Berlin. Viele Politiker sprechen sich für eine Aufhebung der Maskenpflicht aus, Lehrer sind dagegen. Und was sagt der Gesundheitsminister?

  • Die Corona-Zahlen in Deutschland derzeit fast exponentiell
  • Fällt nun sogar schon die Maskenpflicht?
  • Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ist für eine stufenweise Aufhebung

Dänemark geht bei den Lockerungen in der Corona-Pandemie voran. Seit diesem Montag ist die Pflicht zum Tragen einer Maske für fast alle Bereiche des öffentlichen Lebens aufgehoben. Einzige Ausnahme bleibt der öffentliche Nahverkehr – aber auch nur, wenn man nicht sitzt.

Es sind die aktuell niedrigen Corona-Fallzahlen, die eine Debatte über ein Ende der Maskenpflicht auch in Deutschland befeuern. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) fordern die Länder auf, die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme zu überprüfen. „Bei den fallenden Inzidenzen sollten wir gestuft vorgehen: In einem ersten Schritt kann die Maskenpflicht draußen entfallen“, sagte Spahn dieser Redaktion. „In Regionen mit sehr niedriger Inzidenz und einer hohen Impfquote nach und nach auch drinnen.“

Das Maskentragen sei aber auch ohne Pflicht weiter ratsam, so Spahn, etwa bei Reisen oder Treffen in Innenräumen. Mehr Sicherheit gebe es nur, wenn alle Anwesenden geimpft oder regelmäßig getestet seien.

Maskenpflicht: Politiker fordern Prüfung der Verhältnismäßigkeit

Lambrecht hob in der „Bild am Sonntag“ hervor: „Die Verantwortlichen in den Ländern müssen laufend genau prüfen, ob und wo eine Maskenpflicht noch verhältnismäßig ist, wenn die Inzidenzzahlen niedrig sind und weiter sinken.“ Dies gelte auch für die Schulen, da Schüler „von der Maskenpflicht besonders betroffen“ seien.

Auch Justizministerin Lambrecht (SPD) appelliert an die Länder. Sie müssten laufend genau prüfen, ob das Masketragen verhältnismäßig sei.
Auch Justizministerin Lambrecht (SPD) appelliert an die Länder. Sie müssten laufend genau prüfen, ob das Masketragen verhältnismäßig sei. © dpa | Bernd von Jutrczenka

Bundestagsvizepräsident Kubicki (FDP) sagte, bei strenger Auslegung des Infektionsschutzgesetzes müsse die allgemeine Maskenpflicht aufgehoben werden, erst recht draußen. Bei einer klaren Inzidenz unter 35 dürfe der Staat „gar keine Grundrechte pauschal für alle Bürger einschränken“. Lesen Sie auch: Corona: Geimpft und trotzdem erkrankt - Wen es eher trifft

Und sogar der Verfechter strikter Schutzmaßnahmen in der Pandemie, SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, sieht Spielraum für Lockerungen. „Was wir ja gelernt haben in den letzten Monaten, ist, dass die Übertragung des Virus im Wesentlichen in den Innenräumen stattfindet“, sagte Lauterbach der „Saarbrücker Zeitung“. Mit Blick auf die Spiele der Fußballeuropameisterschaft betonte Lauterbach: „Vor den Restaurants und Kneipen ist das gemeinsame Schauen der Spiele möglich.“ Die Maskenpflicht sei dann auch nicht unbedingt notwendig. „Aber es müssen die Abstände eingehalten werden.“

Im Nahverkehr in NRW sind FFP2-Masken keine Pflicht mehr

Einige Kommunen preschen beim Ende der Maskenpflicht bereits vor. Im Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen gilt seit Samstag keine Pflicht mehr zum Tragen einer FFP2-Maske. Es reicht nun eine sogenannte OP-Maske. Auch der Landkreis Bautzen lockert bei einer Inzidenz unter 35. Noch zu Beginn des Jahres war die Region in Sachsen ein Hotspot der Pandemie, Inzidenzen kletterten dort teilweise auf über 500 Infektionen pro 100.000 Einwohner in einer Woche. Nun aber ist auch dort die Infektionslage deutlich entspannt. So werden unter anderem die Maskenpflicht in Kitas und Schulen sowie die Testpflicht für Geschäfte und Kultureinrichtungen aufgehoben oder Feiern mit bis zu 50 Personen erlaubt.

Doch nicht alle halten diesen Schritt zu einem Wegfall der Maskenpflicht für richtig. Thüringens Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke) warnt vor vorschnellen Reaktionen. Es wäre falsch, „jetzt schon sämtliche Schutzmaßnahmen über Bord zu werfen, bevor alle, die das möchten, den vollständigen Impfschutz erhalten haben“, erklärte Werner. Lesen Sie auch: Corona: Wiederholen sich die Fehler vom Sommer 2020?

Streit um Maskenpflicht: Wahlkampf mit der Gesundheit der Bürger?

Auch SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach sieht ein generelles Ende der Maskenpflicht kritisch. „Für ganz Deutschland, bei jeder Gelegenheit, überall – das geht selbstverständlich nicht.“ Lauterbach übte direkte Kritik an dem Vorstoß von FDP-Mann Kubicki: „Ein kompletter Verzicht auf die Maskenpflicht kurz vor der Impfung von Millionen ist nur eines: Wahlkampf mit der Gesundheit der Bürger.“

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil mahnte zur Vorsicht. „Wir sollten nicht den Eindruck vermitteln, die Pandemie sei vorbei“, sagte der SPD-Politiker der „Hannoverschen Allgemeine Zeitung“. „Gleichzeitig müssen wir vorsichtig bleiben, das Virus ist weiterhin auch in Deutschland präsent und wir wissen nicht, was in den nächsten Wochen noch für Herausforderungen auf uns zukommen“, sagte der Regierungschef. Im Freien seien Lockerungen jedoch denkbar.

Der Deutsche Lehrerverband ist gegen eine schnelle Aufhebung der Maskenpflicht an den Schulen. Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger sagte der Deutschen Presse-Agentur am Montag in Berlin, er rate insbesondere während des Unterrichts zu „größtmöglicher Vorsicht“. „Das Virus ist ja noch nicht von der Bildfläche verschwunden.“ Maskenpflicht und auch regelmäßige Tests sollten im auslaufenden Schuljahr bleiben.

In diesen Tagen findet die Fußball-EM statt, die Temperaturen steigen. Das dürfte mehr Menschen zum beliebten Public Viewing locken. Bisher ist das meist nur unter klaren Regeln möglich – und im kleinen Rahmen der Außengastronomie. Welche Folgen eine Lockerung der Maskenpflicht auch bei größeren Veranstaltungen haben kann, zeigt eine Studie. Laut Wissenschaftlern haben Fußballspiele in der Bundesliga mit Zuschauern im Stadion zu nachweislich höheren Infektionszahlen geführt. Nach den ersten beiden Spieltagen der Saison im September und Oktober 2020 seien die Ansteckungszahlen statistisch signifikant angestiegen, zitiert die „Rheinische Post“ aus einer Studie des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung.