Amsterdam. Der Schalker Mark Uth ist der 100. Debütant unter Bundestrainer Löw. Das zeigt, wie sich der deutsche Fußball entwickelt hat.

Die beiden Männer, mit denen im deutschen Fußball eine neue Zeitrechnung begann, führen heute eine Shishabar auf Mallorca oder lassen sich zum Golflehrer ausbilden beim GC Hubbelrath.

Malik Fathi und Manuel Friedrich sind Fußballrentner. Fathi, der ehemalige Linksverteidiger von Hertha BSC, hat im Sommer seine Karriere beim spanischen Drittligisten Atletico Baleares beendet. Das Knie war irgendwann kaputt. Nun gehört ihm ein Lokal, in dem man Wasserpfeife rauchen kann an der Promenade von Palma. Der 34-Jährige studierte zudem Sportmanagement und strebt einen Job als Mentaltrainer an. Manuel Friedrich hingegen zog es nach seiner Bundesligakarriere bei Mainz, Leverkusen und Dortmund in die indische Liga. Der 39-Jährige war stets ein Andersdenkender. Und weil ihm die vorgeschriebene Laufbahn der allermeisten Ex-Profis missfiel, im TV über die alten Kollegen zu richten, zog Friedrich eben das Golfen vor. Malik Fathi und Manuel Friedrich, zwei Namen, die klingen wie mindestens aus dem vorletzten Fußball-Jahrhundert, mit denen aber anfing, was heute immer noch die deutsche Gegenwart ist.

"Volle Kraft voraus"

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Bundestrainer Joachim Löw hat für die Partie gegen die Niederlande in der Nations League am Samstag erstmals den Schalker Stürmer Mark Uth nominiert. Mit seinem Einsatz ist der 27-Jährige der 100. Debütant unter Löw in der deutschen Nationalmannschaft. Die beiden allerersten waren Fathi und Friedrich vor mehr als zwölf Jahren. Damals, als Löw nach der WM 2006 vom Klinsmann-Assistenten zum Bundestrainer befördert wurde und am 16. August in Gelsenkirchen sein erstes Spiel als Chef bestritt. In der Abwehr im Test gegen Schweden standen Jens Nowotny und Marcell Jansen. Im Mittelfeld kurbelten Tim Borowski und Torsten Frings das Spiel an. Die Treffer beim 3:0 erzielten Bernd Schneider und zweimal Miroslav Klose. Löw boxte im schwarzen Anzug eine Siegerfaust in den Abendhimmel und in der Fankurve hatte jemand einen Banner entrollte: „Volle Kraft voraus.“ Der deutsche Fußball machte sich auf in eine erfolgreiche Zeit.

Fathi und Friedrich wurden beide zur zweiten Halbzeit eingewechselt für Jansen und Arne Friedrich. Fathi beschrieb das später so: „Was man eben so eine geile Zeit nennt.“ Es waren die ersten beiden von nun 100 erfüllten Träumen von einer Nationalelfkarriere unter Löw. Aber weder Fathi noch Friedrich sollten sonderlich tiefe Spuren in der DFB-Auswahl hinterlassen. Fathi bestritt nur noch ein weiteres Länderspiel – ein 2:0 gegen Georgien. Friedrich immerhin, der erste Mainzer Nationalspieler überhaupt, machte neun Länderspiele, bis er 2009 einsah: „Der Nationaltrainer hat andere Spieler auf dem Zettel, das ist nachvollziehbar.“

Tragische Heldengeschichte von Schalker Pander

Dass beide Löws erste Neulinge wurden, war einer Notlage im deutschen Fußball geschuldet. Die Nationalelf habe „ein Problem in der Abwehr, das wir angehen müssen“, analysierte der Neu-Bundestrainer Löw 2006. Fathi wurde nur nachnominiert, weil sich mehrere Abwehrspieler verletzt abmeldeten. Einer der nächsten Debütanten unter Löw war dann auch ein gewisser Alexander Madlung, bei Hertha BSC ausgebildet und nicht gerade ein feinfüßiger Innenverteidiger. Er sollte nur zwei Länderspiele machen dürfen. Schlimmer noch war die Not auf den Außenverteidigerpositionen – und heute ist sie es wieder. Der Schalker Christian Pander hätte 2007 Abhilfen leisten können.

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Sein Debüt wurde eine Heldengeschichte. Mit seinem strammen Weitschusstor zum 2:1 gegen England am 22.August 2007 sorgte der Linksverteidiger für den ersten deutschen Sieg im neuen Wembley-Stadion. „Er hat ein hervorragendes Spiel gemacht“, lobte Löw damals. Aber bei seinem zweiten Einsatz zwei Wochen danach gegen Wales verletzte sich Pander. „Der Anfang vom Ende“, sagte er später. Wegen zahlreicher Verletzungen kam Pander nie wieder zurück.

Beinahe vergessene Profis

In Löws Debütantenhistorie finden sich auch Profis, die man fast schon vergessen hat: der Hoffenheimer Tobias Weis zum Beispiel. Sein einziges Länderspiel machte er 2009 für 24 Minuten gegen die Vereinten Arabischen Emirate. In jener Partie debütierte auch ein gewisser Manuel Neuer im deutschen Tor. Heute spielt Weis beim Oberligisten FSV 08 Bissingen. Und dann gab es Spieler, die für Deutschland debütierten, aber später Karrieren in anderen Nationalteams machten: die ehemaligen Schalker Jermaine Jones (Debüt 2008/danach USA) oder Roman Neustädter (Debüt 2012/danach Russland). Neun Neulinge ließ Löw in seiner Zeit kein zweites Mal auflaufen: Marvin Compper (2008), Maximilian Arnold, Oliver Sorg, Andre Hahn, Sebastian Jung, Christian Günter (alle in einem Benefizspiel gegen Polen vor der WM 2014), Yannick Gerhardt (2016) sowie Diego Demme und Marcel Halstenberg (beide 2017).

Nico Schulz ist jetzt zumindest zum zweiten Mal dabei. Der Berliner und Ex-Herthaner machte es bei seinem Debüt im September gegen Peru wie einst Christian Pander in Wembley: Im Testspiel, als der Linksverteidiger erstmals für die Nationalelf auflief, traf er kurz vor Schluss zum 2:1-Sieg. Schulz wurde Löws 97. Debütant. Der 97. erfüllte Traum war also auch für den deutschen Fußball ein Gewinn.