Gelsenkirchen. Im letzten Länderspiel des Jahres zeigt das DFB-Team lange seine beste Leistung - und spielt doch nur 2:2 gegen die Niederlande.

Für einen kleinen Moment geriet die Stimmung sogar noch fast feierlich. Thomas Müller stand da. Jener Müller, der für den Aufstieg der deutschen Fußball-Nationalmannschaft zu weltmeisterlichem Ruhm stand. Jener Müller, der aber nun auch eines der Gesichter des Abschwungs ist. Der Lautstärke-Pegel geriet kurz noch einmal in den roten Bereich. Einwechslung nach 65 Minuten. 100. Länderspiel. Es war wie die Ehrung fürs Lebenswerk an einem Abend, an dem die jüngere Generation das missratene Länderspiel-Jahr mit einem 2:2 (2:0) in der Nations League gegen die Niederlande beendete und bewies, dass Hoffnung auf eine gute Zukunft berechtigt ist, dass aber der Weg auch noch weit ist.

Denn der Weltmeister von 2014 verspielte in den letzten Sekunden der Partie eine 2:0-Führung und damit den sicher geglaubten Sieg, der dem Deutschen Fußball-Bund den Status als eine der zehn Top-Nationen garantiert hätte. Damit wäre man bei der Auslosung für die EM-Qualifikationsgruppen im Dezember gesetzt gewesen. Nun ist die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw am Dienstagabend auf portugiesische Schützenhilfe gegen Polen angewiesen. Dr Abstieg aus der Elite-Gruppe der Nations League war schon vor dem Anpfiff nicht mehr zu verhindern gewesen. Das Unentschieden in Gelsenkirchen reicht den Niederlanden für den Einzug in die Endrunde der Nations League.

Dass sich diese deutsche Mannschaft durchaus vorgenommen hatte, Revanche zu nehmen an jenem Gegner, der ihr vor einem Monat eine schmerzhafte 0:3-Niederlage zugefügt hatte, war schnell erkennbar. Keine 30 Sekunden waren gespielt, als Thilo Kehrer im Strafraum auftauchte und – zugegeben – nicht gerade knapp über das Tor schoss. Aber das Signal lautete: mutig nach vorn, gern was wagen!

Zweiter Schuss, zweiter Treffer

Es wurde offenbar vernommen: Einen feinen Pass aus dem Mittelfeld leitete Serge Gnabry direkt weiter, Timo Werner nahm den Ball mit dem Kopf mit und zog entschlossen noch vor der Strafraumgrenze ab. 1:0 für die deutsche Mannschaft nach nur neun Minuten. Es war der erste Treffer des Nationalspielers Werner seit Juni und 751 langen Spielminuten. Mangelnde Effizienz war nicht nur sein Problem, sondern das der ganzen Mannschaft. Aber nicht an diesem Abend.

Denn auch der zweite gefährliche Schuss landete direkt im Tor. Toni Kroos – für Kai Havertz in die Startformation gerückt ebenso wie Mats Hummels (für Matthias Ginter) und Nico Schulz (für Jonas Hector) – hatte Leroy Sané fein auf die Reise geschickt – und der ehemalige Schalker traf mit seinem abgefälschten Schuss ebenfalls von der Strafraumgrenze (19.).

Mark Forster statt Oliver Pocher

Eine gute Gelegenheit noch einmal hinzuhören. Ja, doch, tatsächlich: Gejubelt wird jetzt offenbar nicht mehr mit Oli Pochers eher ungeliebten und angestaubten „Schwarz und Weiß“, sondern mit Mark Forsters „Und die Chöre singen für dich“. Der Umbruch hat also auch die musikalische Untermalung erreicht. Aber – viel wichtiger – auf dem Platz war er ebenfalls wieder zu erkennen. Da war Tempo, Dynamik, Zielstrebigkeit und sogar Spielwitz zu sehen. Gnabry hätte beinahe noch vor der Pause per Kopfball noch hübschem Angriff erhöht (40.).

Dass es aber auch noch ein weiter Weg sein wird für die deutsche Mannschaft, nach diesem missratenen Jahr 2018 die Zuneigung der Fans zurückzugewinnen, wurde auch deutlich. Die Stimmung in der bei weitem nicht ausverkauften Arena geriet über weitere Strecken betrüblich. Es herrschte Stille. Und das obwohl die Niederlande, der ein Unentschieden zum Einzug in die Finalrunde der Nations League genügt hätte, in Halbzeit eins nur eine Torchance verzeichnete – durch eine verunglückte Kopfballabwehr Niklas Süles (34.).

Gefährlicher - aber glücklos

Deutschland blieb auch in der zweiten Halbzeit die gefährlichere Mannschaft. Werner zog recht allein Richtung Tor, schloss aber zu unüberlegt ab (62.). Und auch Leroy Sané schaffte es nicht, das Zuspiel des eingewechselten Marco Reus aus kürzester Distanz über die Torlinie zu bringen, weil er im letzten Moment noch gestört wurde (72.).

Und so geriet der Sieg noch einmal in Gefahr. Zunächst musste Manuel Neuer gegen Memphis Depay retten (78.). Anschließend verdaddelten Joshua Kimmich und Leon Goretzka gemeinschaftlich den Ball am eigenen Strafraum. Quincy Prmoes bestrafte dies mit dem Anschlusstreffer (85.). Die Nachspielzeit hatte bereits begonnen, als Virgil van Dijk zum Ausgleich traf – und den Eindruck eines gelungenen Fußball-Abends deutlich eintrübte.