Berlin. Die deutschen Handballer haben ein großes Olympia-Ziel. Aber erst einmal muss sich das Team von Trainer Alfred Gislason qualifizieren.

Der Ort war mit Bedacht gewählt. In der japanischen Botschaft erlebte Alfred Gislason am Montag in Berlin seinen ersten richtungsweisenden Auftritt als neuer Bundestrainer der deutschen Handballer. Unter dem Motto „Road to Tokyo“ (Weg nach Tokio) hatte der Deutsche Handballbund (DHB) geladen, um fünf Monate vor den Olympischen Spielen auf den sportlichen Jahreshöhepunkt einzustimmen. Und Meistercoach Gislason, Nachfolger des glücklosen Christian Prokop, hatte sogleich eine Überraschung parat: Er nominierte Silvio Heinevetter (35/192 Länderspiele) für das Aufgebot für den am Montag beginnenden Lehrgang in Aschersleben, dessen Höhepunkt das Länderspiel am 13. März gegen die Niederlande ist.

Gislason kennt Heinevetter schon seit dessen Jugend. Und der Bundestrainer weiß, was der Torhüter der Füchse Berlin kann. „Er hat besondere Fähigkeiten und seinen eigenen Stil, Silvio kann den Gegner zur Verzweiflung bringen“, sagte der Isländer. Zwar sind nach wie vor Johannes Bitter und Andreas Wolff für die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) gesetzt, doch Routinier Heinevetter, der von Prokop zuletzt aussortiert worden war, hat im Harz die Chance, Werbung in eigener Sache zu machen. „Ich habe ihm gesagt, dass er auch infrage kommt, wenn er im Klub mehr spielt“, sagte Gislason.

Gislason: „Es wird schwer, sich für Olympia zu qualifizieren“

Die Zeit seit seinem Amtsantritt am 6. Februar hat Gislason dazu genutzt, seine Nationalspieler zu besuchen und die EM, bei der die DHB-Auswahl auf Rang fünf gelandet war, nachzuarbeiten. Beim Lehrgang gilt es dann, schnellstmöglich zueinander zu finden, um beim Qualifikationsturnier vom 17. bis 19. April in Berlin das Olympia-Ticket zu buchen. „Es wird schwer, sich für Olympia zu qualifizieren“, sagte Gislason, „aber wenn wir es zu Hause mit den Zuschauern im Rücken nicht schaffen, dann frage ich mich: Was willst du dann in Tokio?“ Deutschland trifft in der Ausscheidung in der Max-Schmeling-Halle auf Rekord-Europameister Schweden, den EM-Vierten Slowenien sowie Algerien. Besonderen Druck empfindet der Isländer nicht. „Dass alle die erfolgreiche Olympia-Qualifikation erwarten, ist für einen deutschen Handball-Bundestrainer normal“, sagte er. Die weiteren Ziele sind bereits formuliert. „Wir wollen in Tokio natürlich um die Goldmedaille spielen“, sagte DHB-Vizepräsident Bob Hanning. „Wir sollten uns aber erst mal qualifizieren. Eine Goldmedaille ohne teilzunehmen – das ist relativ schwierig.“

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Auf große Überraschungen und Experimente verzichtete Gislason bei seinem 18-köpfigen Aufgebot. In Abwesenheit des am Fuß verletzten Kapitäns Uwe Gensheimer kehren die beiden Rückraumspieler Steffen Weinhold und Franz Semper nach ihren EM-Absagen zurück. Rückraumspieler Paul Drux (Fußverletzung) fehlt beim Lehrgang, soll aber beim Kampf ums Olympia-Ticket wieder dabei sein. „Ich habe gesagt, dass ich den Großteil so behalten möchte wie mein Vorgänger, denn wir haben nicht viel Zeit, um großartig was zu ändern“, betonte Gislason: „Ich kann und will die Mannschaft nicht auf den Kopf stellen.“ Gislason will den Lehrgang dazu nutzen, vor allem taktisch einige Dinge zu ändern. „Das macht aus meiner Sicht den Erfolg wahrscheinlicher.“

DHB-Präsident Michelmann sieht "riesige Chance"

Ein Erfolg bei der Olympia-Qualifikation ist nötig, damit der DHB sein Ziel, Handball als Hallensport Nummer eins in Deutschland zu festigen, erreicht. Der Zuschlag für die Ausrichtung der Weltmeisterschaften der Frauen 2025 und der Männer 2027 sowie der U21-WM (2023) in Deutschland stärken diesen Anspruch. „In Summe ist das eine riesige Chance für unsere Sportart, den Wachstumskurs der vergangenen Jahre fortzusetzen“, sagte DHB-Präsident Andreas Michelmann. „Aber das ist alles kein Selbstläufer, wir müssen erfolgreich sein und erst einmal das Olympia-Ticket lösen.“ Damit der Weg der deutschen Handball auch tatsächlich nach Tokio führt.