Herning. Die deutsche Handball-Nationalmannschaft verliert bei der Weltmeisterschaft das Spiel um den dritten Platz gegen Frankreich.

Da saßen sie auf der Bank. Mit hängenden Köpfen und leeren Blicken. Noch immer fassungslos über das, was da vor ein paar Sekunden geschehen war. Die Franzosen feierten, die deutschen Handballer sahen weg. Die enttäuschten Blicke visierten den Hallenboden an, während Bundestrainer Christian Prokop noch immer ungläubig auf die Anzeigetafel schaute. Gerade hatten er und seine Mannschaft einen weiteren Traum begraben müssen, nach dem vom Finaleinzug war es der vom Gewinn der Bronzemedaille bei der WM. Doch die in letzter Sekunde besiegelte 25:26 (13:9)-Niederlage bedeutete Platz vier. Nur Platz vier.

DHB-Torwart Wolff: "Wir haben uns mit Dummheiten um die Medaille gebracht"

25:25 stand es, nur wenige Sekunden waren noch zu spielen vor 14.121 überwiegend dänischen Zuschauern in Herning, als Kreisläufer Hendrik Pekeler den Ball nach einem Pass von Matthias Musche vor dem französischen Tor nicht unter Kontrolle bekam, die Franzosen zum Gegenstoß ansetzten und Nikola Karabatic den Ball eine Sekunde vor der möglichen Verlängerung ins deutsche Tor hämmerte. “Bitter”, sagte Prokop. “Manchmal fehlt es uns noch an Cleverness.” Torwart Andreas Wolff drückte es drastischer aus: “Wir haben uns mit eigenen Dummheiten um die Medaille gebracht."

Damit endete in der dänischen Provinz eine Erfolgsgeschichte, die in der deutschen Hauptstadt ihren Anfang genommen hatte. Sie handelte von fünf Vorrundenspielen, in denen das deutsche Team begeistert hatte mit drei Siegen und zwei Unentschieden, vor allem beim 25:25 gegen den amtierenden Weltmeister Frankreich. Sie handelte von drei dominanten Hauptrundenspielen, die den Einzug ins Halbfinale ebneten. Von einer Mannschaft, die zu einer Einheit wurde und durch die Resonanz des Publikums immer mehr Selbstvertrauen getankt hatte. Von Hendrik Pekeler und Patrick Wiencek, diesem Abwehrbollwerk, das sich mit Urkraft durchs Turnier schob und drückte. Von Torhüter Andreas Wolff, der ein solides Turnier spielte, aber nie der Super-Wolff war, durch den 2016 der EM-Titelgewinn gelang. Von Martin Strobel, dem reaktivierten Spielmacher aus der zweiten Liga, der sich im Hauptrundenspiel gegen Kroatien so schwer am Knie verletzte. Von Kapitän Uwe Gensheimer, der alles dafür tat, sein Team zum Erfolg zu führen, am Ende mit 56 Toren Deutschlands bester Torschütze war und trotzdem der Unvollendete bleibt. Einer der besten Linksaußen der Welt - als Aktiver aber weiter ohne großen internationalen Titel.

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Vor allem war es aber die Geschichte von Christian Prokop. Dem Bundestrainer, der noch immer angezählt vom letztjährigen EM-Debakel in sein zweites Turnier ging und sich dabei verändert präsentierte. Der 40-Jährige lächelte mehr, wirkte weniger verschlossen, herzte seine Spieler vor und nach den Partien. Es war ein Prokop, der sichtlich Freude an seinem Job hatte, nicht mehr erdrückt vom Medieninteresse schien und von der “geilsten Zeit des Berufslebens” sprach. Ab und an gab es sogar einen lockeren Spruch auf den Pressekonferenzen - kein Vergleich zum Christian Prokop anno 2018.

DHB-Team vergab zu viele Torchancen

Durch verstärkte Kommunikation hatte er die einstigen Unstimmigkeiten beseitigt und sein Team auf seine Seite geholt. “Er zieht nicht nur seinen eigenen Plan durch, sondern nimmt uns jetzt auch mit”, hatte Hendrik Pekeler jüngst gesagt. “Sehr souverän macht er das”, urteilte auch Heiner Brand, Weltmeistertrainer von 2007. Mit dem vierten Platz hat Prokop nun die beste WM-Platzierung seit jenem deutschen Triumph erreicht und einen Platz beim Qualifikationsturnier für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio gesichert. Die Zuschauer in den Arenen hatten Prokop ohnehin mit den ersten Erfolgen ins Herz geschlossen. Mitunter kam es in Berlin, Köln und Hamburg vor, dass der Name des Bundestrainers bei der Vorstellung lauter mitgerufen wurde als die der Spieler.

Am Ende ist diese Geschichte aber auch eine von verpassten Chancen. Im Halbfinale war Norwegen beim 25:31 deutlich besser, im Medaillenspiel gegen Frankreich aber war das deutsche Team lange Zeit das tonangebende. Zu viele ausgelassene Torchancen, Fehlpässe und Zeitstrafen hatten eine frühe Vorentscheidung verhindert und die Franzosen erstarken lassen. “Wir haben schon mehrfach gezeigt, dass wir nach Niederlagen wieder aufstehen können. Ich bin stolz auf diese Mannschaft. Was wir hier erreicht haben, wird in den Köpfen bleiben”, sagte Prokop vor dem Abendessen mit der Mannschaft und der anschließenden Rückreise nach Deutschland. Er meinte damit nicht die verpasste Medaille. Schon im Vorfeld hatte er gesagt, dass vor allem wichtig sei, “wie wir uns präsentieren, ob wir als Mannschaft überzeugen und die Menschen mitreißen können.“