Berlin . Familienministerin Spiegel hat sich am Sonntag zur Kritik an ihrem Umgang mit der Flutkatastrophe geäußert. Sie kämpfte mit den Tränen.

  • Der Druck auf Anne Spiegel wächst: Am Sonntag hat sich die Familienministerin in einem Video zu Wort gemeldet
  • Nach der Flutkatastrophe im vergangenen Jahr hatte die damalige rheinland-pfälzische Umweltministerin ihren Fankreich-Urlaub nur kurz unterbrochen
  • Die Stellungnahme von Spiegel sorgt nun für Diskussionen, es gibt Rücktrittsforderungen

In einem überraschend anberaumten Statement am Sonntagabend hat Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) ihren Umgang mit der Flutkatastrophe erklärt. "Ich mache einen ungewöhnlichen Schritt", sagte sie sichtlich berührt vor der Presse. Und fuhr fort: Sie werde nun einige private Details nennen. Lesen Sie hier: Grüne sollen Anne Spiegel Rücktritt nahe gelegt haben.

"Im März 2019 hatte mein Mann einen Schlaganfall", so Spiegel. Dieser habe dazu geführt, dass er seitdem "ganz unbedingt Stress vermeiden musste", sagte die ehemalige rheinland-pfälzische Umweltministerin. Die Corona-Pandemie sei für ihre Familie eine "wahnsinnige Herausforderung" gewesen. Das habe auch die Kinder ganz klar mit "Spuren versehen". Spiegel hat vier Kinder, alle im Kita- und Grundschulalter. Immer wieder rang die Politikerin während ihrer Erklärung um Fassung, kämpfte mit Tränen.

Anne Spiegel: "Ich bitte für diesen Fehler um Entschuldigung"

"Ich habe einen Schritt gemacht, der ein Fehler war", so Spiegel. Ab dem 1. Januar sei sie nicht nur Familienministerin in Rheinland-Pfalz gewesen, sondern habe auch das Amt der Umweltministerin übernommen. Die vorige Ministerin, Ulrike Höfken, war zum 31. Dezember zurückgetreten. "Diese Aufgabe habe ich sehr ernst genommen. Das hat uns als Familie über die Grenzen gebracht." Und: „Es war für mich eine sehr schwere Abwägung zwischen meiner Verantwortung als Ministerin und als Mutter von vier Kindern.“

Anne Spiegel: Das ist die Bundesfamilienministerin

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    Ihr Mann sei auch sehr schwer belastet gewesen. Ihre Familie habe den Urlaub gebraucht, "weil mein Mann nicht mehr konnte", sagte die 41-Jährige, der während des Statements mehrfach die Stimme stockte. "Das war auch das erste Mal für uns als Familie, wo wir Urlaub gebraucht haben", sagte Spiegel. "Das war zehn Tage nach der Flut-Katastrophe. Und es war ein Fehler, dass wir solange in den Urlaub gefahren sind und ich bitte für diesen Fehler um Entschuldigung".

    Zu den Rücktrittsforderungen aus der Opposition äußerte Spiegel sich nicht. Die Beantwortung von Fragen lehnte sie ab. Von ihrer Partei, den Grünen, gab es am Sonntagabend auf Nachfrage zunächst keine Stellungnahme. Am Montag kommt der Bundesvorstand der Partei im schleswig-holsteinischen Husum zu einer Klausurtagung zusammen.

    "Bild" berichtet, dass es am Sonntag eine Krisensitzung mit den Grünen-Ministern Robert Habeck, Annalena Baerbock, und den Partei- und Fraktionsvorsitzenden gegeben habe. Dabei sei Spiegel der Rücktritt nahegelegt worden, sie habe aber darum gebeten, noch eine Chance zu bekommen, berichtet das Blatt. Eine Stellungnahme der Grünen zu dem Bericht gab es zunächst nicht.

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    Urlaubsreise nach der Flutkatastrophe

    Nachdem die "Bild am Sonntag" über die gemeinte Reise berichtet hatte, bestätigte der stellvertretende Regierungssprecher, Sebastian Kusche, der Deutschen Presse-Agentur in Mainz unter Verweis auf eine Stellungnahme des Umweltministeriums den Urlaub. Spiegel sei aber ständig erreichbar gewesen und habe die täglichen Krisenlagen ihres Ministeriums geleitet, heißt es in dem Schreiben.

    Spiegel: "Habe zu viel Verantwortung übernommen"

    Die Familienministerin musste nachträglich jedoch Angaben korrigieren, die sie am Samstag gegenüber der "Bild am Sonntag" gemacht hatte. Anders als ursprünglich mitgeteilt, habe sie sich nicht aus dem Urlaub zu den Kabinettssitzungen zugeschaltet. Die Sitzungen seien zwar in ihrem Kalender verzeichnet gewesen. Eine Überprüfung der Kabinettsprotokolle habe aber am Sonntag ergeben, dass sie nicht teilgenommen habe.

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    Familienministerin Spiegel: Scharfe Kritik aus der Union

    CDU-Chef Friedrich Merz hatte zuvor die Entlassung von Spiegel gefordert. "Es beweist sich erneut: Für Frau Spiegel waren Urlaub und das eigene Image wichtiger als das Schicksal der Menschen an der Ahr. Der Bundeskanzler muss sie entlassen", sagte Merz am Sonntag der "Bild"-Zeitung. Unions-Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) sagte der "Rheinischen Post": "Wenn es um Verantwortung geht, ist sie nicht erreichbar oder verreist." Er könne sich nicht vorstellen, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) "so ein Amtsverständnis gut findet".

    Der Parlamentarische Staatssekretär im Familienministerium, Sven Lehmann (Grüne), verteidigte Spiegel dagegen auf Twitter. "Am Beispiel Anne Spiegel wird auch verhandelt, wie menschlich Politik sein darf", schrieb er. "Politiker*innen sind Menschen. Menschen können Fehler machen oder in harten Abwägungen Entscheidungen treffen, die sie später bereuen. Wer in der Politik keine Maschinen will, bekommt Menschen."

    Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Nyke Slawik äußerte sich ähnlich. "Ich will, dass es auch Menschen mit Kindern und einem Partner, der sich von schwerer Erkrankung erholt, möglich ist, Politik zu machen", schrieb sie bei Twitter. "Das bedeutet, dass Menschen nicht 24/7 im Einsatz sein können, sondern auch für ihre Familie da sein müssen."

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    Bei der Flutkatastrophe Mitte Juli 2021 sind in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen mehr als 180 Menschen ums Leben gekommen, davon 134 im Ahrtal. Rund 750 Menschen wurden in Rheinland-Pfalz verletzt und große Teile der Infrastruktur sowie Tausende Häuser zerstört. Viele Menschen leben noch immer in Not- oder Ausweichquartieren. (les/pcl)

    Dieser Text erschien zuerst auf www.waz.de