Kanzleramtschef Helge Braun über den neuen Koalitionsvertrag, seine Oppositionspläne für die CDU und was er von Karl Lauterbach hält.

Helge Braun ist im Doppelstress: Als geschäftsführender Kanzleramtsamtschef ist er immer noch für die Koordination der Pandemie-Politik zwischen Bund und Ländern zuständig. Zugleich wirbt der 49-jährige Hesse und Intensivmediziner derzeit bei der CDU-Basis um Stimmen: Braun will der neue CDU-Chef werden.

Sie kandidieren überraschend für den CDU-Vorsitz. Warum sollte die Basis für jemanden stimmen, der parteipolitisch bislang kaum in Erscheinung getreten ist?

Helge Braun: Alle sagen: Wir wollen einen Neuanfang für die CDU. Daran will ich gerne mitarbeiten.

Sie stehen für eine CDU-geführte Bundesregierung, die 16 Jahre lang das Land regiert hat. Was ist daran neu?

Braun: Als CDU können wir stolz darauf sein, was wir in den letzten 16 Jahren fürs Land geleistet haben. Aber jetzt ist eine Umbruchphase. Die CDU muss in der Opposition eine neue Rolle finden. Ich biete an, dass ich in der Mischung aus Hauptstadterfahrung und auch aus meiner Erfahrung aus fast 18 Jahren als Kreisvorsitzender den Prozess der Erneuerung zügig vorantreibe. Viele wissen, dass ich eine moderne Führungskultur und nachdrückliche Digitalisierung immer gelebt habe.

Wie wollen Sie verhindern, dass es unter Ihnen kein „Weiter so“ gibt?

Braun: Opposition ist in gar keinem Punkt ein „Weiter so“. Wir haben in der Regierung mit der SPD permanent Kompromisse machen müssen. Das war notwendig für Deutschland, aber schlecht für unser Profil als CDU. Die Zeit der Kompromisse ist jetzt vorbei. Wir besinnen uns jetzt auf uns und unsere Mehrheitsfähigkeit in breiten Teilen der Bevölkerung.

Kanzleramtschef Helge Braun kandidiert für den CDU-Vorsitz. Am Mittwochabend trifft er bei einem Triell auf seine Mitbewerber Friedrich Merz und Norbert Röttgen.
Kanzleramtschef Helge Braun kandidiert für den CDU-Vorsitz. Am Mittwochabend trifft er bei einem Triell auf seine Mitbewerber Friedrich Merz und Norbert Röttgen. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Was wären Ihre drei wichtigsten Projekte als Parteichef?

Braun: Erstens: Nach so einer krachenden Wahlniederlage, wie sie die Union erlebt hat, braucht man eine grundlegende Erneuerung. Dazu gehört ein neuer Stil. Wie soll der aussehen? Wenn eine bürgerliche Partei sich ständig streitet, überzeugt das niemand. Notwendig ist jetzt ein kollegialer Führungsstil, der auch die unterschiedlichen Gesichter der CDU sichtbar macht.

Zum zweiten brauchen wir eine inhaltliche Erneuerung. Wir müssen jetzt auf Zukunftsthemen klare Antworten geben. Und da sehe ich im Vergleich zur Ampel fundamentale Unterschiede.

Zum Beispiel?

Braun: Zum Beispiel beim Thema innere Sicherheit. Die Ampel misstraut spürbar dem Staat. Sie glaubt, dass der Bürger vor staatlicher Überwachung geschützt werden muss. Für uns steht die Sorge im Vordergrund, wie wir den Bürger vor Kriminalität, Terrorismus und Extremismus schützen können.

Wir brauchen gerade im digitalen Bereich mehr Befugnisse für unsere Sicherheitsbehörden, damit sie effektiv arbeiten können. Wenn ich mir den Koalitionsvertrag der Ampel anschaue, erwarte ich nicht, dass sich die innere Sicherheit verbessert.

Und drittens?

Braun: Wir brauchen eine organisatorische Erneuerung – mit leichten Zugängen, Vernetzung und organisatorischer Entlastung für alle, die Politik machen. Deshalb habe ich einen Neun-Punkte-Plan vorgelegt, mit dem ich die Mitglieder auch stärker wieder an inhaltlichen Entscheidungen beteiligen will. Etwa, indem wir nach Bundesvorstandssitzungen die Ergebnisse abends mit den Mitgliedern diskutieren.

Sollten Sie gewinnen, erheben Sie dann wie Friedrich Merz automatisch auch den Anspruch auf die nächste Kanzlerkandidatur?

Braun: Wer jetzt in der CDU darüber spekuliert, wer unser nächster Kanzlerkandidat wird, der hat den Ernst der Lage nicht verstanden. Wir müssen die Partei erst mal wieder so aufstellen, dass wir Wahlen wieder gewinnen können.

Würden Sie als Parteichef Friedrich Merz einbinden?

Braun: Ich finde nicht, dass die Kandidaten sich zum jetzigen Zeitpunkt gegenseitig Angebote machen sollten. Am Ende steht da ein neuer Bundesvorstand aus Männern und Frauen, Ost und West, konservativ, sozial und liberal. Friedrich Merz hat in Teilen unseres Spektrums eine große Bindungskraft.

Sollte Parteivorsitz und Fraktionsvorsitz in der Opposition in einer Hand liegen?

Braun: Nein. Wir brauchen mehrere sichtbare Vertreter und wir haben nur noch Parteivorsitz, Fraktionsvorsitz und Generalsekretär als Spitzenämter zu besetzen. Deshalb habe ich schon klargemacht, dass ich mit dem jetzigen Fraktionsvorsitzenden Ralph Brinkhaus hervorragend zusammenarbeite und diese Position nicht anstrebe.

Welches Versprechen wird die Ampel Ihrer Ansicht nach nicht halten können?

Braun: Im Koalitionsvertrag ist vieles noch unklar. Eine präzise Politik ist damit noch nicht möglich. Es steht vor allem drin, was man nicht machen wird, aber nicht, was man macht. Etwa beim Thema Altersvorsorge. Da steht der Vorschlag einer Aktienrente. Das kann nicht die alleinige Antwort auf die Frage der privaten Altersvorsorge sein.

Was sagen Sie als Mediziner zur geplanten Cannabis-Freigabe?

Braun: Jede Form der Legalisierung von Drogen führt zu einer Enttabuisierung. In unserem Land haben viele das Gefühl: Alles, was erlaubt ist, ist auch in Ordnung. In meiner Arbeit als Notarzt habe ich insbesondere nachts und an den Wochenenden viele vermeidbare Probleme erlebt, die mit Drogenkonsum zu tun hatten. Ich halte es deshalb für das völlig falsche Signal, neben Alkohol eine weitere weiche Droge zuzulassen, statt konsequent gegen missbräuchlichen Konsum vorzugehen.

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Haben Sie selbst als Jugendlicher mal gekifft?

Braun: Nein.

Welcher Gesundheitsminister aus der SPD wäre Ihr Wunschkandidat?

Braun: Ich will der SPD da keine Vorschläge machen. Hauptsache, sie entscheidet sich schnell! Ich habe in dieser Corona-Krise so sehr dafür gekämpft, dass wir gut durchkommen – und jetzt sind leider viele Erfolge infrage gestellt. Die geschäftsführende Bundesregierung funktioniert nicht, weil die SPD faktisch die Regierung schon in Richtung Ampel verlassen hat.

Wir brauchen beim Thema Pandemie jetzt dringend einen Ansprechpartner vonseiten der SPD, der auch der nächste Gesundheitsminister sein sollte. Er sollte jetzt seine Arbeit aufnehmen, damit wir den Übergang gut hinbekommen.

Was halten Sie von Karl Lauterbach?

Braun: Mit Karl Lauterbach habe ich in den letzten zwei Jahren sehr gut und vertrauensvoll zusammengearbeitet. Er hat in einer Art und Weise die ganzen medizinischen Studien gelesen und zusammengetragen, dass er damit auch für mich eine echte Unterstützung war.

In jüngerer Zeit hatte ich den Eindruck, dass es ihm angesichts der Politik seiner Parteiführung schwerer fiel, seinen eigenen Positionen treu zu bleiben. Insofern hat er es jetzt natürlich nicht leicht.