La Rosière. Marcel Kittel hat bei der ersten Bergankunft das Ziel zu spät erreicht. Das Tour-Debakel ist für Deutschlands Top-Sprinter perfekt.

Er wusste es wahrscheinlich schon, bevor er die Ziellinie in La Rosière überquerte. Das würden seine letzten Meter bei der 105. Tour de France sein. Noch einmal zog Marcel Kittel einen Sprint an, das Publikum applaudierte. Hinter dem Zielstrich ließ er sich gegen das Absperrgitter fallen, völlig erledigt, völlig enttäuscht. Der 30-jährige Arnstädter hatte beim Sieg von Sky-Fahrer Geraint Thomas das Zeitlimit nicht geschafft. Um mehr als zehn Minuten verpasste Deutschlands Top-Sprinter das 108,5 Kilometer entfernte Ziel.

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Während André Greipel (Lotto-Soudal) sich auf den Bergen achtbar schlug, musste auch Ex-Weltmeister Mark Cavendish (Dimension-Data) die Koffer packen. Kittels Teamkollege Rick Zabel, der 31:12 Minuten Rückstand hatte und kurz vor dem Sprinter das Ziel erreichte, war zunächst auch aus der Ergebnisliste gestrichen, kurz darauf aber wieder einsortiert worden. Nach dem Ausfall von Tony Martin, der sich einen Wirbelbruch auf der achten Etappe nach Amiens zugezogen hatte, ist das Katusha-Team damit nur noch zu fünft. Zuvor war bereits der Kroate Robert Kiserlovski nach einem Sturz ausgeschieden.

Kittel bleibt hinter den Erwartungen zurück

Für Marcel Kittel ist das Tour-Debakel damit perfekt. In Amiens hatte er einen Albtraum erlebt, als er erneut ohne Chance ins Ziel kam. Unmittelbar nach dem Rennen war er zum Teambus gefahren, hatte sein Rad dagegen gedonnert und im Inneren des Busses laut geschrien. Seine Reaktion sagte alles über seine Stimmung aus. Nach fünf Etappensiegen 2017 und dem Wechsel von Quick-Step zu Katusha blieb Kittel bei dieser Tour weit hinter den Erwartungen zurück. Bestes Resultat: Platz drei zum Auftakt. In Chartres fuhr er gar als 118. ins Ziel.

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Zu enttäuschenden sportlichen Leistungen kamen interne Querelen. Vor dem Rennen in Amiens hatte der Sportliche Leiter Dimitri Konischew Kittel in der L’Equipe Egoismus vorgeworfen. „Wir bezahlen ihm eine Menge Geld, aber er interessiert sich nur für sich.“ Konischew ging sogar so weit, Interna auszuplaudern. Während einer Mannschaftssitzung habe Kittel nur auf sein Handy geschaut. Kittels Manager Jörg Werner erklärte in der ARD, er habe sich den Wetterbericht für die kommende Etappe angeschaut.

Debatte dürfte sich nach Tour-Aus verschärfen

„Sehr unsauber“, fand Radsportlegende Jens Voigt das Vorgehen des 52 Jahre alten Russen. Und auch Kittel war angefressen. „Das hat mich sehr geärgert. Vor allem, dass ich davon aus den Zeitungen erfuhr, wobei wir uns doch täglich sehen“, sagte er am Montag. Es habe aber ein klärendes Gespräch mit Konischew gegeben. An einen Abschied von Katusha würde er nicht denken. „Das ist überhaupt kein Thema.“

Das war am Ruhetag. Nach dem Tour-Aus dürfte sich die Debatte noch einmal verschärfen.