Berlin. Die Partei will bald entscheiden, wer für das Kanzleramt antreten soll. Eine aktuelle Umfrage sieht Annalena Baerbock vor Robert Habeck.

Es ist ein kleiner Vorsprung, aber er ist da, zum ersten Mal: Der Anteil der Menschen, die sich Annalena Baerbock als Kanzlerin wünschen, ist größer als der, die gern ihren Co-Parteichef Robert Habeck hätten. 20 Prozent für Baerbock, 19 für Habeck, das sagt eine Umfrage des Instituts Forsa für RTL und n-tv, die am Mittwoch veröffentlicht wurde.

Die Nachricht kam am selben Tag wie der Termin für die Entscheidung: Am 19. April will der Bundesvorstand der Grünen der Partei einen Vorschlag machen, wer für sie ums Kanzleramt kämpfen soll – Annalena Baerbock oder Robert Habeck. Endgültig entschieden wird dann bei einem Parteitag im Juni, doch das gilt dann eher als Formsache.

Grüne überzeugen mit konstruktiver Zusammenarbeit – ohne Konflikte

Dass die Grünen überhaupt in der Position sind, einen Kandidaten oder eine Kandidatin für das Kanzleramt aufzustellen, ist ein Ergebnis des kräftigen Aufwinds der letzten Jahre. 2017 noch als kleinste Oppositionsfraktion in den Bundestag eingezogen, steht die Partei in Umfragen derzeit bei 23 Prozent – und damit zum ersten Mal vor der „K-Frage“.

Dazu beigetragen hat nicht nur der Erfolg der Umweltbewegung „Fridays for Future“, die das grüne Kernthema Klima mit Nachdruck auf die Agenda gesetzt hat, sondern auch die Art, wie Baerbock und Habeck die Partei führen. Kooperativ, nach außen fast konfliktfrei, selbst ein Büro teilen sich die beiden. Doch egal wie gut die Zusammenarbeit läuft: Kandidieren kann am Ende nur eine Person. Hintergrund: Grüne Wohlfühlrepublik: Das Wahlprogramm der Partei

Baerbock hat sich nach vorn gearbeitet

Dass die Partei jemand ins Rennen schicken könnte, der nicht Annalena Baerbock oder Robert Habeck ist, gilt als praktisch ausgeschlossen. Nach der Wahl der beiden 2018 war der 51-Jährige lange der bekanntere, der strahlendere Teil des Duos. Ein Schriftsteller, promoviert in Philosophie, ein seltener, nachdenklicher Typ Politiker. Baerbock, Völkerrechtlerin, war im Vergleich unbekannt, weniger schillernd.

Das ist Robert Habeck

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    Doch die 40-Jährige habe sich über die Zeit beharrlich ins Rampenlicht gearbeitet, sagt Forsa-Chef Manfred Güllner, der Trend sei seit längerem sichtbar. Habecks Nimbus dagegen sei ein wenig verblasst. „Habeck hat dieses nachdenkliche Auftreten, ein bisschen wie ein Philosoph. Das war in der Anfangsphase wohltuend, erschöpft sich aber auch“, sagt Güllner. „Baerbock ist immer gut vorbereitet, sie macht den Eindruck, in der Sache tiefer drin zu sein.“

    Habeck hat Regierungserfahrung, Baerbock womöglich einen Frauenbonus

    Inhaltliche Schnitzer, wie sie sich Habeck öffentlichkeitswirksam bei der Pendlerpauschale oder den Aufgaben der Bafin leistete, sind von ihr kaum bekannt. Habeck wiederum kann als ehemaliger Umweltminister von Schleswig-Holstein mehrere Jahre Regierungserfahrung vorweisen. Die fehlt seiner Kollegin, die vor dem Bundestag im Europaparlament tätig war, komplett.

    Was sie stattdessen mitbringt, ist ein Alleinstellungsmerkmal: In einem Wahlkampf gegen Olaf Scholz bei der SPD und Armin Laschet oder Markus Söder bei der Union wäre Baerbock die einzige Frau. „Merkel hatte immer einen klaren Frauenbonus, sie hat Frauen gebunden an die CDU“, erklärt Wahlforscher Güllner. „Einen Teil dieser Wählerinnen könnte Baerbock zu den Grünen holen.“ Lesen Sie hier: Gewalt gegen Frauen: Grünen wollen Frauen besser schützen

    Dass sie eine Frau ist, heißt bei denen Grünen auch, dass Baerbock den ersten Zugriff auf die Kandidatur hätte. Wenn Baerbock will, das hat auch Habeck schon klargestellt, dann kommt sie zum Zug.

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