Brüssel. Die EU-Kommission wollte die Zeitumstellung abschaffen. Doch daraus wird erstmal nichts. Die Mitgliedsstaaten sind sich weiter uneins.

Jedes Jahr stellen wir zwei Mal die Uhren um. Und immer, wenn der Termin im Herbst oder Frühjahr näher rückt, stellt sich die Frage nach der Abschaffung. Zuletzt hatte die EU-Kommission deutlich dafür geworben, sogar eine Abstimmung ins Rollen gebracht. Mit dem Ergebnis: Die Europäer haben die Zeitumstellung satt.

Doch das Aus für die halbjährliche Zeitumstellung in Europa rückt in immer weitere Ferne. Eine Entscheidung, den Wechsel von Sommer- und Winterzeit zu beenden, wird auf EU-Ebene nach Informationen unserer Redaktion frühestens im Herbst 2019 fallen. Wenn überhaupt.

EU-Kommission und Europaparlament planen, den Wechsel zwischen Winter- und Sommerzeit voraussichtlich 2021 zu beenden. Hintergrund ist eine Online-Befragung mit den Stimmen von 4,6 Millionen Menschen aus 28 EU-Staaten im Sommer 2018 - über 80 Prozent der Teilnehmer waren für die Abschaffung der Umstellung und zwei Drittel für eine dauerhafte Sommerzeit. Nach derzeitigem EU-Plan soll jedes Land entscheiden dürfen, ob es dauerhaft bei Winter- oder Sommerzeit bleibt.

Wegen des notwendigen Vorlaufs jetzt sogar der bisherige Kompromiss-Vorschlag der EU-Mitgliedstaaten, die Uhren letztmalig im Frühjahr 2021 umzustellen. Verschläft die EU die Zeitumstellung ganz? „Einige Mitgliedstaaten hätten es am liebsten, wenn die Sache auf den St. Nimmerleinstag verschoben wird“, sagt ein Experte im EU-Rat in Brüssel.

Zeitumstellung: EU kündigte das Ende voreilig an – das Wichtigste in Kürze:

• Die EU wollte die Zeitumstellung abschaffen, richtete sogar eine Umfrage ein

• Doch aus den Plänen wurde nichts

• Jetzt kommt raus: Auch der Ersatztermin wackelt

In wenigen Tagen ist es schon wieder so weit: Die Uhren in allen EU-Staaten werden am 27. Oktober auf Winterzeit umgestellt, also um eine Stunde zurückgestellt. Es hätte das letzte Mal sein sollen, wäre es nach der EU-Kommission gegangen, die das rasche Aus für die Zeitumstellung vor fünf Monaten voreilig angekündigt hatte.

Doch die Mitgliedstaaten ließen den Vorstoß im März scheitern – der Zeitplan sei zu ehrgeizig, sie bräuchten mehr Zeit für eine Entscheidung und die Abstimmung untereinander. Nächster Termin für eine Befassung der zuständigen EU-Verkehrsminister: 6. Juni.

Darum ergibt die Zeitumstellung keinen Sinn

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    EU-Staaten müssen sich einzeln für Sommer- oder Winterzeit entscheiden

    Ob wenigstens dann ein Beschluss fällt, ist völlig offen. Einige Regierungen haben grundsätzliche Bedenken, inzwischen auch im einflussreichen Nachbarland Frankreich. In Dänemark rebelliert bereits das Parlament gegen den EU-Plan.

    Diplomaten in Brüssel erklären, das Ende der Zeitumstellung zu beschließen, sei eines. Doch parallel müsse jeder einzelne Mitgliedstaat die heikle Frage klären,

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    – was bei näherer Prüfung ausgesprochen schwierig ist.

    EU-Parlament will erst vor Tage vor nächster Zeitumstellung Position beziehen

    Kommt es zur ewigen Sommerzeit, ginge etwa in Spanien im Winter die Sonne erst gegen 10 Uhr auf. Einige Staaten erwägen, die Zeitzone zu wechseln (in der EU gibt es derzeit drei Zeitzonen), andere wollen erst Expertenkommissionen einberufen. Zudem halten die nationalen Regierungen eine Abstimmung mit den Nachbarländern für dringend notwendig.

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    Ein harmonisierter, gut koordinierter EU-weiter Ansatz sei unverzichtbar, um einen „Flickenteppich von Zeitzonen“ zu vermeiden.

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    Im Rat der Mitgliedstaaten ruhe das Thema derzeit völlig, sagen Eingeweihte in Brüssel. Nicht nur die Minister trödeln. Auch das EU-Parlament, das der Zeit-Reform ebenfalls zustimmen müsste, hat noch gar keine Position gefunden – erst Ende März, vier Tage vor der nächsten Zeitumstellung, die die letzte sein sollte, wird das EU-Parlament überhaupt Stellung zu dem Kommissionsvorschlag nehmen.

    2021 als Ende der Zeitumstellung kaum zu halten

    Wenige Wochen später treffen sich die Abgeordneten zur letzten Sitzung der Wahlperiode. Im Mai 2019 wird das Parlament neu gewählt, bis zum Herbst passiert dort wenig. Damit ist beteiligten Fachleuten klar: „Selbst wenn alles gut geht, die Mitgliedstaaten verhandlungsbereit sind und die Gespräche schnell abgeschlossen werden, fällt die endgültige gemeinsame Entscheidung von Parlament und Rat im besten Fall gegen Jahresende“, heißt es im EU-Rat.

    Die Mitgliedstaaten drängen bislang auf einen Vorlauf von mindestens 18 Monaten nach dem Beschluss, damit sich Bahnunternehmen und Fluggesellschaften ausreichend auf das neue Zeitregime vorbereiten könnten.

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    wäre kaum zu halten.

    Trödelei bei Zeitumstellung sorgt für Streit im EU-Parlament

    Die Experten im zuständigen Verkehrsausschuss des EU-Parlaments wollen sogar einen Vorlauf von zwei Jahren nach Inkrafttreten des entsprechenden Gesetzes festschreiben, wie es in Beschlussentwürfen heißt. Dann wäre mindestens das Jahr 2022 erreicht. Doch inzwischen wird die Trödelei zum Streitthema im EU-Parlament.

    • Hintergrund:

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    Ein Teil der Abgeordneten will mit Blick auf die Parlamentswahl im Mai 2019 ein Zeichen setzen und das Jahr 2020 als Schlusstermin festlegen. Mehrere Ausschüsse haben sich bereits dafür ausgesprochen, die Zeitumstellung im kommenden Jahr zu beenden, berichtet der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese. Er sagt: „Mit ausreichend politischem Willen kann man das schneller machen.“ Doch weil ausgerechnet die Fachleute im zuständigen Verkehrsausschuss des Parlaments das anders sehen und auf mehr Zeit drängen, steht Streit bevor.

    Dauerhafte Sommerzeit laut Wissenschaft ungesund

    Auch Liese räumt ein, dass die Entscheidung nicht ganz einfach ist, ob die Uhren dann dauerhaft auf Sommerzeit oder auf Winterzeit (korrekt heißt sie Normalzeit) bleiben sollen. Liese war wie viele andere anfangs für die ewige Sommerzeit. Inzwischen aber plädiert er für die Rückkehr zur Normalzeit.

    Werde die Zeitumstellung abgeschafft und eine ganzjährige Sommerzeit eingeführt, sei das nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ungesund: „Wir müssten eine Stunde früher aufstehen“, erklärt der Abgeordnete, „aber wir schlafen im Durchschnitt ohnehin schon zu wenig“.

    Auslöser für die Debatte war eine Umfrage der EU, bei der sich eine deutliche Mehrheit gegen die Sommerzeit ausgesprochen hatte.

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    Wird halbjährlich an der Uhr gedreht, bringt das den Bio-Rhythmus durcheinander.

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