Berlin. Der Fachkräftemangel spitzt sich in Deutschland dramatisch zu. Bei „Markus Lanz“ mahnte eine Expertin zu unkonventionellen Lösungen.

30.000 Kellner und Kellnerinnen haben in den letzten zwei Jahren in Deutschland der Gastronomie den Rücken gekehrt. Nach den Corona-Lockdowns wollen sie nicht mehr in ihren alten Job zurück. Weshalb in einem Restaurant an der Ostsee nun ein Roboter das Bier serviert.

„Markus Lanz“ – Das waren die Gäste:

  • Richard David Precht, Philosoph
  • Kenza Ait Si Abbou, Ingenieurin
  • Monika Schnitzer, Ökonomin

Wie viele Kollegen dieser neue Typ Kellner inzwischen gefunden hat, wurde nicht thematisiert. Vielleicht waren die Bilder, die damals alle Nachrichten bespaßt hatten, nur ein PR-Gag. Allein die Vorstellung aber, sich bald nicht mehr mit einem menschlichen Kellner unterhalten zu können, gruselte Moderator Markus Lanz.

Für Kenza Ait Si Abbou dagegen war die Vorstellung gar nicht so abwegig: „Wenn es hilft, dass das Essen kommt, ist es egal, wer es tut“, entgegnete sie. Ein Kellner-Roboter sei ihr immer noch lieber, als dass sie die Bestellung am Automaten selbst ziehen müsste – wie in Japan schon jetzt oft.

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"Lanz": Sind Kuschelroboter die Zukunft?

Es hängt wohl immer auch von der eigenen Blase ab, was an Zukunftsvisionen als zumutbar gilt. Im Gegensatz zu Markus Lanz sind für die KI- und Robotik-Expertin Abbou noch ganz andere Einsatzmöglichkeiten für hilfreiche Maschinenmenschen akzeptabel: „Kuschelrobben“ für Altenheimbewohner, die noch nicht einmal Haustiere haben dürften, die sie streicheln können. Oder „Chatbots“, die einsamen Menschen inzwischen als „mitfühlende Gesprächspartner“ dienen. Deren Nutzung hat sich während der Pandemie angeblich fast verdoppelt.

Behinderte steuern Roboter-Kellner
Behinderte steuern Roboter-Kellner

KI kann inzwischen auch Empathie, berichtete die Ingenieurin aus ihrem Arbeitsalltag. Die Automatisierung werde kommen, auch in Bereichen, die kognitive Fähigkeiten verlangten, sagte sie voraus. „Da müssen wir schauen, wo wir Menschen noch besser werden können“, wünschte sie sich im Hinblick auf möglicherweise Hunderttausende gefährdete Arbeitsplätze.

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"Lanz": Wie werden wir in zwanzig Jahren arbeiten?

Wie werden wir in zehn, zwanzig Jahren arbeiten? Tatsächlich weniger, wie es sich viele Arbeitnehmer wünschen? Oder doch länger, weil sonst die Rente nicht reicht? Passend zu dem neuen 500-Seiten-Buch, das sein Podcast-Partner Richard David Precht gerade veröffentlicht hatte, diskutierte Markus Lanz in kleiner Runde am Donnerstag die „Zukunft der Arbeit“ in vielen Facetten. Die beschauliche Diskussion streifte dabei auch das Reizthema „Bedingungsloses Grundeinkommen für alle“ – und wie es zu finanzieren wäre.

Anschaulich gab Richard David Precht aber erst einmal einen Einblick in knapp 3000 Jahre Geschichte, die er zum Begriff „Arbeit“ in den letzten Monaten durchgeackert hatte: In der Antike noch mussten nur „Frauen, Ausländer und Sklaven“ mühselig verrichten, was unter „laborare“ zu verstehen war. Seit dem Mittelalter dann setzte sich die Idee durch, dass Gott gegeben war, wo der Einzelne seine „Beruf-ung“ innerhalb der Gesellschaft fand – als Kleriker, Bauer, oder Knecht.

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"Markus Lanz": Arbeit macht nicht mehr den Sinn des Lebens aus

„Heute dagegen steigt in allen Gesellschaftsschichten der Anspruch, dass Arbeit glücklich machen und sinnstiftend sein soll“, erläuterte der Philosoph die größte Veränderung gegenüber der Eltern-Generation. Ein Luxusproblem, das sich in den westlichen Gesellschaften rasant ausbreite: Nicht Arbeit allein mache den Sinn des Lebens aus, mindestens gleichberechtigt seien Familie, Freundschaften, eigene Fitness und mehr.

Die Menschen wollten deshalb weniger arbeiten. Das führe aber – zusammen mit der demografischen Entwicklung – zu einem „Ende des Rentensystems, wie wir es kennen“, gab Precht zu bedenken. „Es ist keine gute Idee, dass Arbeit so hoch besteuert wird.“

Richard David Precht nennt Betrag für bedingungsloses Grundeinkommen

Als echte „Alternative zum Arbeitszwang“ sieht Precht deshalb das bedingungslose Grundeinkommen. Es solle pro Kopf etwa 1400 Euro betragen. Die benötigten 900 Milliarden Euro – immerhin etwa das Zweieinhalbfache des aktuellen Bundeshaushalts – sollten über eine Mikro-Steuer auf alle Geldtransaktionen rückfinanziert finanziert werden, jeweils mit 0,2 oder 0,3 Prozent des Betrages, führte Precht aus.

Monika Schnitzer, Top-Ökonomin und „Wirtschaftsweise“, mochte ihm nicht folgen. „Arbeit bedeutet nicht nur Bezahlung, sondern auch soziale Kontakte, Struktur, das Gefühl, gebraucht zu werden“, begründete sie und befürchtete, dass bei einer bedingungslosen Auszahlung Menschen glauben könnten, sie seien nichts mehr wert.

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"Lanz": Wirtschaftsweise erwartet dramatischen Arbeiter-Mangel

Ohnehin sprach sie lieber von einem Arbeiter-Mangel als von einem drohendem Arbeitsmangel: Bis 2030 würden fünf Millionen Arbeitnehmer aus dem aktiven Arbeitsleben ausscheiden. Die müssten ersetzt werden, erläuterte sie. Deshalb glaubt sie, dass die Menschen in Zukunft nicht weniger, sondern länger arbeiten müssten, wie es ihre Bekannten schon täten. Allerdings gefiel Markus Lanz ihr Vorschlag, dass demnächst womöglich 68-Jährige 75-Jährige pflegen müssten, noch weniger: „Ganz ehrlich, das ist nicht die Welt, die ich mir vorstelle.“

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Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.