Wolfsburg. Erst setzt der Trainer des VfL Wolfsburg Jonas Wind auf die Bank, jetzt nimmt er ihn früh vom Feld. Der Däne verweigert den Handschlag.

Es war ein Schockmoment. In der 28. Minute der Partie bei Bayer Leverkusen kam Schiedsrichter Daniel Siebert energischen Schrittes auf Wolfsburgs Innenverteidiger Moritz Jenz zu. Der Unparteiische griff in seine Tasche und zeigte Jenz erst die gelbe, dann die rote Karte. Es war das frühe Aus für den so wichtigen Abwehrchef des VfL. Und es war der Moment, in dem beim Trainerteam der Wolfsburger die hektische Suche nach einer taktischen Lösung für den fußballerischen Super-Gau einsetzte. In Unterzahl beim Spitzenreiter? Was tun?

Vier Minuten später war die Antwort gefunden: Jonas Wind musste raus. Als der vierte Offizielle am Spielfeldrand auf seiner digitalen Anzeigetafel die Rückennummer 23 aufleuchten ließ, blickte der Angreifer ungläubig nach draußen. Konnte das sein? Der 25-Jährige ging Richtung Seitenlinie. Seine Beine schienen plötzlich schwer zu sein, die Lippen presste er vor Frust zusammen. Bloß kein falsches Wort, könnte er sich in seinem Kopf gedacht haben, als er schließlich in der Coaching Zone bei Trainer Niko Kovac angekommen war. Der wollte Wind den Wechsel offenbar erklären und sich mit dem obligatorischen Handschlag bedanken. Doch der Nationalspieler ließ den Arm unten, wollte nichts hören. Fast schon gequält blieb er dennoch kurz stehen, mit den Gedanken offenbar weit weg. Anschließend nahm er auf der VfL-Bank Platz, wo er den Kopf in den Nacken legte und mit versteinerter Miene Richtung Rasen blickte.

Wolfsburgs Stürmer hatte zuletzt Ladehemmungen

Wind ist ein stets freundlicher Mensch, in Gesprächen fast immer mit einem leichten Lächeln im Gesicht. Wäre der sympathische Däne kein so besonnener Typ – er wäre in dieser Situation wahrscheinlich ausgerastet. Denn bei dem Torjäger hat sich in letzter Zeit einiges aufgestaut. Da ist nicht nur die Negativserie der gesamten Mannschaft, die seit zehn Partien vergeblich auf einen Sieg wartet und nur dank des noch schwächeren Erfolglos-Trios am Tabellenende ein Polster auf die Abstiegsränge besitzt. Auch bei Wind persönlich läuft es nicht mehr rund. Die ersten Wochen der Saison, in der Wolfsburgs Tormaschine einen Treffer nach dem anderen lieferte, sind längst vorbei. Sein letztes Tor gelang ihm Ende November gegen Leipzig.

Hinzu kommt, dass der Däne einmal keine Chance erhielt, von Anpfiff an auf Torejagd zu gehen. In der Partie gegen den VfB Stuttgart hatte Niko Kovac seinen mit neun Toren und sechs Vorlagen erfolgreichsten Offensivspieler zunächst draußen gelassen – aus taktischen Gründen und in einer relativ spontanen Entscheidung rund drei Stunden vor dem Spiel, wie der Trainer später verriet. Seinem Schützling habe er die Maßnahme direkt erklärt, berichtete der Coach. Und genauso kommunikativ wollte er es wohl auch am Sonntagabend in Leverkusen angehen, als er Wind früh vom Feld holte. Seine Worte jedoch schienen nicht anzukommen.

Kovac kommentiert seine Auswechslung vor Fernsehkameras

Was dem Ärger des Skandinaviers noch die Krone aufgesetzt haben könnte – wenn er es denn mitbekommen hat: Kovac rechtfertigte seine Maßnahme nach der Partie auf merkwürdige Weise. Auf der Pressekonferenz erklärte es der Trainer noch taktisch: Leverkusen versuche in letzter Linie immer in eine 5:4-Situation zu kommen, weswegen er mit Sebastiaan Bornauw einen Innenverteidiger habe bringen müssen. Vorne habe er mit Tiago Tomás auf einen schnelleren Stürmer gesetzt. „Ich habe die rote Karte nicht fabriziert“, meinte Kovac, aber er habe reagieren müssen. Vor den TV-Kameras fügte er dann aber in Richtung Jonas Wind hinzu: „Die Schuld kann er bei niemandem suchen.“

Zwar erklärte der Wolfsburger Trainer auch lapidar, dass Wind in der nächsten Begegnung doch „eh wieder spielen“ werde. Sicher dürfte aber sein, dass der Angreifer von den Ereignissen in Leverkusen alles andere als begeistert gewesen ist. Zwar verwies Kovac vor dem Spiel zurecht auf Winds umfangreiche Einsatzzeiten in der laufenden Serie. Doch alles in allem hat der Coach mit seinen Entscheidungen und anschließenden Kommentaren einen für die Mannschaft eminent wichtigen Leistungsträger vor den Kopf gestoßen. Auch im Internet wurde das Verhalten Kovacs teilweise heftig kritisiert. Neben seinem Abgang fordern viele Wölfe-Anhänger immer häufiger auch den Rücktritt von VfL-Sport-Geschäftsführer Marcel Schäfer, der an dem seit Monaten umstrittenen Kovac weiter festhält.

Druck auf Spieler und Verantwortliche wird größer

Doch wie lange noch? Die Punktebilanz des VfL ist ohnehin historisch schlecht. Gelingt dem 1. FC Köln am Freitagabend ein Überraschungs-Dreier gegen Leipzig, wäre der Druck in Wolfsburg vor der Partie gegen den FC Augsburg (Samstag, 15.30 Uhr, Volkswagen-Arena) groß. Und Jonas Wind? Der dürfte Samstag erneut auflaufen, doch klar ist auch: Der Angreifer, an dem zuletzt drei englische Klubs ihr Interesse bekundet haben sollen, wird sich in diesen Tagen umso mehr Gedanken machen, wie und ob es für ihn ab Sommer beim VfL weitergeht.

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