Aachen. Bei einem Gedenkgottesdienst wurde an die Opfer der Flut erinnert. Bundespräsident Steinmeier fordert Lehren für mehr Klimaschutz.

Plötzlich sind sie wieder ganz nah, jene grauenvollen Stunden voller Todesangst und Verzweiflung während der Hochwasserkatastrophe Mitte Juli, die mehr als 180 Menschen das Leben gekostet hat. Die Wassermassen zerstörten in kürzester Zeit ganze Landstriche, rissen hilflose Bewohner mit sich, vernichteten Existenzen und hinterließen verwundete, tief traumatisierte Menschen.

Während des zentralen ökumenischen Gedenkgottesdiensts am Samstag im Aachener Dom schildert Renate Steffes aus dem besonders betroffenen Bad Neuenahr-Ahrweiler, wie grundlegend diese Tage ihr gesamtes Leben verändert haben und wie tief der Schmerz ist, mit dem sie und viele andere Menschen in den Katastrophenregionen kämpfen. „Es gibt kaum Worte, um diese Situation zu beschreiben“, sagt Steffes. Sie habe überlebt, aber ihr altes Leben sei nicht mehr da, „alles weg“.

Flutopfer: Vielerorts gibt es noch keinen Strom

Zu Trauer und Schmerz komme jetzt bei vielen Menschen „die Angst vor dem Vergessenwerden“. Dabei sei sieben Wochen nach der Flut noch lange nichts gut. Es gebe noch immer Berge von Müll und Gestank, vielerorts keinen Strom.

Steffes gibt den Betroffenen der Katastrophe an diesem Vormittag eine Stimme. Nur wenige Meter entfernt hat sich die gesamte Staatsspitze zum gemeinsamen Gedenken zusammengefunden. In der ersten Reihe sitzen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, dahinter die Ministerpräsidenten der beiden getroffenen Bundesländer Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen, Malu Dreyer und Armin Laschet.

Steinmeier: „Ihren Schmerz - wir können ihn nicht ermessen“

Steinmeier richtet sich in seiner Ansprache im Anschluss an den Gottesdienst direkt an die Betroffenen der Flut: „Ihren Schmerz - wir können ihn nicht ermessen.“ Nichts sei mehr wie zuvor „im Leben derer, die um ihre Liebsten trauern“. Zugleich versucht das Staatsoberhaupt, den neuen Ängsten zu begegnen: „Als Bundespräsident möchte ich Ihnen versichern: Sie sind nicht allein! Wir hören Sie! Wir vergessen Sie nicht!“

Ausdrücklich schließt das deutsche Staatsoberhaupt in seinem Gedenken auch die jüngsten Hochwasseropfer in Belgien und den Niederlanden mit ein. „Als Europäer trauern wir gemeinsam und stehen zusammen in der Stunde der Not.“

Flutopfer: Hilfen bis zu 30 Milliarden Euro

Steinmeier appelliert an die politisch Verantwortlichen, die zugesagten Hilfsgelder müssten nun „so schnell und so zielgenau wie möglich zu den Menschen kommen“. Nicht alles werde mit Geld zu heilen sein, „aber diese Hoffnung der Betroffenen auf Unterstützung darf nicht enttäuscht werden“. Bund und Länder haben mittlerweile einen Aufbaufonds auf den Weg gebracht, der Hilfen von bis zu 30 Milliarden Euro zur Verfügung stellen soll.

Zugleich zieht der Bundespräsident eine Verbindung zwischen Flut und Klimakrise. „Wir müssen den Klimawandel mit aller Entschlossenheit bekämpfen“, sagt Steinmeier. Auch Deutschland müssen sich „darauf einstellen, dass wir in Zukunft häufiger und heftiger von extremen Wetterlagen getroffen werden“. Die Politik müsse Lehren aus der Katastrophe ziehen. Das, was den Opfern der Flut geschehen sei, „betrifft uns alle“, mahnt Steinmeier.

Hochwasserkatastrophe: Folgen des Klimwandels

Eine Lehre sei aber auch die große Hilfsbereitschaft - von Organisationen und von vielen Freiwilligen. Er wünsche sich, dass „nach diesen Katastrophen nicht nur Leid und Not und Verlust in Erinnerung bleiben, sondern auch diese Mitmenschlichkeit“, sagt Steinmeier. Auch für den Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, zeigt sich trotz Zerstörung und Leid in der „übergroßen Hilfsbereitschaft“ der Menschen ein Hoffnungsschimmer.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, äußert die Hoffnung, dass das Schicksal der Menschen in den Flutregionen das Land verändert. Er betont: „Die Folgen des menschengemachten Klimawandels sind bei uns angekommen. Das haben wir verstanden.“