Berlin. Im Bundestag setzt Friedrich Merz die Ampel-Koalition unter Druck: Der CDU-Chef will Kanzler Scholz zur Auseinandersetzung zwingen.

Friedrich Merz eröffnet am Mittwoch nicht nur die Generaldebatte im Bundestag, sondern auch den Kampf ums Kanzleramt. Der CDU-Vorsitzende und Chef der Unionsfraktion im Bundestag greift die Politik der Ampel-Koalition scharf an und wirft Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Führungsschwäche in der Ukraine-Krise vor.

Er teile die Einschätzung des Kanzlers, dass die Welt nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine eine Zeitenwende erlebe, sagt Merz. Aber: „Dann müssen Sie durch diese Zeitenwende auch sichtbar und hörbar führen. Das erwarten wir vom Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland.“ Traditionell hat der Oppositionsführer im Bundestag das erste Wort bei der Aussprache in der Generaldebatte über den Etat des Bundeskanzleramts.

Merz kritisiert Finanzplanung der Ampel-Koalition

Die Debatte ist der Höhepunkt der Diskussionen über den Haushalt der Regierung im Parlament – und dreht sich nicht um die Zahlen des Kanzlerbudgets, sondern um die Politik der Bundesregierung. Nachdem die Union in den vergangenen Wochen noch ihre Rolle in der Opposition suchte, nutzt Merz seinen Auftritt am Mittwoch, um den Kanzler und die Ampel-Koalition unter Druck zu setzen.

Merz wirft der Regierung vor, auf die befürchteten wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen des Krieges in der Ukraine keine Antworten zu geben. In Bezug auf den gerade erst aufgestellten Haushalt von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sagt Merz: „Sie gehen von Grundannahmen aus, von denen wir heute schon wissen, dass sie einfach nicht stimmen.“

Die Bundeswehr bekommt 100 Milliarden Euro

Das Wachstum der deutschen Wirtschaft werde kleiner ausfallen als angenommen, die Inflationsrate werde nicht sinken sondern steigen, die bereits gestörten Lieferketten würden absehbar noch weiter durcheinander geraten. Zudem sei damit zu rechnen, dass Steuereinnahmen sinken, während die Ausgaben des Staates deutlich steigen.

„Das wissen wir alle, das wissen auch Sie“, sagt der CDU-Vorsitzende an die Regierungsbank schräg hinter ihm gerichtet. Dennoch habe die Koalition einen Haushalt vorgelegt, „so als ob nichts gewesen wäre“. Merz fügt hinzu: „Wenn es richtig ist, was Sie sagen, Herr Bundeskanzler, mit der Zeitenwende, dann müssten Sie große Teile Ihres Koalitionsvertrags eigentlich heute neu verhandeln.“ Die einzige wirklich ernsthafte Abweichung sei der Plan, ein Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarde Euro für die Modernisierung der Bundeswehr.

Kanzler Olaf Scholz während der Rede von Friedrich Merz.
Kanzler Olaf Scholz während der Rede von Friedrich Merz. © AFP | Tobias Schwarz

Union wird für Grundgesetzänderung gebraucht

Bundeskanzler Scholz will diese Sonderausgaben im Grundgesetz verankern – dafür braucht er auch die Stimmen der Union, um die erforderliche Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag zu erreichen. Merz macht in seiner Rede deutlich, dass er für diese Zustimmung nicht billig zu bekommen ist.

Der Oppositionsführer nennt sechs Bedingungen, darunter eine dauerhafte Steigerung der Verteidigungsausgaben auf mehr als zwei Prozent der deutschen Wirtschaftskraft und eine enge Einbindung der Union in die Entscheidungen über die aus dem Sonderbudget für die Bundeswehr geplanten Investitionen. Außerdem verlangt Merz, in dem Gesetz über das Sondervermögen einen Tilgungsplan zu hinterlegen sowie das Beschaffungswesen der Bundeswehr zu ändern.

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Merz will der Ampel keine Mehrheiten verschaffen

Angesichts des Bedenkens einiger Abgeordneter aus den Reihen von Grünen und SPD gegen die Milliardenausgaben für die Bundeswehr kündigt Merz an, dass die Union zwar bereit sei, die Modernisierung der Truppe zu unterstützen.

Aber nur, wenn auch die Ampel-Koalition dies geschlossen tue: „Wenn wir zu einer Grundgesetzänderung kommen, dann füllen wir das in der Weise auf, dass dann eine Zweidrittel-Mehrheit zustande kommt“, warnt Merz die Koalition. „Aber nicht so, dass dann einige von Ihnen dann sagen, da machen wir nicht mit, die Union wird’s ja schon richten. Nein, wir richten es nicht. Sie werden mit jedem einzelnen Abgeordneten hier Ja sagen müssen.“

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Keine Zustimmung von CDU/CSU zur Impfpflicht der Ampel

Merz stellt zudem klar, dass die Union auch bei anderen Themen der Ampel-Koalition nicht zu einer Mehrheit verhelfen will. „Sie werden in Zukunft für jedes Gesetz, was sie hier im Deutschen Bundestag verabschieden, eine eigenständige Mehrheit brauchen“, sagt der CDU-Chef.

„Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist nicht die Ersatzbank, von der sie sich beliebigerweise Ersatzspieler aufs Spielfeld holen können, wenn sie ihre eigenen Mehrheit nicht haben.“ Merz betont: „Das gilt für alle Vorhaben einschließlich der Impfpflicht.“ Scholz befürwortet eine Impfpflicht, wegen des Widerstandes des FDP steht aber in den Sternen, ob es dazu kommt.

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Merz will Kanzler werden

Merz ist CDU-Vorsitzender, Fraktionschef – und von großem Selbstbewusstsein. Noch hat er es nicht offiziell erklärt: Aber es ist davon auszugehen, dass er auch der nächste Kanzlerkandidat der Union sein will. Bis zur nächsten Bundestagswahl sind es nach aller Voraussicht noch dreieinhalb Jahre. Aber aus seiner Sicht kann der direkte Schlagabtausch zwischen ihm und dem Amtsinhaber nicht früh genug beginnen. Er will in den Nahkampf mit Scholz, die Rede des Oppositionsführers war daher eine Kampfansage.

Scholz ergreift direkt nach Merz das Wort. Der Kanzler spricht staatsmännisch, wendet sich zunächst an den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selsnksyj, der in der vergangenen Woche in einer aus Kiew übertragenen Rede an den Bundestag gewandt hatte, ohne dass das Parlament sich danach mit dem Krieg in der Ukraine befasst hätte. Die Union hatte dies scharf kritisiert – und auch einige Vertreter der Ampel zeigten sich danach geknickt.

Scholz im Bundestag.
Scholz im Bundestag. © dpa | Kay Nietfeld

Scholz reagiert mit Verspätung auf Selenskyjs Rede

„Ich habe noch die Worte im Ohr, die Präsident Selenskyj letzte Woche hier gesprochen hat“, sagt Scholz. Es sei schwer für die Ukraine, ohne die Hilfe der Welt zu bestehen, hatte Selenskyj gewarnt. „Deswegen sage ich heute ganz klar: Präsident Seleneskyj, die Ukraine kann sich auf unsere Hilfe verlassen.“

Scholz verweist auf die Lieferung deutscher Waffen und die von der EU angekündigte Milliardenhilfe für Rüstungsgüter und die gegen Russland verhängten Sanktionen. Der Kanzler stellt aber erneut deutlich klar, dass die Nato sich nicht an einem Krieg gegen Russland beteiligen werde: „Die Nato wird nicht Kriegspartei“, sagt der Sozialdemokrat. „Das ist ein Gebot der Vernunft, alles andere wäre unverantwortlich.“

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Scholz greift zu Merkels Taktik

Scholz betont seine Rolle als Akteur im Bemühen um eine friedliche Lösung, verweist auf seine direkten Gespräche mit Selenskyj und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Damit hebt sich der Kanzler von Merz ab, der auf Aufmerksamkeit für seine Auftritte im Bundestag setzen muss, um sich gegen den Kanzler zu profilieren.

Auf die scharfe Kritik des CDU-Vorsitzenden an einer obsolet gewordenen Haushaltsplanung geht der frühere Finanzminister nicht ein – Scholz gleicht dabei seiner Vorgängerin Angela Merkel (CDU), die unliebsame Kritik ebenfalls hartnäckig ignorieren konnte. Er hat kein Interesse daran, sich von Merz in den Nahkampf verwickeln zu lassen.

Scholz dankt Merz – der nickt zufrieden

Nach zwölf Minuten richtet sich Scholz dann doch an seinen Vorredner, als er auf das Sondervermögen für die Bundeswehr zu sprechen kommt. „Danken möchte ich allen, die bereit sind, diesen Weg mitzugehen“, sagt der Kanzler. „Ganz ausdrücklich auch Ihrer Fraktion, lieber Herr Merz. Über die Ausgestaltung werden wir weiter miteinander reden im Sinne der Sache, im Sinne der Sicherheit unseres Landes.“ Es sei „völlig in Ordnung“, wenn die Union dazu im Bundestag und anderswo ihre Vorstellungen formuliere. Merz nickt zufrieden. Er hat für heute seinen Punkt gemacht.

Dieser Artikel ist zuerst auf waz.de erschienen