Essen. Formel 1 will am 5. Juli in Spielberg in Österreich beginnen. Mindestens 15 Rennen sollen stattfinden – im Idealfall vor Zuschauern.

…und sie fahren doch. Geht es nach den Machern der Formel 1, reisen Sebastian Vettel und Co. in nicht allzu ferner Zukunft wieder fleißig um die Erde. Nach Österreich, wo am 5. Juli endlich der Startschuss in die neue Saison fallen soll, ist der Weg noch kurz. Doch spätestens ab Herbst sollen der Ferrari-Star und seine Mitstreiter dann auch in Asien, Amerika und am Persischen Golf Rennen fahren – im Idealfall sogar vor Zuschauern. Der Kalender für die Formel 1 nimmt Konturen an. Doch in der Corona-Krise bleiben Unwägbarkeiten.

Vor dem Start steht eine weitere Absage

Diese Woche, in der die Formel 1 eigentlich ins niederländische Zandvoort zurückkehren wollte, beginnt mit einer weiteren Absage. Der für Ende Juni vorgesehene Große Preis von Frankreich ist schon das zehnte der 22 vorgesehenen Rennen, das ausfällt. Doch der Optimismus der Königsklasse scheint unerschütterlich. Wenig später erklärte Formel-1-Chef Chase Carey, dass die Saison am 5. Juli in Österreich beginnen soll. Bis zu 17 Rennen sollen dem Auftakt folgen, gefahren würde dann bis weit in den Dezember hinein. Falls überall gefahren werden kann oder darf. Das Rennen gegen die Unwahrscheinlichkeit hat begonnen, es beginnt mit einem Geister-Grand-Prix.

Flugplatz neben der Rennstrecke

Beschränkte Reisen im Schengen-Raum, die Absage der Tour de France und von Wimbledon, kaum Hoffnung der Menschen auf Ferien von Corona. Trotzdem soll das Rennen in Österreich, das in der Formel 1 gern „der Urlaubs-Grand-Prix“ genannt wird, durchgeführt werden. Spielberg in der Steiermark ist in der Tat ein Ort, an dem das scheinbar Unmögliche möglich gemacht werden kann: ein Rennen mit 22 Fahrern und ein paar Hundert Teammitgliedern aus aller Welt. Dazu ein Fernsehteam und das Sicherheitspersonal an der Strecke.

Der Große Preis von Österreich ist auch der Grand Prix in der Heimat von Dietrich Mateschitz und Red Bull. Direkt neben der Strecke befindet sich ein Flugplatz, die Formel 1 müsste kaum mit der Bevölkerung in Kontakt treten – obwohl das Rennen seinen Charme auch daraus bezieht, dass die Weltreisenden gewöhnlich genau das tun, in einfachen Pensionen und auf Bauernhöfen wohnen. Aber Publikum, das ist die schlechte Nachricht für die Motorsport-Fans, soll es zunächst nicht geben. Vielleicht aber gleich einen zweiten WM-Lauf hinterher.

Mindestens vier Formel-1-Teams kämpfen um die Existenz

Es geht nicht ums Idyll, sondern ums nackte Überleben. Vier von zehn Formel-1-Teams kämpfen um ihren Fortbestand, die kleineren Rennställe natürlich. Aber auch die Konzern-Abteilungen bangen um die Finanzierung. Die Budget-Deckelung soll noch mal niedriger ausfallen, der Bau neuer Rennwagen ist bis Ende 2021 abgeblasen.

Für die Formel 1 gilt das Prinzip aus dem Flugzeuggeschäft: Ist sie nicht unterwegs, verdient sie kein Geld. Zwischen 15 und 40 Millionen Dollar Antrittsgelder winken bei jedem Grand Prix, diese Prämie ist für die Branche wichtiger als die Fernseh-Honorare im Fußball. Aber auch die TV-Einnahmen sind in Gefahr, falls weniger als 15 Rennen ausgetragen werden. In Vietnam und Aserbaidschan, wo besonders viel Geld und Prestige auf dem Spiel stehen, sollen die abgesagten Rennen unbedingt zu einem späteren Zeitpunkt ausgetragen werden.

Formel-1-Boss Carey hofft auf Publikum

Deshalb drängt Chase Carey, der Statthalter von Formel-1-Besitzer Liberty Media, so sehr auf einen Neustart. Kurz nach Absage des Frankreich-Rennens teilte der 66-jährige US-Amerikaner seine „wachsende Zuversicht“ auf eine Rückkehr noch in diesem Sommer mit: „Unser Ziel ist es, im Juli, August und September in Europa zu beginnen, dann im September, Oktober und November in Asien und Amerika zu fahren und die Saison im Dezember in Bahrain und Abu Dhabi zu beenden.“ So schnell wie möglich werde ein Kalender mit 15 bis 18 Rennen veröffentlicht. Carey erwartet, „dass die frühen Rennen alle ohne Zuschauer ablaufen. Aber ich hoffe, dass die Fans im Laufe der Saison dann irgendwann wieder ein Teil der Veranstaltungen werden“.

Zwei Handvoll Jumbo-Jets

Als globale Sportart, die permanent die Kontinente wechselt, ist die Formel 1 für die Pandemie besonders anfällig – der Auftakt in Melbourne wurde nach mehreren Corona-Erkrankungen im Fahrerlager drei Stunden vor dem ersten Training abgesagt. Die Logistik ist nicht nur wegen möglicher Einreisebeschränkungen (zwei Teams sitzen in Italien, sieben in Großbritannien) enorm schwierig. Vor allem die Frachtkapazitäten, die weltweit derzeit äußerst knapp sind, machen den Planern Sorge. Einmal gebucht, ist man wenig flexibel – und es sind bis zu zwei Handvoll Jumbo-Jets, die für Fahrzeuge, Material und Fernseh-Ausrüstung benötigt werden.

Um möglichst viele Rennen in die verbleibenden 160 Tage zu packen, wird eine Verkürzung der Rennveranstaltungen auf Samstag/Sonntag in Betracht gezogen. Möglich auch, dass an drei Wochenenden nachein­ander gefahren wird.

Formel-1-Fahrer im Wartestand: Ferrari-Star Sebastian Vettel wäre aber für den Saisonstart bereit.
Formel-1-Fahrer im Wartestand: Ferrari-Star Sebastian Vettel wäre aber für den Saisonstart bereit. © AFP

Für das Rennen nach Spielberg, geplant am 19. Juli in Silverstone, wurden alle 100.000 Ticket-Inhaber bereits informiert, dass sie zu Hause bleiben müssen: „Ich bin extrem enttäuscht, dass ich sagen muss, dass es für uns unmöglich ist, den diesjährigen Grand Prix vor Fans in Silverstone durchzuführen“, schrieb Streckenchef Stuart Pringle. Man habe sich diese Entscheidung so lange wie möglich offen gehalten, müsse diesen Schritt aber nun gehen.

Der 70. Geburtstag der Rennserie wird nur still gefeiert

An ihrem Geburtsort in Mittelengland wollte die Formel 1 eigentlich ihr 70-jähriges Bestehen groß feiern. Es wird ein stiller Ehrentag werden. Aber immerhin: Die (Renn-)Welt dreht sich weiter.

„Alle unsere Pläne können sich offensichtlich ändern, da wir viele Probleme zu lösen haben“, sagte Formel-1-Chef Chase Carey und betonte: „Wir alle möchten, dass die Welt zu der zurückkehrt, die wir kennen und schätzen.“