Essen. Manuel Neuer wird heute in Spanien Deutschlands Rekordnationaltorhüter. Vorgänger Sepp Maier gratuliert, Bundestrainer Joachim Löw schwärmt.

Die Nationalmannschaft kann sich wieder sehen lassen. Und das in jeglicher Hinsicht. So reiste der DFB-Tross am Montagvormittag nicht nur als Tabellenführer der Gruppe 4 nach Spanien, um an diesem Dienstag (20.45 Uhr/ARD) in Sevilla den Einzug ins Halbfinale der Nations League im Oktober 2021 perfekt zu machen. „La Mannschaft“ sah auch optisch gut aus, als sie um kurz vor 13 Uhr nach drei Stunden Flug aus dem Charterflieger ausstieg.

Manuel Neuer zum Beispiel. Im dunklen, modischen Jäckchen, dazu eine dunkle Hose mit Nadelstreifen und ein weißes Hemd, passend zu den weißen Sneakern. Sehr elegant sah das alles aus. Oder wie der Spanier zu sagen pflegt: elegante.

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Es dauerte bis zum frühen Abend, ehe die Löwsche Boygroup ihre Ausgehkleidung wieder gegen Trainingsanzüge tauschte und pünktlich um 17.30 Uhr zum Abschlusstraining im Estadio Olímpico de La Cartuja vorfuhr. Wie üblich durften auch die (wenigen) mitgereisten Medienvertreter, die sich von Inzidenzwerten vergleichbar mit der Kabine von 1899 Hoffenheim nicht abschrecken ließen, die ersten 15 Minuten beim Training zuschauen.

Und so gerne die Journalisten normalerweise auch beim Rest zuschauen, um neue Erkenntnisse im Hinblick auf die Startelf zu gewinnen, hielt sich die Enttäuschung der Reporter diesmal in Grenzen, als sie freundlich dazu aufgefordert wurden, das Olympiastadion bitte zu verlassen. Der Hintergrund: Im Prinzip ist ohnehin schon alles klar.

Anders als sonst macht Bundestrainer Joachim Löw vor dem Spiel gegen Spanien kein großes Geheimnis um die Startelf. Hinten wohl wieder mit Ginter, Süle, Koch und Max, wobei Süle angeschlagen wackelt. Im Mittelfeld wahrscheinlich mit Goretzka, Gündogan und Kroos. Und vorne aller Wahrscheinlichkeit nach mit Sané, Werner und Gnabry. Die einzige Position, bei der man sich „wohl“, „wahrscheinlich“ und „aller Wahrscheinlichkeit nach“ getrost sparen kann, ist die des Torhüters. Dort spielt Neuer. Mit Sicherheit. Auf jeden Fall. Ganz bestimmt.

Manuel Neuer seit elf Jahren bei der Nationalmannschaft

Der 34 Jahre alte Methusalem-Keeper saß eine Dreiviertelstunde vor dem Abschlusstraining im Presseraum des Olympiastadions, lächelte freundlich und wehrte statt Schüssen eine Frage nach der anderen ab. Das Länderspieljahr 2020? „Wir können zufrieden sein.“ Die Probleme in der Abwehr? „Zu viele Gegentore.“ Sergio Ramos‘ Elfmeterbilanz? „Er wird sicher wieder antreten.“ So ging das gut 20 Minuten lang – wie gefühlt seit 20 Jahren.

Tatsächlich sind es elf Jahre, seitdem Neuer bei der Nationalmannschaft dabei ist, seit zehn Jahren ist er unumstrittener Stammtorhüter. Er spielte drei Weltmeisterschaften, wird im Sommer seine dritte Europameisterschaft bestreiten – und steht an diesem Abend in Sevilla zum 96. Mal bei einem Länderspiel zwischen den Pfosten. Damit hat er Sepp Maiers bisherigen Rekord gebrochen – und erhielt prompt eine Glückwunschnachricht vom Meister. „Er hat mir geschrieben“, berichtete Neuer. „Natürlich bin ich stolz auf das, was ich in meiner Karriere erreicht habe.“

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Viel mehr wollte er über seinen eigenen Rekord dann aber auch nicht sprechen. Er müsse ja schließlich zum Training. Bundestrainer Löw war da wenig später schon etwas auskunftsfreudiger. Ach, der Manu, sagte Löw. Über den könne er so viel erzählen – und das tat er dann auch. „Seine Leistung spricht für sich“, sagte Löw. „Er hat uns eigentlich nie enttäuscht. Ganz im Gegenteil. Er hat uns mit seinen überragenden Leistungen immer überzeugt. Und er ist auch als Mensch, Spieler und Kapitän in den vergangenen Jahren sehr gereift.“

Manuel Neuer: Teamplayer und Wortführer

Natürlich musste eigentlich auch Löw jetzt zum Training, doch die Frage nach Manuel Neuer schien beim Bundestrainer einen Nerv getroffen zu haben. „Er ist ein sehr guter Teamplayer, der wirklich mit allen gut klar kommt. Der Manu ist sehr integrativ, spricht mit allen. Er vertritt eine klare Meinung, deswegen kann man mit ihm so gute Gespräche führen.“ Löws Schlusswort: „Besser kann man es eigentlich nicht machen. Er ist seit Jahren der beste Torhüter im Weltfußball. Für uns ist er Gold wert.“ Was der Nationaltrainer übrigens nicht sagte: Selbst im graublassen Trainingsanzug kann sich dieser Welttorhüter durchaus sehen lassen.