Berlin/Karlsruhe. Sind die Sanktionen bei Hartz IV gerecht? Das Bundesverfassungsgericht könnte für eine Reform der Grundsicherung sorgen.

Hartz-IV-Empfängern, die ihre Pflichten vernachlässigen, wird auf Monate Geld gestrichen Aber darf der Staat überhaupt Menschen in Existenznot bringen, um Druck auszuüben?

An diesem Dienstag nimmt das Bundesverfassungsgericht die Leistungskürzungen unter die Lupe, die im schlimmsten Fall so weit gehen können, dass jemand ohne Unterstützung dasteht. Zur Verhandlung in Karlsruhe wird Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erwartet. (Az. 1 BvL 7/16)

Hartz-IV-Kürzungen rechtens?

Die Überprüfung angestoßen hat das Sozialgericht im thüringischen Gotha. Die Richter dort halten die Sanktionen für verfassungswidrig.

Sie sehen unter anderem das vom Grundgesetz garantierte menschenwürdige Existenzminimum verletzt: Betroffenen drohten Schulden, Obdachlosigkeit, Krankheit und Hunger. Weil sich die Richter nicht eigenmächtig über Gesetze hinwegsetzen dürfen, haben sie ein Verfahren ausgesetzt, um die Vorschriften in Karlsruhe vorzulegen. Weiteres Urteil des Bundesverfasssungsgericht zu Hartz IV erwartet.

Darum geht es bei der Hartz-IV-Debatte wirklich

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    Der Arbeitslose, der in Gotha geklagt hat, hatte vom Jobcenter Erfurt eine Stelle als Lagerarbeiter angeboten bekommen. Er lehnte ab, weil er lieber im Verkauf arbeiten wollte. Einen Gutschein über eine Art Probepraktikum in diesem Bereich ließ er später verfallen.

    Hintergrund: Hartz IV: So hart geht der Staat gegen Arbeitslose vor
    Das Jobcenter kürzte ihm deshalb 2014 die monatliche Grundsicherung – erst um 30 Prozent (also um 117,30 Euro), später um 60 Prozent (um 234,60 Euro).

    2017 verhängten die Jobcenter fast eine Million Sanktionen

    Hartz-IV-Empfänger sind gesetzlich verpflichtet, sich aktiv um ein Ende ihrer Hilfebedürftigkeit zu bemühen. Kommen sie dem ohne wichtigen Grund nicht nach, drohen Leistungskürzungen in mehreren Stufen.

    Auch die Übernahme der Kosten für die Unterkunft kann gestrichen werden. Im äußersten Fall fallen sämtliche Leistungen weg. Junge Menschen unter 25 Jahren werden besonders scharf sanktioniert.

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    2017 verhängten die Jobcenter fast eine Million Sanktionen. Davon kann allerdings mehrfach dieselbe Person betroffen sein. In gut drei Viertel der Fälle hatten die Betroffenen einen Termin beim Jobcenter versäumt. Dafür werden die Leistungen um zehn Prozent gekürzt.

    In der bereits veröffentlichten Verhandlungsgliederung werfen die Richter eine Vielzahl von Fragen auf. Beispielsweise wollen sie wissen, ob die Kinder von Hartz-IV-Empfängern vor den Auswirkungen der Leistungskürzungen ausreichend geschützt sind.

    Debatte um Zukunft von Hartz IV

    Nachfragen provoziert auch, dass das Geld gleich für drei Monate gestrichen wird – auch wenn der Betroffene inzwischen Besserung gelobt hat.

    14 Jahre nach der Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zu Hartz IV wird auch in der Politik über eine Reform diskutiert. SPD-Partei- und Fraktionschefin

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    In der großen Koalition mit der Union dürfte das aber nicht leicht umzusetzen sein.

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    Beanstandet das Verfassungsgericht das Sanktionssystem, würde das eine Reform erzwingen. Nach der Verhandlung berät der Senat im Geheimen. Das Urteil wird meist einige Monate später verkündet. (dpa)

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