Berlin. Die Streichung des Paragrafen 219a ist lange überfällig. Jetzt kann eine ernsthafte Debatte beginnen, meint unsere Autorin Flora Hallmann.

Mit der Streichung des Paragrafen 219a endet eine Debatte, in der es nicht mal mehr auf den ersten Blick um den Schutz ungeborenen Lebens ging, oder um ethische Argumente. Es ging immer um die Frage, ob Schwangere mündig sind. Ob sie in der Lage sind, zu entscheiden, ob sie eine Schwangerschaft abbrechen wollen oder nicht.

Aufhänger für diese Debatte war über Jahre hinweg Paragraf 219a, ein Paragraf aus Nazizeiten, in denen Frauen vor allem der Reproduktion des „deutschen Volkes“ dienten und nur wenig später mit dem sogenannten Mutterkreuz geehrt werden konnten, je mehr ("arische") Kinder, desto besser.

Mündigkeit oder gar Selbstbestimmung von Frauen und gebärfähigen Menschen spielten keine Rolle, davon gezeichnet ist die Debatte bis heute. Denn wer sachliche Information als Werbung betitelt, geht davon aus, dass Schwangere leicht zu verleiten sind, dass sie sich spontan überlegen: Ach, wieso denn nicht, dann treib ich halt ab. Das ist eine absurde Vorstellung, sexistisch ist sie sowieso. Niemandem fällt die Entscheidung abzutreiben leicht. Aber für gut 100.000 Menschen im Jahr ist sie die richtige.

Abtreibungsdebatte: Den wichtigen Themen zuwenden

Mit dem Ende dieser Scheindebatte um Information haben wir die Chance, endlich über die eigentlichen Probleme zu sprechen: Über Abtreibungsgegnerinnen, die Menschen vor Praxen auflauern, über die Stigmatisierung. Über die Versorgungslage, die mancherorts so katastrophal ist, dass der 75-jährige Friedrich Stapf in Bayern einfach nicht in Rente gehen kann, außer ihm gibt es niemanden in der Region, der Abbrüche anbietet.

Und irgendwann können wir vielleicht auch darüber reden, ob eine Kriminalisierung von Abbrüchen wirklich noch notwendig ist. Die Ampel-Koalition will einige dieser Probleme angehen, denn auch ohne 219a gibt es noch zahlreiche Hürden auf dem Weg zum Schwangerschaftsabbruch. Echte Selbstbestimmung ist es noch lange nicht.