Berlin. Martin Strobel leitet bei der WM die Angriffe der deutschen Handballer. Vor dem Turnier wurde seine Nominierung aber kritisiert.

In den vergangenen Tagen ist Martin Strobel ins Schwärmen geraten. Nach dem 25:25 gegen Frankreich am Dienstag sprach er von einem „Wahnsinnsspiel”, nach dem abschließenden 31:23-Vorrundensieg gegen Serbien am Donnerstag sah er eine „sehr gute Leistung”. Man könnte glauben, Martin Strobel würde bei diesen Worten euphorisch wirken. Zumindest mal lächeln. Tut Martin Strobel aber fast nie.

Meist steht er da in der Interviewzone, die Gesichtszüge stoisch, die Sätze knapp. Strobel cool zu nennen wäre so untertrieben, wie den souveränen Hauptrundeneinzug der deutschen Handballer bei der WM als „ganz okay” zu bezeichnen. Wäre er Schauspieler, wäre er bei einem Remake von Top Gun die Idealbesetzung des „Iceman”. Nicht aus der Ruhe zu bringen. Und so blickt Strobel auch unaufgeregt auf den Hauptrundenstart heute in Köln gegen den Gruppendritten der Vorrunde Island (20.30 Uhr/ARD). Keine Schwärmerei über die zu erwartende Kulisse von 19.000 Zuschauern, kein Wort über das große Ziel Halbfinale. Nur ein knappes „Weiter geht’s!”

DHB-Team hat das Ziel Halbfinale in eigener Hand

Weiter geht’s! Heute gegen Island, am Montag gegen Kroatien und am Mittwoch gegen Spanien. Die deutsche Nationalmannschaft kommt als Vorrundenzweiter nach Köln, mit den aus Berlin mitgenommenen 3:1 Punkten hat sie das Weiterkommen in eigener Hand. Sprich: auch in der Hand von Martin Strobel.

Der 32-Jährige spielt auf der Position Rückraum Mitte. Er ist der Spielmacher, er leitet die deutschen Angriffe. Martin Strobel gilt als klassischer Vertreter auf dieser Position. Er weiß die gegnerische Abwehr zu lesen, setzt die Mitspieler in Szene, seine Pässe sind schnell und präzise. Er spielt schnörkellos, unspektakulär, eher selten glänzt er mit Alleingängen. Man könnte seinen Spielstil fast als spießig bezeichnen. Zumindest wenn man den von Strobel mit dem von Fabian Wiede vergleicht. Sein Ersatzmann aus Berlin ist 24 Jahre alt und weiß durch seine Dynamik und spektakuläre Würfe zu überzeugen. Beide ergänzen sich gut, auf der einen Seite der schnörkellose Routinier, auf der anderen der aufstrebende Star.

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Routine war es aber, die Deutschland in der jüngsten Vergangenheit fehlte. Die EM 2018 geriet auch zu einem Debakel, weil es im Angriff mächtig hakte, weil der junge Leipziger Philipp Weber als Regisseur überfordert war. Im Herbst griff Bundestrainer Christian Prokop also zum Telefon und klingelte bei Strobel durch. Einem verdienten Nationalspieler, der 2016 Europameister war und Olympiabronze geholt hatte. Der sich danach jedoch aus dem Nationalteam verabschiedet hatte und mit seinem schwäbischen Verein HBW Balingen-Weilstetten nur in der 2. Liga spielt. War Prokop etwa so verzweifelt, dass er auf einen Zweitligaspieler beim Turnier der Weltbesten zurückgreifen musste? Beobachter reagierten irritiert, doch Strobel zuckte nur mit den Schultern: „Ich habe die Kritik an der Nominierung nicht wirklich wahrgenommen. Das ist die Entscheidung des Bundestrainers”, sagte er dieser Zeitung vor dem Turnierstart.

Höchstes Lob von DHB-Vizepräsident Hanning

Für Bob Hanning, Vizepräsident des Deutschen Handballbundes, führt derzeit ohnehin kein Weg am erfahrenen Spielmacher vorbei. „Er macht das einfach nur großartig. Martin bringt Struktur in unseren Rückraum und setzt seine Mitspieler wie Steffen Fäth gut ein. Er ist die größte Erneuerung für unser Spiel im Vergleich zur EM.”