Wien. Juri Schewzow, der bei der EM Deutschlands nächsten Gegner Weißrussland trainiert, hat auch den deutschen Vereinshandball geprägt.

Es dauerte einen Moment, bis Juri Schewzow seinen Fehler bemerkte. Der 60-Jährige sprach und stutzte, als ihn Journalisten des weißrussischen Fernsehens in der Wiener Stadthalle interviewten und dabei plötzlich irritiert anstarrten. Der Trainer der weißrussischen Handballer hatte zuvor noch mit deutschen Reportern gesprochen – und nun einfach auf Deutsch weitergeredet, als er vor seinen Landsleuten stand. Schewzow lachte, so wie er es bei dieser Handball-EM schön häufig getan hat. In der Vorrunde gelangen seinem Team Erfolge über Serbien (35:30) und Montenegro (36:27), nur Mitfavorit Kroatien (23:31) war eine Nummer zu groß. Weißrussland winkt die beste Platzierung seiner EM-Geschichte.

Juri Schewzow : Spieler und Trainer in der Handball-Bundesliga

Das ist in erster Linie Schewzows Verdienst. Er ist nicht nur eine Trainerlegende in seinem Land, sondern auch in Deutschland bekannt. 1992 kam er von Minsk nach Berlin und spielte für den damaligen Bundesligisten Blau-Weiß Spandau, den er nach dem Abstieg als Trainer übernahm. Es folgte eine erfolgreiche Karriere: Mit dem TBV Lemgo gewann er in seiner ersten Saison Meisterschaft und Pokal (1997), mit Tusem Essen 2005 den EHF-Pokal. Danach ging er zum damaligen Zweitligisten SG Kronau/Östringen – den späteren Rhein-Neckar Löwen, mit denen er 2008 in die Champions League einzog. Einer seiner eifrigsten Schüler: Deutschlands Kapitän Uwe Gensheimer. „Das war für mich der Einstieg in den Männer-Handball“, berichtete der 33-Jährige. „Er war ein großer Förderer von mir - auch wenn ich oftmals angebrüllt wurde.“

Schewzows Spielphilosophie für Weißrussland ist erfolgreich

Konter, Angriff, Tor lautet Schewzows Spielphilosophie, mit der er auch die weißrussische Nationalmannschaft zum Erfolgsteam formte. „Wir haben die beste Mannschaft seit 15 oder 20 Jahren“, sagt der Trainer, der die Arbeit in seinem Heimatland 2009 begann. Nach Rang zwölf 2014 und zwei zehnten Plätzen bei den jüngsten beiden Europameisterschaften qualifizierte sich das frühere Handball-Entwicklungsland schon zum vierten Mal hintereinander für die Hauptrunde.

Doch nicht alleine der Trainer ist der Star, auch seine Spieler haben sich in der Handballwelt einen Namen gemacht. Allen voran Kreisläufer Artem Karalek, Teamkollege von Deutschlands Torhüter Andreas Wolff beim polnischen Spitzenklub Vive Kielce. Karalek hat bereits 19 Treffer erzielt, 76 Prozent seiner Würfe landeten im gegnerischen Tor. Zum Vergleich: Der normalerweise treffsichere Gensheimer hat bisher zehnmal getroffen mit einer Effektivität von 63 Prozent. Insgesamt erzielte Weißrussland in der Vorrunde 94 Tore - sechs mehr als der WM-Vierte.