Berlin/Washington. Laut einem Zeitungsbericht stößt die Menschheit deutlich mehr CO2 aus als bislang gedacht. Woran das liegt – und was die Folgen sind.

  • In Glasgow diskutieren die Vereinten Nationen den Weg aus der Klimakrise
  • Doch die Daten, auf die sich aktuelle Berechnungen zum Klimawandel stützen, sind möglicherweise falsch
  • Denn es gibt wohl eine große Lücke bei der Meldung von Emissionen

Der Ausstoß von Treibhausgasen könnte weltweit deutlich höher sein als bislang angenommen. Das berichtet die US-amerikanische Zeitung "Washington Post". Demnach gebe es eine große Diskrepanz zwischen den Emissionen, die von den Ländern an die Vereinten Nationen gemeldet werden, und denen, die tatsächlich in die Atmosphäre ausgestoßen werden.

"Der Plan, die Welt vor den schlimmsten Folgen des Klimawandels zu bewahren, basiert auf Daten. Aber die Daten, auf die die Welt sich stützt, sind falsch", so die "Washington Post". Nach eigenen Recherchen gehen die Reporterinnen und Reporter der Zeitung davon aus, dass mindestens 8,5 Milliarden Tonnen CO2-Emissionen nicht gemeldet werden. Das wäre fast das dreifache der jährlichen CO2-Ausstöße der EU.

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Tatsächlich könnte die Lücke sogar noch größer sein und bis zu 13,3 Milliarden Tonnen CO2 umfassen, etwa 23 Prozent des gesamten menschlichen Beitrags zum Klimawandel, so die "Post". Derartig höhere Zahlen könnten einen schwerwiegenden Unterschied für das angestrebte 1,5-Grad-Ziel bedeuten.

Erderwärmung: Ausgleichsregelungen verdecken die eigentlichen Emissionen

Wo entsteht der Unterschied zwischen den Meldedaten und den tatsächlichen Emissionen? Der Post zufolge liegt ein Großteil, etwa 59 Prozent, in den Ausgleichsregelungen versteckt. Verursachte Emissionen können laut UN-Regelung ausgeglichen werden, bekannt auch als Zertifikate-Handel, zum Beispiel durch CO2-Speicher wie Wälder, Sümpfe und Moore. Das Ergebnis ist dann Klimaneutralität - auf dem Papier. Denn diese Speicherung passiere überhaupt nicht, oder nicht im angegebenen Maße, so die Washington Post.

Malaysia gibt zum Beispiel an, dass innerhalb der eigenen Grenzen jährlich über 243 Millionen Tonnen CO2 absorbiert würden – in einem Waldgebiet von einer Größe von etwa 180.000 Quadratkilometern. Das Problem: Indonesien gibt eine CO2-Absorbtion in ähnlicher Höhe an, allerdings für einen Wald, der mehr als fünf Mal so groß ist wie der in Malaysia. Offiziell kann Malaysia somit also Emissionen ausgleichen, die tatsächlich gar nicht ausgeglichen werden.

Auch in anderen Bereichen wie Öl und Gas, Landwirtschaft oder Abfall würden nicht alle Emissionen vermeldet, sogenannte fluorierte Treibhausgase würden teilweise gar nicht gemeldet.

Washington Post: Problem liegt im Meldesystem der UN

Wie kann es nun dazu kommen, dass die UN nicht die korrekten Zahlen erhält? Das liegt laut Washington Post vor allem am Meldesystem der Vereinten Nationen, das auf von Region zu Region unterschiedlichen Standards basiere - bei der Frage, wer wann was und wie meldet, hätten die Länder große Freiheiten. China habe beispielsweise bislang in nur fünf Jahren überhaupt die eigenen Emissionen vermeldet, das letzte Mal im Jahr 2014.

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Und nur 45 Länder haben im Jahr 2019 Berichte eingereicht. Große Treibhausgas-Verursacher fallen somit bei den Berechnungen unter den Tisch: Iran ist einer der zehn Top-Emittenten der Welt, hat aber im Jahr 2010 das letzte Mal einen Bericht eingereicht. 45 Länder haben seit 2009 keine Daten mehr übermittelt.

Im Pariser Abkommen von 2015 haben sich die unterzeichnenden Länder darauf geeinigt, das Meldesystem bis 2024 transparenter zu gestalten. Die Washington Post vermutet, dass es bis 2030 dauern könnte, bis wirklich verlässliche Berichte Standard seien - eine zu lange Zeit im Angesicht des Drucks, der auf der Welt in Sachen Klimaschutz liegt.