Washington. . In den USA steht für viele Frauen das Recht auf Abtreibung auf der Kippe. Der Oberste Gerichtshof berät über ein umstrittenes Gesetz.

In Amerika steht das seit fast 50 Jahren geltende Recht auf Abtreibung auf der Kippe. Der von Ex-Präsident Donald Trump durch drei Neubesetzungen mit einer 6:3-Mehrheit konservativ ausgerichtet Oberste Gerichtshof könnte die Rechtslage zu Lasten von Hunderttausenden Frauen aufkündigen und damit das ohnehin kaputte gesellschaftliche Klima auf den Gefrierpunkt bringen.

Seit Montag berät die höchste Streitschlichtungs-Instanz über „SB 8”. Dahinter verbirgt sich ein umstrittenes Gesetz des Bundesstaates Texas. Es verbietet Abtreibungen de facto nach der sechsten Woche. Ein Zeitpunkt, zu dem viele Frauen laut Ärzten noch gar nicht wissen, dass sie schwanger sind. Die Regelung gilt auch bei Vergewaltigung und Inzest.

Abtreibung: Denunzianten werden mit 10.000 Dollar belohnt

Haftbar sind nicht die Frauen. Sondern Kliniken, Ärzte und Beratungsstellen,die Abtreibung durchführen oder wie auch immer möglich machen. Auch der Taxi-Fahrer, der eine Frau, die seit sechs Wochen schwanger ist, zu einer Abtreibungsklinik chauffiert, macht sich demnach strafbar. Denunzianten werden mit 10.000 Dollar aufwärts belohnt.

Präsident Joe Biden sieht darin eine Form von „Kopfgeldjagd” und eklatanten Verstoß gegen die seit 1973 (Roe versus Wade) höchstrichterlich geltende landesweite Rechtslage. Danach sind Schwangerschaftsabbrüche bis über die 20. Woche hinaus erlaubt. Sein Justizminister Merrick Garland hat Klage eingereicht gegen Texas. Frauen-Verbände wie „Planed Parenthood” befürchten, dass die „Errungenschaft, dass Frauen eigenständig über ihren Körper entscheiden können”, für immer aufgekündigt wird.

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Der Grund liegt in einer ersten 5:4-Entscheidung des Supreme Court von Anfang September. Die konservativen Richter Alito, Thomas, Gorsuch, Kavanaugh und Barrett (die letzten drei waren von Donald Trump installiert worden) gaben Texas damals vorläufig grünes Licht. Die liberalen Vertreter Kagan, Sotomayor und Breyer formulierte beißende Kritik und bezichtigten ihre Kollegen der Aushöhlung geltender Rechtsprechung.

Tausende Menschen demonstrieren in Washington für das Recht auf Abtreibung.
Tausende Menschen demonstrieren in Washington für das Recht auf Abtreibung. © dpa

Kulturkrieg zwischen „pro-life”Anhängern und „pro-choice“-Befürwortern

Sie wurden dabei vom Vorsitzenden Richter John Roberts, im Grunde ein Konservativer, unterstützt. Wann in der Causa Texas ein Urteil gesprochen wird, ist noch nicht klar. Feststeht allerdings, dass der seit Jahrzehnten tobende Kulturkrieg zwischen „pro-life”Anhängern (gegen Abtreibungen) und „pro-choice“-Befürwortern (für das Recht einer Frau, sich für einen Abbruch zu entscheiden) auf einen neuen Höhepunkt zusteuert. Zumal in wenigen Wochen ein ähnliches Gesetz dem Obersten Gerichtshof vorgelegt wird.

Der wie Texas ebenfalls republikanisch beherrschte Bundesstaat Mississippi verbietet Schwangerschaftsabbrüche ab der 15. Woche. Abtreibungskliniken hatten sich dagegen gewehrt. Sollten die Top-Richter im Sinne der Abtreibungsgegner entscheiden, die von der in den Trump-Jahren erstarkten evangelikal-religiösen Rechten getragen werden, werden nach Recherchen des Forschungs-Instituts Guttmacher rund 20 US-Bundesstaaten Schwangerschaftsabbrüche kurzfristig unter Strafe stellen.