Hamburg. Artem Harutyunyan behält seinen IBO-International-Titel im Halbweltergewicht. Auch Abass Baraou gewann seinen Kampf in Hamburg.

Erleichterung war das, was sich in Artem Harutyunyans Gesichtszügen spiegelte. Nicht darüber, dass er seinen IBO-International-Titel im Halbweltergewicht verteidigt hatte, denn daran hatten die vier einseitigen Runden gegen den Argentinier Miguel Cesario Antin (26) in der Nacht zum Sonntag im „Work your Champ“-Gym an der Großen Elbstraße keinen Zweifel gelassen. Vielmehr war der 29 Jahre alte Hamburger Profiboxer froh, dass sein Kontrahent nach einer Vielzahl harter Kopftreffer die einzig richtige Entscheidung traf und Ringrichter Smail Alitouche aus Frankreich in der Pause zur fünften Runde signalisierte, nicht weiterkämpfen zu wollen.

„Das war sehr schlau von ihm. Wer weiß, wie das Ganze sonst geendet wäre“, sagte Harutyunyan. Der gebürtige Armenier, Zugpferd des wiederbelebten Hamburger Traditionsstalls Universum, ist ein gebranntes Kind. Als er letztmals im Juni 2019 an selber Stelle gegen einen Argentinier kämpfte, war dieser nicht so schlau wie Antin. Hugo Alfredo Santillan gab nicht auf, obwohl er noch viel schlimmere Prügel einstecken musste. Er hielt zehn Runden durch, kämpfte fünf Wochen später bereits wieder in seiner Heimat – und verstarb fünf Tage nach dem Kampf an schweren Hirnverletzungen – im Alter von nur 23 Jahren.

Harutyunyan will Weltmeister der IBO werden

Artem Harutyunyan erinnerte am Sonnabend an Santillan, als er im Ring nach seinem technisch und taktisch überlegen herausgearbeiteten Sieg seine nächste Herausforderung skizzierte. Weltmeister der IBO, die den vier bedeutendsten Weltverbänden nachgeordnet ist, möchte er in diesem Jahr werden. Den Titel hält Jeremias Nicolas Ponce (23) ein weiterer Argentinier, unbesiegt in 25 Kämpfen. „Irgendwie wollen alle Argentinier mit mir kämpfen. Ich bin bereit und möchte mir den Titel holen“, sagte Harutyunyan.

Artem Harutyunyan (rechts) beim Kampf gegen den Argentinier Miguel Cesario Antin.
Artem Harutyunyan (rechts) beim Kampf gegen den Argentinier Miguel Cesario Antin. © dpa

Universum-Matchmaker Flavio Oleaga Mirabal sagte, man sei sich mit Ponce über ein Duell am 4. April in Hamburg einig, wenn Universum seine zweite Chance erhält, das ZDF von einem Wiedereinstieg ins Profiboxen zu überzeugen. Zwei Hürden gibt es dafür aber noch zu überwinden. Zum einen muss die IBO zustimmen, was davon abhängt, wie weit Harutyunyan dank seines Sieges in der Rangliste klettert. In den Top 35 sollte ein WM-Herausforderer sein, aktuell steht der Olympiadritte von 2016 an Position 100. Zum anderen muss Harutyunyan eine Daumenverletzung auskurieren, die er sich bereits in der ersten Runde bei einem linken Haken zugezogen hatte. Die genaue Diagnose soll am Montag feststehen.

In dieser Form ein WM-Kandidat

Fakt ist, dass Artem Harutyunyan in der Form vom Wochenende durchaus ein ernst zu nehmender WM-Kandidat sein dürfte. Dank seiner Schnelligkeit und der akkuraten Ausführung seiner Schlagserien entledigt er sich mittelmäßiger Gegnerschaft, wie der tapfere Antin sie darstellte, so souverän, wie man es von einem Mann mit Ambitionen in Richtung Weltklasse erwarten muss.

Dass sein Kampf nicht der alleinige beste des Abends war, lag indes an einem Sportler, den der einstige Universum-Dauerrivale Sauerland in die Kooperationsveranstaltung im Hafen eingebracht hatte: Abass Baraou. Der 25 Jahre alte Superweltergewichtler zeigte sich gegen den Mexikaner Abraham Juarez (23) gänzlich unbeeindruckt von der Tatsache, die Vorbereitung ohne Trainer durchgestanden zu haben, nachdem sein bisheriger Chefcoach Ulli Wegner (77) wegen eines Oberschenkelhalsbruchs im Dezember ausgefallen war. Mit einer bestechenden linken Führhand und Konterboxen aus dem Rückwärtsgang in Extraklasse ließ er seinem überforderten Kontrahenten nicht den Hauch einer Chance und zwang den Mann, der sich „Pitbull“ nennt, dazu, ebenfalls nach Runde vier winselnd den Schwanz einzuziehen.

Treffsicher: Abass Baraou (rechts) im Duell mit dem Mexikaner Abraham Juarez.
Treffsicher: Abass Baraou (rechts) im Duell mit dem Mexikaner Abraham Juarez. © dpa

Baraou: „Ich bin sehr glücklich mit meiner Leistung“

Baraou, aufgewachsen in Oberhausen und aktuell in Berlin zu Hause, hatte im August 2017 in Hamburg WM-Bronze im olympischen Boxen gewonnen. Seitdem hat er, genau wie Harutyunyan, neun Siege in neun Profikämpfen geschafft, sechs davon vorzeitig. Und auch der Sohn togolesischer Eltern hat technische Anlagen, die darauf hoffen lassen, dass Deutschland mittelfristig auch in den bedeutenden vier Weltverbänden wieder einen oder gar mehrere Champions wird stellen können.

„Ich bin sehr glücklich mit meiner Leistung und war ehrlich gesagt überrascht davon, dass es so gut lief“, sagte er. Anfangs habe er zu viel Tempo gemacht, „dann habe ich mich daran erinnert, dass der Kampf auf zehn Runden angesetzt war, und mit der Ruhe kam dann die frühe Entscheidung.“ Die nächste Entscheidung, die ansteht, ist die in der Trainerfrage. „Ich werde mir jetzt ein paar Optionen anschauen. Ob es ein deutscher oder ein internationaler Trainer wird, weiß ich noch nicht. Wichtig ist nur, dass er mich weiterbringt“, sagte Baraou.

Sein nächster Auftritt im Ring dürfte unabhängig davon, wer ihm in der Ecke sekundiert, erneut in Hamburg stattfinden. Promoter Kalle Sauerland möchte sein Juwel gern am 4. April im ZDF boxen sehen. „Wir haben zwar auch schon Anfragen aus den USA von ESPN und DAZN. Aber ein Mann wie Abass muss in Deutschland vor großem Publikum zu sehen sein“, sagte er.