Peking. Kim Yo Jong droht, Südkorea “auszulöschen“. Die Rhetorik hat System, doch diesmal könnte das Säbelrassen Pjöngjangs gefährlich werden.

Einst galt Kim Yo Jong mit ihrem verschmitzten Lächeln und der schüchternen Art als das menschliche Antlitz eines Schurkenregimes. Längst jedoch ist die 34-jährige Diktatorenschwester zu Nordkoreas Frau fürs Grobe avanciert: Bereits am Sonntag bezeichnete sie den südkoreanischen Verteidigungsminister Suh Wook als "menschlichen Abschaum".

Am Dienstag legte Kim nun mit einer ungeheuerlichen Drohung nach: Zwar wolle man keinen Krieg mit dem Nachbarstaat, doch im Falle einer militärischen Konfrontation würde man ohne Zweifel zum Atomarsenal greifen und Südkorea "auslöschen".

Spannungen verschärfen sich

Solche martialischen Ansagen sind selbst für nordkoreanische Verhältnisse ungewöhnlich scharf. Doch aus dem luftleeren Raum kommen sie keinesfalls: Zuvor hatte schließlich Südkoreas Verteidigungsminister ebenfalls betont, dass man den Norden jederzeit mit einem Präventivschlag angreifen könne.

Die Augen der Weltöffentlichkeit sind dieser Tage zurecht auf die Ukraine gerichtet. Doch weitgehend unbemerkt vom medialen Fokus steuert auch die koreanische Halbinsel auf einen gefährlichen Kollisionskurs zu. Dieser könnte schon bald einen ersten Höhepunkt erreichen, schließlich werden in knapp zwei Wochen die USA und Südkorea gemeinsame Militärübungen fortsetzen. Lesen Sie auch: Nordkorea – Nahm ein einziger Hacker Kims Regime vom Netz?

Laut Seoul und Washington handelt es sich dabei um reine Routine, doch Pjöngjang wertet diese als schwerwiegenden Affront für die nationale Sicherheit.

Nordkorea pokert hoch

Während in Seoul noch vor wenigen Wochen ein Präsident im Amt war, der trotz rhetorischer Drohungen stets seine diplomatische Hand nach Pjöngjang ausgestreckt hielt, regiert dort nun mit Yoon Suk-yeol ein ultrakonservativer Hardliner, der die Konfrontation mit Kim Jong Un gewiss nicht scheut.

Einige Experten argumentieren gar, dass die sich abzeichnende Krise auf der koreanischen Halbinsel diesmal schlimmer ausfallen wird als vergleichbare Eskalationen zuvor. Denn zum einen verfügt das Regime in Pjöngjang mittlerweile über deutlich schlagkräftigere und technologisch ausgereiftere Waffen als noch vor wenigen Jahren.

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    Zudem ist die Aufmerksamkeit der internationalen Staatengemeinschaft derzeit auf die Ukraine gerichtet, was für Nordkorea durchaus Anreize bietet, bei seinen militärischen Provokationen noch eine Schippe draufzulegen. Denn schlussendlich setzt das Regime vor allem eine Strategie fort, die es seit Jahrzehnten immer weiter perfektioniert hat: Man plustert sich auf, betont die eigene Stärke und inszeniert sich als unberechenbar.

    Je gefährlicher das Regime wirkt, desto höher steigt auch der Wetteinsatz, mit dem Nordkorea schließlich in die Friedensverhandlungen mit der internationalen Staatengemeinschaft einsteigt. Dort versucht Kim, im Gegenzug für temporäre Waffenruhe, möglichst großzügige wirtschaftliche Zugeständnisse zu ergattern – bis nach mehreren Jahren das gefährliche Pokerspiel wieder von vorne beginnt.

    Regime unter Druck

    Derzeit scheint Nordkorea geradezu verzweifelt seine eigene militärische Stärke aufzubauschen. Zuletzt hatte das Regime eine Interkontinentalrakete getestet und in einem Hollywood-reifen Propagandavideo damit geprahlt, dass es sich um einen neuen Waffentyp handeln würde.

    Wenig später jedoch gab das südkoreanische Verteidigungsministerium Entwarnung: Die Behauptung sei "fake", tatsächlich war die gezündete Rakete nur eine aktualisierte Version der alten "Hwasong-15".

    Doch angesichts einer desolaten Wirtschaft, die spätestens seit der Corona-Krise vollkommen am Boden liegt, steht Kim zunehmend unter Druck, von den eigenen Unzulänglichkeiten abzulenken. Dabei bleibt ihm wenig anderes übrig, als die militärischen Errungenschaften seines Regimes zu betonen.

    Nicht wenige Beobachter befürchten daher, dass Pjöngjang schon bald eine weitere Atomrakete testen könnte. Ein geeigneter Anlass naht zudem ebenfalls: Im Mai feiert das Land den 110. Geburtstag von Staatsgründer Kim Il Sung.

    Dieser Artikel erschien zuerst auf www.waz.de