Berlin. Die deutsche Psychotherapeutenkammer fordert eine Legalisierung von Cannabis – und gleichzeitig größere Hürden für den Alkoholverkauf.

Die Psychotherapeutinnen und -therapeuten in Deutschland wollen eine Neuausrichtung der Drogen- und Suchtpolitik. Der beste Schutz vor Drogenmissbrauch und Abhängigkeiten sei ein aufgeklärter und eigenverantwortlicher Gebrauch von Drogen, erklärte die Bundespsychotherapeutenkammer in einer neuen Stellungnahme am Donnerstag.

"Alkohol ist deutlich gefährlicher als Cannabis", heißt es in der Erklärung. Aus diesem Grund fordert die Kammer unter anderem die Legalisierung von Cannabis sowie gleichzeitig eine Verteuerung von Alkohol und ein Mindestalter von 18 Jahren für den Kauf legaler Drogen. Die Abgabe an Minderjährige müsse stärker als bislang sanktioniert werden.

Psychotherapeuten fordern neue Hürden für Alkohol

Die Drogenpolitik könne den Gebrauch von Drogen nicht verhindern, sagte Kammerpräsident Dietrich Munz. "Deshalb sollten Erwachsene wie Jugendliche auch lernen, Drogen so zu nutzen, dass sie ihre Gesundheit nicht gefährden und das Risiko für Missbrauch und Abhängigkeit gering bleibt", so der Stuttgarter Psychotherapeut.

Gleichzeitig sollte es nach Ansicht der Psychotherapeutinnen und -therapeuten für die Millionen Menschen, die regelmäßig Bier, Schnaps und Wein trinken, neue Hürden geben. Der Preis solle laut der Kammer durch eine höhere Alkoholsteuer sowie einen Mindestpreis für alkoholische Getränke steigen.

Alkohol zu leicht verfügbar

Bei der Beschränkung aller legalen Drogen auf Lizenz-Shops schwebt der Kammer eine "Abgabe durch Fachpersonal" vor, ausgebildet in Suchtprävention. Die Therapeuten beklagen, dass legale Drogen etwa in Supermärkten, Tankstellen, über Automaten oder Internet fast überall rund um die Uhr verfügbar seien. Künftig solle das Fachpersonal über die Wirkungen informieren und das Alter prüfen.

Fast jede und jeder Fünfte in Deutschland trinke riskant viel Alkohol, so die Kammer. Der Konsum könnte tödlich sein – jedes Jahr würden 14.000 Menschen an Alkoholerkrankungen und Leberschäden sterben. Cannabis gelte dagegen als moderat schädliche Droge.

Cannabis und Alkohol: Prävention statt Kriminalisierung

Die Stellungnahme kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die Koalition eine kontrollierte Cannabis-Freigabe vorbereitet. Im Mai hatte der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert (SPD) den Start eines gründlichen Konsultationsprozess hierfür angekündigt.

Die Kammer fordert für alle legalen Drogen das Verbot von Werbung. Generell sollte die Drogenpolitik nach Ansicht der Psychotherapeuten auf Regulierung und Prävention setzen – und nicht auf Verbote und Kriminalisierung. Außerdem müssten den Menschen viel mehr professionelle Angebote verfügbar gemacht werden, so die Kammer. Dazu gehören etwa Früherkennung, Behandlung und Rehabilitation von Suchterkrankungen.

"Das Ziel bleibt das gleiche wie das der bisherigen Drogenpolitik: Drogenmissbrauch und -abhängigkeit vermeiden", so die Therapeuten. Cannabis sei nicht harmlos und berge insbesondere das Risiko von Psychosen. Doch der Gebrauch von Cannabis nehme trotz Verbot seit Jahrzehnten zu. Die bisherige Politik mit dem Ziel der Einschränkung von Cannabis-Gebrauch sei gescheitert. Der Gehalt des psychoaktiven Wirkstoffs THC solle aber auf höchstens 15 Prozent beschränkt werden, schlagen die Psychotherapeuten vor.

Der Deutsche Hanfverband stimmt den Therapeuten zu – äußert aber auch Kritik

Auch der Deutsche Hanfverband (DHV) begrüßt die Forderung der Kammer, Cannabis zu legalisieren. „Schließlich sind es gerade mögliche psychische Probleme durch Cannabiskonsum, die manche Gegner der Legalisierung anführen“, sagte DHV-Geschäftsführer Georg Wurth unserer Redaktion. Ein Marihuana-Verbot hingegen schaffe nur weitere Probleme.

Auch dass die Psychotherapeuten in ihrer Stellungnahme vom Mittwoch den Vergleich zum „weitaus gefährlicheren Alkohol“ ziehen, befürwortet der Interessenverband. „Es ergibt überhaupt keinen Sinn, Cannabis härter zu regulieren als Alkohol“, betonte Wurth. Geht es nach dem DHV soll neben Cannabis auch Alkohol ausschließlich in Fachgeschäften verkauft und Werbung beider Substanzen auf „wenige Ausnahmen“ beschränkt werden.

An andere Stelle kritisiert der DHV die Stellungnahme der Therapeuten. „Wir halten es nicht für sinnvoll, essbare Cannabisprodukte und solche mit einem THC-Gehalt über 15 Prozent zu verbieten“, erklärte Wurth. Mit der richtigen Dosierung seien essbaren Produkte unbedenklich. Er befürchtet: „Die THC-Obergrenze würde stärkere Sorten dem Schwarzmarkt überlassen.“ (csr/lgr)

Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.