Washington. Ein US-Coach hielt religiös grundierte Reden vor Schülern und wurde entlassen, denn: Das ist untersagt. Der Supreme Court griff ein.

Die Liste umstrittener Urteile des konservativ dominierten Obersten Gerichtshofs der USA wird immer länger. Nach äußerst kontroversen Entscheidungen zum Recht auf Waffentragen in der Öffentlichkeit und der Abschaffung des bis dato landesweit geltenden Rechts auf Abtreibung setzte eine 6:3-Mehrheit am „Supreme Court” am Montag ein unübersehbares Zeichen gegen die in der Verfassung festgelegte Trennung von Staat und Kirche.

Das Gericht stellte sich hinter einen ehemaligen Football-Trainer einer Highschool in Bremerton im US-Bundesstaat Washington an der Westküste. Joseph Kennedy hatte dort laut Schulbehörde bis zu seiner Entlassung nach Heimspielen seiner Mannschaft auf der Höhe der 50-Yard-Linie regelmäßig zusammen mit Schülern gebetet und später auch religiös grundierte Reden in der Umkleidekabine gehalten.

USA: Religiöser Coach missachtet US-Verfassung

Die Schulbehörde untersagte, später bestätigt durch untere und mittlere Gerichtsinstanzen, Kennedy das öffentliche Glaubensbekenntnis. Laut US-Verfassung darf der Staat in öffentlichen Einrichtungen wie Schulen keine Religion bevorzugen. Die Schule bot dem Trainer an, der inzwischen in Florida lebt, seine Gläubigkeit allein oder mit gleichgesinnten Spielern in einem privaten Raum auf dem Schulgelände zu praktizieren. So könne vermieden werden, dass Jugendliche nicht den etwaigen Gruppendruck spürten, mitbeten zu müssen, obwohl sie nicht religiös sind.

Kennedy weigerte sich selbst dann, als der Coach eines gegnerischen Teams den Verstoß gegen die Trennung von Religion und Staat monierte. Weil der christlich-fundamentalen Glaubensrichtungen zugeordnete Trainer seine Gebetspraxis nicht einstellte, wurde er 2015 gefeuert.

Kennedy ging vor Gericht, ließ sich von eine einflussreichen Lobby-Gruppe helfen und wurde spätestens da in Kreisen der religiösen Rechten in Amerika zum „Helden”, als Ex-Präsident Donald Trump in seinem ersten Wahlkampf den Rauswurf Kennedys als „traurig” und „empörend” bezeichnet hatte. Diverse Profis der Football-Liga NFL stellten sich ebenfalls hinter den Coach, dessen Geschichte auf dem Titelbaltt des Magazins „Sports Illustrated" endete und regelmäßig landesweit in den TV-Nachrichten auftauchte.

USA: Supreme Court plädiert auf freie Meinungsäußerung

2019 meldete der Supreme Court noch Informationsbedarf an, bevor man sich des Falles annehmen würde. Aber schon damals ließen die erzkonservativen Richter Samuel Alito, Neil Gorsuch, Brett Kavanaugh und Clarence Thomas deutliche Sympathien für Kennedy erkennen. Nach der Bestellung von Amy Coney Barrett an das höchste Gericht, so analysierten Gerichtsbeobachter, war im Neuner-Gremium eine konservative Mehrheit in Sicht, um im Sinne des Klägers dafür zu sorgen, dass das Recht auf Religionsausübung nicht am Eingangstor von öffentlichen Schulen oder Universitäten endet.

Unter der Führerschaft von Richter Neil Gorsuch, der das Urteil formulierte, verwarf der Supreme Court das Hauptargument der Gegenseite. Danach könnten sich Schüler durch Kennedys Glaubensdemonstration auf dem Spielfeld gedrängt fühlen, sich an einem öffentlichen Gebet zu beteiligen. Gorsuch und fünf andere Richter stellten sich auf den Standpunkt, dass Kennedys Aktionen durch das Recht auf freie Meinungsäußerung und Religionsausübung gedeckt waren.

Liberal-atheistische Gruppen monierten, das der unter Donald Trump durch drei Neubesetzungen ideologisch stark nach rechts-konservativ abgedriftete Supreme Court mit seiner Entscheidung in einem historischen Moment eine fundamentale Kehrtwende vollzogen habe: Vor 60 Jahren untersagte ein (ideologisch anders besetzter) Gerichtshof amerikaweit das Schulgebet.

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