ist allerdings begrenzt. Größter Befürworter des Kommissionsvorschlags ist schließlich das massiv auf Atomkraft als emissionsarme Energie setzende Frankreich, Deutschlands engster Partner in Europa. Staatschef Emmanuel Macron muss sich außerdem im April Wahlen stellen. Eine Niederlage Macrons in der Atomfrage könnte im Zweifel der rechtspopulistischen Herausforderin Marine Le Pen nutzen. Daran hat der deutsche Kanzler kein Interesse.

4. Der alte Olaf Scholz ist zurück

Aufbruchstimmung ist in der Ampel kaum noch zu spüren. Der Kanzler selbst blieb zuletzt blass. Aus früheren Jahren haftet Scholz das Image eines Langweilers an. Im Wahlkampf zeigte er andere Seiten, war kämpferisch oder auch mal persönlich. Nach den drögen Merkel-Jahren schien der 63-Jährige einen kommunikativen Neuanfang zu wagen.

Doch mit Amtsantritt war Scholz wieder wie verwandelt: Bei öffentlichen Auftritten spricht er oft leise, vermeidet klare Antworten auf Fragen. Wie sehr die Ampel ihren Schwung der Anfangstage eingebüßt hat, wird somit umso deutlicher.