Waldeck bei Kassel. Dominic Schiffer hat ein bedingungsloses Grundeinkommen gewonnen: Er bekommt drei Jahre lang 1200 Euro im Monat. Wie verändert ihn das?

  • Das bedingsunglose Grundeinkommen wird immer wieder diskutiert - auch in Deutschland
  • Doch wie verändern sich Menschen, die bedingungslos eine bestimmte Summe vom Staat erhalten?
  • Der Teilnehmer eines Pilotprojekts berichtet von seinen Erfahrungen

Dominic Schiffer spürte, das ist seine Chance. Im Radio hatte er vom Pilotprojekt bedingungsloses Grundeinkommen gehört. Drei Jahre lang 1200 Euro im Monat bekommen, einfach so? Das wäre was, wie zwei Millionen andere Bewerber hatte ihn die Hoffnung gepackt. Ja, aber auf was eigentlich? Was macht ein 25-Jähriger wie er mit so viel Geld zusätzlich? Und wird es ihn verändern?

Die Corona-Pandemie war im Herbst 2020 in vollem Gange und er als Rettungssanitäter mitten drin. Zusätzlich arbeitete er noch im Impf- und Testzentrum. Dominic Schiffer hat zu diesem Zeitpunkt etwa 12.000 Euro Schulden und noch viele Träume. Also, warum nicht? Er bewirbt sich bei der Studie – ein halbes Jahr später kommt er in die zweite Runde. Und dann erhält er im Frühjahr 2021 die alles verändernde E-Mail: „Sie sind dabei!“ Lesen Sie hier: Grundeinkommen: Ökonomen zweifeln an Finanzierbarkeit

Wir werden Dominic Schiffer in den drei Jahren des Projekts immer wieder besuchen und beobachten, was das Geld mit ihm macht.

Bedingungslose Grundeinkommen in einen Umzug und neue Ausstattung investiert

Es ist ein sommerlicher Herbsttag, an dem wir uns zum ersten Mal treffen. Gerade ist er in eine 100-Quadratmeter-Wohnung im hessischen Waldeck gezogen. Dominic Schiffer ist ziemlich groß, das und sein freundliches Lächeln fallen sofort auf. Schiffer ist so ein Typ, der einem gleich entgegenkommt. „Wir können ja nachher noch auf das Schloss fahren“, schlägt er vor. Das sei eine der Attraktionen in dem hügeligen Ort, außerdem arbeitet dort seine Freundin. Seine neue Freundin. Lesen Sie hier: So bewerben Sie sich auf das Bedingungslose Grundeinkommen

Schiffer hat zu diesem Zeitpunkt schon fünf Mal die 1200 Euro zusätzlich auf seinem Konto gesehen. Und das Geld hat sofort sein Leben verändert. Hintergrund: Bedingungsloses Grundeinkommen: Feldversuch startet

Seine Freundin Lina hat er erst im Februar bei der Kuppelshow „First Dates“ des TV-Senders Vox kennengelernt. Auch so eine Sache, bei der er einfach so mitgemacht hat, um zu gucken, was passiert. Jetzt öffnet sie schon die Tür zu ihrer gemeinsamen Wohnung, sie ist bei ihm eingezogen, samt ihrem Sofa. Der Schrank im Schlafzimmer dagegen ist neu, der Mac-Computer im Arbeitszimmer von Dominic Schiffer ebenfalls. Die beiden setzen sich auf ihre graue Couch, es läuft eine Spotify-Playlist im Hintergrund, Thema „Kaffeemusik“.

Dominic Schiffer und seine Freundin Lina Egenolf auf ihrem Sofa im Wohnzimmer. Die beiden wollen reisen.
Dominic Schiffer und seine Freundin Lina Egenolf auf ihrem Sofa im Wohnzimmer. Die beiden wollen reisen. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Grundeinkommen beendete die Fernbeziehung

„Zuerst dachte ich, die E-Mail ist vielleicht fake und es hat sich jemand mit mir einen Spaß erlaubt“, sagt der 25-Jährige. Als er dann wusste, dass er wirklich gewonnen hatte, fühlte sich das an, „wie ein Sechser im Lotto“. „Die Tage danach waren sehr emotional, ich habe mich ständig gefragt, wie ich mit dem Geld umgehen soll.“ Er sei überfordert gewesen, doch schnell hätte sich sein Leben auch den neuen Möglichkeiten gefügt. Ein echter Alltag mit Lina zum Beispiel. Keine Fernbeziehung.

Die beiden erzählen von ihrer gemeinsamen Geschichte. Die 20-Jährige hat eine Ausbildung zur Hotel– und Tourismus Management abschlossen, sie hatte zwar schon eine Stelle in einem Hotel an der Ostsee sicher, aber nachdem sie Dominic im Fernsehen kennengelernt hatte, suchte sie sich einen Job in seiner Nähe.

„Dank des Grundeinkommens konnte ich uns zusammen eine Wohnung suchen – und sogar die Miete zwei Monate lang doppelt zahlen“, sagt Dominic. Er ist ein netter Typ, sagt Sätze wie: „Ich mag an ihr, dass sie so ruhig ist und auch schon so erwachsen, obwohl sie erst 19 ist.“ Sie hätte ihm gleich gefallen beim ersten Date, beim zweiten Date hat er sie schon zuhause in Erfurt besucht, zum Abschied küsste sie ihn. Danach waren sie ein Paar.

Die Ausgaben sind mit dem Grundeinkommen gestiegen

Lina mag an ihm, dass er auch das Reisen liebt. Das hätten sie gemeinsam. Beim ersten Date stellten sie fest, dass sie beide mal eine Weltreise machen wollen. „In absehbarer Zeit geht es vielleicht mal auf die Malediven“, sagt Dominic.

Solche Ziele könne er nun haben, vor ein paar Monaten hätte er für jeden Urlaub noch monatelang sparen müssen oder wäre gleich auf „Balkonien“ geblieben. Jetzt gehe das, denn das zusätzliche Gehalt kommt immer wieder zum ersten des Monats.

„Was man erlebt, kann einem keiner wegnehmen“, sagt Dominic Schiffer wie eine Rechtfertigung für seine Reisepläne, das sei sein Lebensmotto. Er will sein Geld nicht unbedingt für Dinge ausgeben, sondern „für die kleinen Dinge“ und „für Erinnerungen“. Lesen Sie hier: IW-Studie: Mehr Arbeit und weniger Urlaub für Beschäftigte

Schiffer hat sich durch Autokäufe verschuldet

Doch seine finanzielle Realität fordert ihm einiges ab. Jeden Monat zahlt er 350 Euro für seinen Kredit ab. Seine Verschuldung begann vor zwei Jahren, damals hat er sich für einen fünfstelligen Betrag ein Auto geleistet, er hatte gespart und etwas aufgenommen. Doch weil ihn die laufenden Kosten „aufgefressen haben“, musste er das Auto wieder verkaufen. Auf der Differenz und ein paar anderen Posten blieb er dann hängen. 10.000 Euro sind jetzt noch offen. Er kaufte sich dann einen alten Audi A6.

Vor ein paar Wochen ist der Wagen kaputtgegangen, anschließend kaufte er sich einen Golf 7 für 7800 Euro. Dafür zahlt er jetzt jeden Monat 500 Euro ab. Hinzu kommen noch 600 Euro für Wohnungs- und Haushaltskosten sowie 30 Euro für den Internetanschluss.

Macht mit den 350 Euro für den Kredit etwa 1500 Euro an festen Ausgaben, dem stehen etwa 3000 Euro aus Grundeinkommen und Gehalt gegenüber. Bleiben 1500 Euro für die laufenden Autokosten und das Leben. Ein Leben, das schon voll auf die 1200 Euro mehr am Monatsanfang ausgelegt ist.

Neuer Lebensstandard zu hoch für den bisherigen Job

Aber was ist in drei Jahren, wenn die Grundeinkommen-Quelle versiegt? „Ich habe Respekt davor, was nach den drei Jahren passiert, da ich mein Lebensstandard neu sortieren muss“, gesteht er. „Ich habe mich jetzt schon ans Geld gewöhnt.“ Lesen Sie auch: Grundeinkommen: Europäischer Vorstoß steht vor dem Aus

Doch Dominic Schiffer sorgt vor, er macht nebenbei eine Ausbildung zum Finanzberater. In drei Jahren will er hauptberuflich andere Menschen finanziell beraten und nur noch im Nebenjob als Rettungssanitäter arbeiten. Zwar mache ihn das auch ein bisschen traurig, weil er seinen Job liebe. „Aber um gut zu leben, ist es zu wenig“, sagt er. Das Geld reiche nicht.

Der große Traum: Auswandern nach Spanien

Wenn er von seinem Job als Sanitäter spricht, gerät er regelrecht ins Schwärmen. Und hat für einen 25-Jährigen schon viel erlebt. Einmal hat er seinem Bruder das Leben gerettet. Der hatte seine Zunge verschluckt, Dominic Schiffer holte sie wieder raus.

Auch das Fahren mit den Kollegen sei großartig. „Sinnfragen muss ich mir nicht stellen. Wir sind da und tun, was wir können.“ Berührungsängste habe er nicht. „Es ist für mich die größte Ehre, einen Menschen in den Tod begleiten zu dürfen. Wenn ich die Hand halten und helfen darf. Für diese Momente bin ich unendlich dankbar.“ So sei ihm immer bewusst, dass auch sein Leben irgendwann vorbei ist. Trotzdem will er zugunsten eines höheren Einkommens, und weil dieses ihm ein anders ausgestattetes Leben ermöglicht, umsatteln.

Seine Freundin Lina nickt bei alldem. Sie arbeitet an der Rezeption des Schlosshotels Waldeck, das auf einem Berg liegt. Auch in ihrer Freizeit fahren die beiden oft dort hoch, schauen auf den Stausee im Tal, genießen die Sonne. Apropos Sonne: Wenn es irgendwie mit dem Geld reicht, dann würden die beiden irgendwann gern nach Spanien auswandern. Aber erst so in 20, 30 Jahren.

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