Berlin. Auf den Feldern und in den Ställen ist die Klimakrise deutlich zu spüren. Was Landwirte jetzt tun und wie Kühe auf die Hitze reagieren.

Bauernregeln, die das Wetter für eine gewisse Zeit vorhersagen, sind das Ergebnis von Jahrhunderten, in denen das Klima stabil war. Aus den Beobachtungen der Vergangenheit ließ sich die Zukunft einigermaßen verlässlich ableiten. Nur: Die Regeln werden immer weniger anwendbar. Der Klimawandel verändert die Witterung im Jahresverlauf. Und damit auch die Arbeitsgrundlage der Landwirtinnen und Landwirte in Deutschland.

Im Sommer 2018 schlug der Deutsche Bauernverband Alarm: Monatelang hatte es in großen Teilen Deutschlands kaum geregnet. Getreide, Raps, Mais und anderen Feldfrüchten fehlte das Wasser zum Wachsen, die Ernten waren miserabel. Von Ernteausfällen bis zu 70 Prozent auf einigen Höfen war die Rede, von Schäden in Höhe von zwei Milliarden Euro. Am Ende griff der Bund Betrieben, deren Existenz auf der Kippe stand, mit 292 Millionen Euro unter die Arme.

Landwirte besorgt über Trockenheit: Temperaturen um mehr als ein Grad gestiegen

Es war ein herausragend schlechtes Jahr. Und gleichzeitig ein bedrohlicher Ausblick darauf, worauf sich die Landwirte in Deutschland mit dem Klimawandel einstellen müssen. Auf den Feldern ist längst zu spüren, dass die Erde schon mehr als ein Grad wärmer ist als vor der Industrialisierung.

"Im Prinzip sind heute alle Landwirte davon betroffen", sagt Udo Hemmerling, Vize-Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands, über die Folgen des Klimawandels. Wie drastisch sich längere Trockenphasen auswirken, sei dabei von Region zu Region unterschiedlich. Auf sandigem Boden wie in Brandenburg komme es schon nach fünf Wochen zu Trockenschäden. Bei lehmigem Boden könnten auch mal zwei Monate ohne Regen verkraftet werden. Mehr sei allerdings überall problematisch. "Und wenn dann auch in den tieferen Bodenschichten kein Wasser mehr da ist, haben wir ein strukturelles Problem."

Gefahr durch Spätfrost: Erderwärmung produziert paradoxes Problem

Gut zu sehen ist dieses Problem auf dem Dürre-Monitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung. Die Deutschlandkarten des Zentrums, die anzeigen, wie viel Wasser Pflanzen in den verschiedenen Schichten des Bodens derzeit zur Verfügung steht, leuchten allesamt in alarmierenden Rottönen: Schwere bis außergewöhnliche Dürre in fast allen Teilen des Landes, und das bis 1,80 Meter Tiefe.

Die Dürre ist nicht die einzige Herausforderung, vor die der Klimawandel die Branche stellt. Die Vegetationsperiode, also jener Zeitraum des Jahres, in dem Pflanzen wachsen, blühen und Früchte tragen, sei innerhalb einer Generation 20 Tage länger geworden, sagt Hemmerling. Das sei zwar zunächst eine gute Nachricht, bringe aber auch Gefahren mit sich. Bei Obstbäumen zum Beispiel steige das Risiko von Spätfrösten. "Die Bäume blühen früher, und wenn dann ein Spätfrost kommt, werden Blüten zerstört und es können keine Früchte wachsen."

Tiere leiden unter der Hitze Kühe produzieren deutlich weniger Milch

Auch für Tiere bedeuten sehr hohe Temperaturen, wie sie in den kommenden Jahren immer häufiger werden, Stress. Kühe etwa fressen bei Hitze weniger und produzieren in der Folge auch weniger Milch. Um 25 bis 40 Prozent kann die Milchmenge laut einer Studie aus den USA sinken.

Doch es gibt Möglichkeiten für den Anbau, sich anzupassen an ein Land, das anders bestellt werden muss als früher. Helfen können zum Beispiel schonendere Arten der Bodenbearbeitung, mit denen weniger Feuchtigkeit verloren geht, und Mischkulturen, bei denen mehr als eine Art gleichzeitig auf einem Feld angebaut wird. Längst wird auch geforscht an Weizenarten, die Hitze und Trockenheit besser vertragen.

Deutsche Bauern reagieren mit wärmeresistenten Pflanzen und fordern Kurswechsel der Politik

Und einige Landwirte passen sich an, in dem sie andere Kulturen anbauen als früher. "Sojabohnen, Kichererbsen, Kidneybohnen sehen wir öfter in Süddeutschland", sagt Hemmerling. "In Ostdeutschland sehen wir mehr Sonnenblumen." Das Spektrum der Kulturpflanzen, die in Deutschland angebaut werden, verschiebt sich.

Hilfe von der Politik bräuchten die Landwirte bei der Anpassung eigentlich nicht – außer in Form von Zuschüssen zu Versicherungen, sagt er. "Wir müssen weg von Krisenhilfen, hin zu einem System von Ernteversicherungen."

Opfer und Verursacher des Klimawandels: Landwirtschaft steht vor großem Umbau

Die gute Nachricht: Wo die Landwirtschaft sich an Klimafolgen anpasst, hat das häufig noch weitere positive Effekte, sagt Michael Berger, Landwirtschaftsexperte der Umweltorganisation WWF. "Einen Großteil der Maßnahmen, die man zum Schutz der Biodiversität umsetzt, hilft gleichzeitig auch bei der Anpassung an Klimafolgen, und umgekehrt", sagt er. Hecken am Rand von Feldern zum Beispiel würden nicht nur die Artenvielfalt stärken, sondern auch trockene Böden vor Winderosion schützen und Schatten spenden. Mehrjährige Blühflächen seien nicht nur gut für Insekten, sondern würden auch Kohlenstoff binden, wenn sie tiefe Wurzeln schlagen.

Denn der Agrarsektor ist nicht nur betroffen von der Erderhitzung. Er trägt auch erheblich dazu bei, in Deutschland mit etwa sieben Prozent der jährlichen Gesamtemissionen. Zu viel, sagt Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir. "Wir müssen klimafreundlicher wirtschaften, um unsere Lebensgrundlagen zu erhalten", sagte der Grünen-Politiker dieser Redaktion. "Damit das gelingt, müssen wir den Ausstoß von Treibhausgasemissionen reduzieren." Sein Haus unterstütze deshalb Landwirtinnen und Landwirte finanziell beim Umbau der Ställe. Das sei eine Investition in den Klima-, Tier- und Verbraucherschutz zugleich.

Umweltschützer fordern weniger Tierhaltung Bauern halten dagegen

Das reicht nicht, sagen Umweltorganisationen wie der WWF. Weil der Großteil der Emissionen aus der Landwirtschaft aus der Tierhaltung stammt, führe langfristig kein Weg daran vorbei, die Tierbestände zu reduzieren.

Bauernvertreter Hemmerling weist diesen Ansatz zurück: "Der These, wir müssten aus Ressourcenschutzgründen die Tierhaltung gerade in Deutschland runterfahren, widersprechen wir", sagt er. Am Ende würden die Bauern produzieren, was Verbraucherinnen und Verbraucher essen wöllten. Würden die ihre Gewohnheiten ändern, würden auch weniger tierische Produkte produziert.

Versorgung in Deutschland gesichert anderen Ländern geht es deutlich schlechter

Für die Kundinnen und Kunden in Supermärkten in Deutschland werden die Klimafolgen in der Landwirtschaft vorerst wenig ändern. Da sind sich Naturschützer und Landwirte einig. "Wir laufen nicht Gefahr, Versorgungsprobleme zu bekommen", sagt WWF-Experte Berger. Deutschland leiste sich immer noch "den Luxus", 60 Prozent des Getreides in Deutschland zu verfüttern und Lebensmittel zu verschwenden.

Die Verbraucher in den westlichen Industrieländern hätten in den letzten 70 Jahren kaum etwas von Dürren oder anderen Ernteausfällen bemerkt, weil diese Knappheiten über den internationalen Handel ausgeglichen wurden, sagt Bauern-Vertreter Hemmerling. Auf anderen Kontinenten allerdings könnten Missernten Versorgungskrisen auslösen, die die Stabilität von Staaten gefährden. "Die Frage der Ernährungssicherung ist zurück auf der politischen Agenda."

Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.