Berlin. Bei „Markus Lanz“ argumentierte SPD-Politiker Peter Tschentscher gegen ein Öl- und Gas-Embargo. Er warnt vor wirtschaftlichen Folgen.

Während die Forderungen nach einem Embargo russischer Energieimporte immer lauter werden, zeigt sich die Bundesregierung weiterhin zögerlich. Doch was passiert, wenn Deutschland die Importe einstellt? Könnte Putin selbst den Gashahn für Europa einfach zudrehen? Egal wie, der Hahn muss weiter offenbleiben – das betonte Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher mehrfach bei „Markus Lanz“.

„Markus Lanz“: Diese Gäste waren am Dienstag dabei

  • Peter Tschentscher, Erster Bürgermeister Hamburgs (SPD)
  • Margarete Klein, Politikwissenschaftlerin
  • Hendrik Streeck, Virologe
  • Anna Lehmann, Journalistin ("taz")

Tschentscher bei „Lanz“: Lieferstopp schadet dem Westen mehr

Eines stand für den SPD-Politiker Peter Tschentscher fest: Ein Lieferstopp schade dem Westen mehr als Russland. Davon ließ sich der Sozialdemokrat den gesamten Abend lang auch nicht abbringen. Vielmehr versuchte es Tschentscher erstmal mit Beschwichtigungen. Man müsse bei Sanktionen „auf die Gesamtwirkung achten“. Journalistin Anna Lehmann unterbrach Tschentschers Aussagen immer wieder: „Die Studie dazu kenne ich nicht“.

Der SPD-Politiker ließ sich allerdings nicht aus der Ruhe bringen. Stattdessen fokussierte er sich auf mögliche Horrorszenarien. „Wir helfen wirklich auch niemandem, dass wir jetzt zusätzlich noch Not und Elend hier in Deutschland auslösen“, sagte Tschentscher. Dabei sei vor allem die Debatte um die Fernwärme entscheidend. „Wir wollen ja nicht im nächsten Winter in kalten Wohnungen sitzen. Deswegen muss das schon alles durchdacht werden“, mahnte er.

Auch hier griff Anna Lehmann erneut ein: „In kalten Wohnungen?“, fragte die Journalistin kopfschüttelnd. Tschentscher setzte seinen Monolog allerdings fort – lobte Olaf Scholz hier und da, beschwichtigte und betonte erneut, dass der Lieferstopp schädlicher für den Westen sei.

„Markus Lanz“: Journalistin fehlt Bereitschaft zum Verzicht

Und als Lehmann nach autofreien Sonntagen und Tempolimits fragte, da geriet der Politiker ein wenig aus dem Konzept. „Natürlich können wir noch mehr Symbolik machen. Aber mit einem Tempolimit bei 130 beeindrucken wir Putin so gut wie gar nicht“, sagte Tschentscher.

Die Osteuropa-Expertin Margarete Klein akzentuierte, dass es besonders wichtig sei, zu kommunizieren, dass es auch bei uns Verluste geben könnte. Allerdings um „dann aber auch klarzumachen, warum das so wichtig ist“. „Die Ukraine verteidigt eine Sicherheitsordnung, die auch uns trifft“, sagte Klein.

„Wir kümmern uns mehr um unsere Sicherheit als um die Sicherheit der Ukrainer“, kritisierte Lehmann. „Also es fehlt mir sozusagen auch die Bereitschaft zum Verzicht“, fügte die Journalistin hinzu. Laut Lehmann entstehe so der Eindruck, dass die Regierung sich mehr um die eigene wirtschaftliche Sicherheit kümmere als um die soziale. „Ich weiß, was passiert, wenn in Hamburg kein Gas mehr ankommt“, argumentierte Tschentscher. Bei einem Gas-Stopp käme es zu erheblichen Ausfällen in der Produktion.

„Lanz“: Kritik am „Freedom-Day“ der FDP

Kritik hagelte es jedoch nicht nur im Zusammenhang mit den Gaslieferungen, auch das neue Corona-Infektionsschutzgesetz sorgte für reichlich Gesprächsstoff. „Die Lage ist gerade alles andere als entspannt“, berichtete Peter Tschentscher.

Und auf die Frage von Moderator Markus Lanz, ob das Gesetz von der FDP „getrieben“ sei, gab es zögerliche Zustimmung. „Ich gebe Ihnen recht, das Gesetz hätte besser ausfallen können“, sagte Tschentscher. Die FDP habe sich laut dem SPD-Politiker „eine Art Freedom Day“ in den Kopf gesetzt.

„Das ist nicht das, wie man normalerweise Gesetze macht“, ergänzte der Bürgermeister. „Es ist ehrlich gesagt grotesk“, kommentierte der Moderator. Trotz umständlicher Gesetzgebung wolle man in Hamburg laut Tschentscher Maßnahmen wie die Maskenpflicht wieder einführen.

Virologe Hendrik Streeck fordert längeren Genesenenstatus

Auch Virologe Hendrik Streeck zeigte sich skeptisch, was den Freedom Day angeht: „Ich glaube, es ist wirklich an der Zeit, diesen Sommer jetzt auch zu nutzen, dass wir uns einmal trennen von diesem kurzfristigen Handeln und langfristig schauen“.

Streeck appellierte vor allem auch an die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger. „Wir müssen mehr und mehr auch eine Normalität wagen, wo wir ein Stück weit die Eigenverantwortung übernehmen für die eigene Gesundheitsvorsorge“, so der Virologe. Zudem forderte Streeck eine Verlängerung des Genesenenstatus, da eine Grundimmunität durchaus für mehrere Monate vorhanden sei.

Was die vierte Booster-Impfung ab 60 Jahren angeht, äußerte sich der Virologe nur sehr vorsichtig. „Es gibt sehr viele positive Aspekte von einer vierten Impfung, aber es kann auch negative Effekte geben“, argumentierte er. Grundsätzlich komme es laut Streeck mehr auf die Vulnerabilität an statt auf das Alter selbst.

„Markus Lanz“ – So liefen die vergangenen Sendungen

Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.