Aix-les-Bains. John Degenkolb genoss seinen Tour-Etappensieg am Ruhetag. In den kommenden Tagen stehen die Bergetappen durch die Alpen an.

John Degenkolb war froh, als er in den Flieger stieg. Kein Internet. Keine Nachrichten. Kein Facebook oder Twitter. Kopfhörer auf, Musik an, irgendeinen wilden Mix, und Ruhe. Nur „Dege“ und sein herausragender Sieg auf der neunten Etappe von Arras nach Roubaix. „Es war schön, einen Moment nur für sich im Kopf zu haben“, erzählte der 29-jährige Geraer am Montag im Teamhotel von Trek-Segafredo in Aix-les-Bains.

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„Man ertappt sich ja doch, dass man immer wieder in den Social-Media-Kanälen nachschaut.“ Dort rieselten die Glückwünsche auf ihn ein, genauso wie in der Whatsapp-Gruppe der zu Beginn elf deutschen Tour-Fahrer. „Selbst Tony Martin hat direkt geschrieben“, berichtete Degenkolb. Wohlgemerkt mit einem Wirbelbruch. Nach seinem Sturz auf dem Kopfsteinpflaster am Samstag war der 33-Jährige bereits abgereist.

Tour-Höhepunkt Alpe d'Huez am Donnerstag

Im Flieger fand Degenkolb eine Stunde Zeit, die Bilder und Erinnerungen zu sortieren: die historischen Siege bei den Klassikern Paris-Roubaix und Mailand-Sanremo vor drei Jahren, der schwere Verkehrsunfall 2016, als er fast seinen linken Zeigefinger verlor, die unzähligen Verletzungen, der Tod eines engen Freundes im vergangenen Jahr, der Sturz und die Knieverletzung in Roubaix im Frühjahr 2018 und die vierwöchige Pause.

Die Erfahrungen, das Pech, die Schicksalsschläge haben Degenkolb ruhiger, gelassener gemacht. „Man sieht entspannter und reflektierter auf das Ganze. Die schönen Momente und Erfolge kann man noch mehr genießen“, hatte er vor der Tour gesagt. Seine Karriere sei bis zum Unfall in Spanien „immer steil bergauf gegangen“. Danach ging es bergab, Erfolge wie in Roubaix feierte Degenkolb nicht mehr. Bis Sonntag.

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„Es war immer mein großer Traum, bei der Tour zu gewinnen.“ Viele hätten ihm das nicht mehr zugetraut, hatte Degenkolb nach dem Rennen gesagt. Seine Frau Laura und seine Familie hätten ihm dann die nötige Stärke gegeben. Laura Degenkolb und die zwei gemeinsamen Kinder besuchten ihn auch am Ruhetag in Aix-les-Bains. „Wir haben gemeinsam am See einen Kaffee getrunken. Das war sehr schön.“ Ein letzter schöner Moment, bevor die Tortour in den Bergen losgeht. In den kommenden Tagen stehen die Bergetappen durch die Alpen mit dem Höhepunkt Alpe d’Huez am Donnerstag an. „Jetzt ist es wichtig, dass Bauke die nächsten Tage übersteht“, sagt der 29-Jährige. Kapitän Mollema ist der Trek-Fahrer fürs Gesamtklasement. Und Degenkolb? Will er nochmal angreifen? „Wenn man eine Etappe gewinnt, liebäugelt man auch mit einer zweiten.“

Kittels Resultate liegen weit hinter den Erwartungen

Zu diesem einen Sieg fehlte Marcel Kittel bislang der Punch. Für den mit so vielen Hoffnungen gestarteten Thüringer entwickelte sich die Tour zu einem Debakel. Den dritten Platz bei der ersten Etappe konnte er nicht mehr toppen, im Gegenteil: in Chartres fuhr er als 118. Ins Ziel, in Amiens chancenlos als 15. Der Katusha-Kapitän donnerte danach sein Rad gegen den Mannschaftsbus; eine Reaktion auf die Resultate, die weit hinter den Erwartungen zurücklagen, und sicherlich auch auf die internen Querelen. In der französischen Zeitung L’Equipe hatte der sportliche Leiter Dimitri Konischew Kittel Egoismus vorgeworfen. Katusha bemühte sich danach um Schadensbegrenzung. Am Ruhetag sollte ein Pressetermin mit dem französischen Profi-Basketballer Tony Parker die Stimmung heben. Auf Instagram bedankte sich Kittel für die Unterstützung seiner Fans „vor allem in den Zeiten, wenn mich Leute kritisieren, von denen ich es nicht erwartet hätte“.

Im Teamhotel in Albertville fügte er vor Journalisten hinzu, er werde in den Alpen nicht aufgeben. „Es ist keine Option, das Handtuch in den Ring zu werfen.“ Stattdessen rechnet sich der vierzehnfache Etappensieger noch zwei Chancen aus: auf der 18. Etappe nach Pau und beim Finale auf dem Pariser Champs-Élysées.