Berlin . Beim Heizen von Wohnungen ist Erdgas Energieträger Nummer 1. Noch mehr des Brennstoffs benötigt die Industrie. Wer wieviel verbraucht.

Angesichts des Ukraine-Krieges und des Wirtschaftskonflikts mit Moskau bereitet sich die Bundesregierung auf ein mögliches Gas-Embargo vor. Mehr als die Hälfte des deutschen Verbrauchs des leicht entzündlichen Gases wird mit Importen aus Russland gedeckt. Fachleute kommen zu unterschiedlichen Prognosen, wozu ein abrupter Energiestopp führen würde.

Sehr klar hingegen lässt sich feststellen, wofür und wieviel Deutschland - das Gasverbraucherland Nummer eins in der EU - den Energieträger benötigt. Haushalte und Unternehmen in Deutschland haben nach einer Branchenschätzung im vergangenen Jahr so viel Erdgas verbraucht wie lange nicht. Mit 1003 Milliarden Kilowattstunden sei es so viel gewesen wie zuletzt 2006, heißt es seitens des Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).

Doch in welche Bereiche fließt die Energie genau? Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Thema.

Wozu wird Erdgas in Deutschland eingesetzt?

Hierzulande ist Gas der Energieträger, der am meisten zum Heizen von privaten Haushalten genutzt wird: Laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) heizen immer noch die Hälfte aller Wohnungen und Häuser mit Erdgas. Dem Branchenverband BDEW zufolge flossen dabei im Jahr 2021 insgesamt rund 306 Milliarden Kilowattstunden in Haushalte. Das entspricht fast einem Drittel des Gesamtverbrauchs von Erdgas.

An Position eins der Erdgasverbraucher steht allerdings die Industrie (etwas 37 Prozent). Der Energieträger ist der wichtigste Rohstoff für diesen Zweig. Besonders viel Gas wird für die Erzeugung der sogenannten Prozesswärme benötigt: Gießen, Spritzgießen, Glühen, Härten, Brennen oder Trocknen - das macht fast 70 Prozent der verbrauchten Industrie-Energie aus. Im Jahr 2021 flossen schätzungsweise 366 Milliarden Kilowattstunden (kWh) in den deutschen Industriebereich. Auf den Sektor Gewerbe, Handel, Dienstleistungen, abgekürzt GHD, entfielen im vergangenen Jahr insgesamt 127 Milliarden kWh.

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Ein weiterer großer Posten in der bundesweiten Gas-Rechnung ist die Stromerzeugung durch Erdgas. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland aus Erdgas knapp 90 Milliarden KWh Strom gewonnen, wozu 125 Milliarden kWh des fossilen Brennstoffs gebraucht wurden. Weniger Erdgas-Verbrauch entfielen auf Fernwärmeversorger (67 Milliarden kWh) und Verkehr (2 Milliarden kWh).

Wie viele Gasspeicher gibt es in Deutschland?

Laut Branchenverband INES gibt es 47 Untertagespeicher, die von rund 25 Firmen betrieben werden. Zwei Speichertypen kommen zum Einsatz: Kavernenspeicher in Salzstöcken, bei denen das Gas in Hohlräumen lagert, und Porenspeicher, bei denen das Gas in durchlässigen Gesteinen gespeichert wird.

Der Anteil der deutschen Gasspeicher an den Kapazitäten der Europäischen Union liegt bei rund einem Viertel. Auch der russische Staatskonzern Gazprom betreibt über eine Tochtergesellschaft zwei Speicher in Deutschland, darunter den bundesweit größten im niedersächsischen Rehden. Auf ihn entfällt rund ein Fünftel der deutschen Speicherkapazität. Seit vielen Monaten ist sein Füllstand sehr niedrig. Am Dienstag lag er bei gut fünf Prozent.

Kommt alles in Deutschland verbrauchte Erdgas aus den Speichern?

Nein, die Speicher ergänzen aber den laufenden Gasbezug aus dem Pipeline-Import. Laut Bundesverband der deutschen Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) lag der Erdgasverbrauch 2021 in Deutschland bei 1003 Terawattstunden. Zum Vergleich: Laut INES können die deutschen Gasspeicher derzeit maximal 255 Terawattstunden Erdgas speichern.

Eine strategische Reserve wie beim Öl, die im Ernstfall für drei Monate einen vollständigen Ausfall aller Importe auffangen soll, gibt es für Erdgas nicht. Laut Fabian Huneke vom Beratungsunternehmen Energy Brainpool entspricht die aktuell gespeicherte Gasmenge etwa dem Verbrauch eines Wintermonats.

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Ist Russland der einzige Gaslieferant Deutschlands?

Nein, aber der mit Abstand größte. 2020 kamen laut Monitoringbericht von Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt gut zwei Drittel des nach Deutschland importierten Gases aus Russland. Gut 20 Prozent entfielen auf Norwegen, knapp 12 Prozent auf die Niederlande. Zu beachten ist, dass Deutschland auch Transitland ist: Rund 45 Prozent der verfügbaren Gasmenge wurden 2020 durch Deutschland durchgeleitet. Und auch in Deutschland wird Erdgas gefördert. 2020 lag die Menge bei gut 5 Prozent des inländischen Erdgasverbrauchs. (les/dpa)

Dieser Artikel erschien zuerst auf www.waz.de

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt