Melbourne. Die Rückkehr des Polen in die Formel 1 wird von Skepsis begleitet. Der 34-Jährige kann nur mit einer Hand lenken. Ob das gut geht?

Die Jagd nach der zweiten Chance in der für gewöhnlich unverzeihlichen Formel 1 ist schon für so manchen Fahrer zum einzigen Lebensinhalt geworden. Das gilt erst recht für Robert Kubica. Lange schien eine Rückkehr des schlaksigen Mannes aus Krakau in die Königsklasse des Motorsports wegen seiner Behinderung höchst unwahrscheinlich, doch der Sport ließ ihn einfach nicht los. Nun ist der hochbegabte Pilot zurück, doch Zweifel werden Kubica in den kommenden Monaten begleiten. Genauer gesagt schon ab Sonntag beim Saisonauftakt, wenn er beim Großen Preis von Australien in Melbourne (6.10 Uhr/RTL) nach acht Jahren Abwesenheit in den Rennzirkus zurückkehren wird – und nur mit links fährt.

Bestenfalls halbe Kraft in der Hand

Kubicas Schicksal ist eine der bemerkenswertesten Geschichten vor der 70. WM-Saison. Acht Jahre nach seinem letzten Rennen gibt der Pole ein Comeback, das sogar die Rückkehr von Niki Lauda nach dessen Feuerunfall 1976 in den Schatten stellt. Nach einem Rallye-Crash in Italien, den er knapp überlebte, hätte dem früheren BMW-Werksfahrer fast der rechte Arm amputiert werden müssen. Eine Leitplanke hatte sich in sein Auto gebohrt, bis heute ist der Arm von Narben gezeichnet. Fürs Rennfahren ist die Hand kaum zu gebrauchen, bestenfalls hat er die halbe Kraft von früher. Aber sie kann das Lenkrad stabilisieren. Alles andere im Cockpit des Williams-Rennwagens wird zur linken Tour.

Ein Mineralölkonzern finanziert Kubicas Cockpitplatz

Kubicas 77. Grand Prix muss die Antwort auf die bange Frage geben: Geht so was überhaupt? Der Mann mit der markanten Hakennase braucht ein Ziel, und sei es noch so schwer zu erreichen. „Ich bin am Ende einer langen Reise angekommen, und sie hat ein Happy-end. Dass ich es überhaupt so weit geschafft habe, ist meine größte Leistung. Allerdings beginnt die Arbeit jetzt erst richtig“, sagt der 34-Jährige, der von einem polnischen Mineralölkonzern eine zweistellige Millionensumme als Mitgift für das englische Team bekommen hat.

„Er ist einer der talentiertesten Fahrer, gegen die ich je angetreten bin. Es ist toll für den Sport, dass er zurück ist“, sagt Weltmeister Lewis Hamilton voller Vorfreude auf das Wiedersehen auf der Strecke. Kurz vor seinem verhängnisvollen Horror-Crash hatte Kubica schließlich nicht umsonst einen Vorvertrag bei Ferrari unterzeichnet.

Der Emmericher Nico Hülkenberg hingegen ist skeptisch, ob Kubica körperlich mithalten kann, obwohl die Schaltung im Auto eigens umgebaut wurde. Was ist, wenn es bei hohem Tempo zu unübersichtlichen Situationen kommt, bei denen andere schon mit zwei Händen genug zu tun haben? Dafür aber gibt es Tests des Weltverbands, die Kubica bestanden haben muss – sonst hätte er die Rennlizenz nicht erhalten. Trotzdem ist es stets ein schmaler Grat, auf dem die Protagonisten dieses Sports balancieren müssen. Kubica zu seiner brenzligen Situation: „Der Körper stellt sich auf die Kräfte ein, deine Reaktionen auch. Es gibt so viele Fragezeichen. Ich weiß vielleicht 20 Prozent der Dinge, die ich vor Australien wissen sollte.“

Der Arbeitgeber steckt in der Krise

Erschwert wird die Rückkehr durch den desolaten Zustand seines Arbeitgebers: Der Traditionsrennstall Williams ist ein Problemfall, hat seine Neukonstruktion zu spät fertiggestellt und muss sie nach Regelverstößen auch noch umbauen, Technikchef Paddy Lowe nahm seinen Hut. Doch wenn es einen gibt, der mit Hiobsbotschaften klar kommt, dann ist es wohl Kubica, der lediglich 268 Proberunden mit seinem neuen Dienstwagen drehen konnte, die etablierten Piloten kamen auf das Dreifache. „Uns alle hat schwer beeindruckt, was Robert erreicht hat, welche Charakterstärke er an den Tag legt. Wir brauchen jetzt seinen Kampfgeist“, sagt Claire Williams tapfer, seine Chefin.

Es geht auch ums Überleben des letzten unabhängigen Privatrennstalls. Eine Zweckgemeinschaft der Verzweifelten?