Magdeburg. Der Rundfunkbeitrag soll um 86 Cent erhöht werden. Jetzt hat Sachsen-Anhalt die Anpassung des Beitrages blockiert. Die Sender klagen.

  • Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Haseloff zog den Gesetzentwurf zum höheren Rundfunkbeitrag noch vor der finalen Abstimmung im Landtag zurück
  • Zuvor hatte er sich schriftlich bestätigen lassen, dass sich die Regierungskoalition nicht einig ist
  • Die SPD und die Grünen bleiben nach Haseloffs Beitragsblockade weiterhin in Koalition
  • Die Landtage in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern stimmten der Erhöhung des Rundfunkbeitrags ungeachtet der Blockade von Sachsen-Anhalt zu
  • AfD wertete den Rückzieher des Gesetzentwurfs als ihren Erfolg
  • Die öffentlich-rechtlichen Sender wollen nun vor das Bundesverfassungsgericht ziehen

Sachsen-Anhalt stoppt die Erhöhung des Rundfunkbeitrages. Die Landesregierung von Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) verhindert eine Abstimmung im Parlament. Damit ist die Beitragsanhebung bundesweit blockiert. Die mitregierenden Grünen kritisierten den Schritt, halten an der vom Bruch bedrohten Koalition aber fest – der Landesvorstand der Grünen habe am Dienstag einen entsprechenden Beschluss gefasst, sagte Parteichef Sebastian Striegel am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur.

Angesichts der schwierigen Lage durch die Corona-Situation folgte die Grünen-Spitze Striegels Vorschlag, an der Koalition festzuhalten. Auch für die Sozialdemokraten sei ein Verlassen der Regierung kein Thema, wie SPD-Fraktionschefin Katja Pähle dem Sender Bayern 2 am Mittwoch sagte. Die Arbeit mit der CDU werde fortgesetzt, schließlich brauche man in der Pandemie-Situation eine stabile Regierung. In Sachsen-Anhalt regieren CDU, SPD und Grüne gemeinsam.

Landtage in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern stimmen höherem Rundfunkbeitrag zu

Ungeachtet der Blockade durch Sachsen-Anhalt haben die Landtage in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern der Erhöhung des Rundfunkbeitrags zugestimmt. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) bezeichnete die Gebührenerhöhung als einen eigentlich ganz einfachen Sachverhalt nach einem klaren Verfahren. Aufgrund der Blockade gebe es nun voraussichtlich eine rechtliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, statt einer politischen.

„Das empfinde ich als eine Niederlage für die Politik, das muss ich sagen“, sagte Weil. Es sei zudem eine Niederlage für den Föderalismus, wenn 15 Bundesländer für die Erhöhung seien und ein einziges Bundesland die Entscheidung verweigere. Weil werte das als „Niederlage für die Demokratie.“

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) bedauerte, dass aus Sachsen-Anhalt keine Zustimmung zu erwarten sei, zeigte sich sich aber überzeugt, dass die Erhöhung trotzdem komme. Die Rundfunkanstalten hätten ein „gutes Recht“, diese nun einzuklagen. „Ich gehe davon aus, dass die Klage erfolgreich sein wird“, sagte Schwesig.

Rundfunkbeitrag: Die Grünen kritisieren das Handeln von Haseloffs CDU

Haseloff habe den Gesetzentwurf zum entsprechenden Staatsvertrag vor der entscheidenden Landtagssitzung zurückgenommen, hatte die Staatskanzlei am Dienstag mitgeteilt. Damit erübrige sich die weitere Befassung im Parlament. Faktisch bedeutet das eine Blockade der geplanten Beitragsanpassung – denn stimmen nicht alle Landesparlamente bis Jahresende zu, ist sie gekippt.

Die Staatskanzlei begründete den Schritt damit, dass sich CDU, SPD und Grüne nicht auf eine gemeinsame Haltung einigen konnten. Daraus folge, dass es im Landtag keine Mehrheit für das Vorhaben gebe. Damit scheint Haseloff seine zweite Baustelle im Koalitionsstreit zunächst gelöst zu haben: Die mitregierenden Grünen kritisierten das Agieren von Haseloffs CDU zwar, kündigten aber an, wegen der schwierigen Corona-Lage in der Regierung zu bleiben. Mehr zum Thema:Sachsen-Anhalt: Triumphiert die AfD wegen 86 Cent?

„In dieser schweren Situation können wir das Land nicht einer in der Tendenz handlungsunfähigen CDU überlassen – und erst recht nicht einer rechtsextremen AfD“, sagte Landes-Chef Sebastian Striegel. Grünen-Bundeschef Robert Habeck sagte der „Rheinischen Post“ und dem Bonner „General-Anzeiger“, der Landesverband habe seinen „vollen Respekt“ und seine Unterstützung.

Im Streit um den Rundfunkbeitrag ist ein vorzeitiges Aus der schwarz-rot-grünen Koalition in Sachsen-Anhalt vorerst abgewendet.
Im Streit um den Rundfunkbeitrag ist ein vorzeitiges Aus der schwarz-rot-grünen Koalition in Sachsen-Anhalt vorerst abgewendet. © dpa | Klaus-Dietmar Gabbert

Die CDU im Landtag begrüßte Haseloffs Entscheidung als richtig und konsequent. „Geradlinigkeit und Glaubwürdigkeit zahlen sich aus“, sagte der Medienpolitiker Markus Kurze laut Mitteilung. Harte Kritik kam von den Linken. „Das totale Scheitern des Ministerpräsidenten ist dokumentiert, die Führungslosigkeit der Bundes-CDU ein dramatisches Problem“, sagte der Vorsitzende der Bundestagsfraktion Dietmar Bartsch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

AfD wertet die Blockade des Rundfunkbeitrages als ihren Erfolg

„SPD und Grüne werden gedemütigt und sollten umgehend ihre Minister aus der Regierung zurückziehen.“ Die oppositionelle AfD wertete den Rückzieher des Gesetzentwurfs als ihren Erfolg. Es habe sich wiederholt gezeigt, „dass die AfD auch aus der Opposition heraus Wirkung entwickeln kann“, sagte die Chefin der AfD-Bundestagsfraktion Alice Weidel der Deutschen Presse-Agentur. Ohne die AfD wäre die Erhöhung des Beitrags „reibungslos und ohne Widerspruch durchgegangen“.

Die Christdemokraten hatten trotz zahlreicher Krisentreffen mit den Bündnispartnern ununterbrochen betont, auf keinen Fall einer Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 86 Cent auf 18,36 Euro zum 1. Januar 2021 zuzustimmen. SPD und Grüne wollten das Vorhaben aller Länder hingegen mittragen. Die CDU hätte ihr Veto auch gegen den Willen der Koalitionspartner mit den Stimmen der oppositionellen AfD durchsetzen können. Auch interessant: Sechsstellige Gehälter: Das verdienen die Chefs bei der ARD

Diese lehnt die Erhöhung und das System des Rundfunkbeitrags an sich ab. Eine gemeinsame Abstimmung seiner CDU mit der AfD wollte Haseloff aber auf jeden Fall vermeiden. SPD und Grüne hatten zudem angekündigt, im Fall eines gemeinsamen CDU-AfD-Vetos keine Zukunft mehr für die seit 2016 regierende bundesweit erste Kenia-Koalition zu sehen. Diesem Szenario geht Haseloff jetzt mit seinem Schritt zunächst aus dem Weg.

Warum zahlen wir den Rundfunkbeitrag?

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    „Das empfinde ich als eine Niederlage für die Politik, das muss ich sagen“, sagte Weil. Es sei zudem eine Niederlage für den Föderalismus, wenn 15 Bundesländer für die Erhöhung seien und ein einziges Bundesland die Entscheidung verweigere. Weil werte das als „Niederlage für die Demokratie.“

    Öffentlich-rechtliche Sender wollen wohl Erhöhung einklagen

    „Mit dieser Lösung geht die Koalition gefestigt aus der Krise hervor und wird ihre Arbeit zum Wohle des Landes bis zum Ende der Legislaturperiode fortsetzen.“ In Sachsen-Anhalt wird am 6. Juni 2021 gewählt. Was jetzt mit dem höheren Rundfunkbeitrag passiert, ist offen. Zahlreiche Ministerpräsidenten hatten in den vergangenen Tagen um Zustimmung zum Staatsvertrag aus Sachsen-Anhalt gebeten und Nachverhandlungen abgelehnt. Hintergrund:Kommission empfiehlt Erhöhung des Rundfunkbeitrags

    Die öffentlich-rechtlichen Sender wollen nun vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Das kündigten ZDF, die ARD-Anstalten und das Deutschlandradio unabhängig voneinander am Dienstag an. ZDF-Intendant Thomas Bellut sagte: „Ich hätte mir eine andere Lösung gewünscht und habe intensiv dafür geworben. Aber der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist in diesem Verfahren ganz offenbar zum Spielball der Politik in einem Bundesland geworden. Genau das soll das staatsfern organisierte KEF-Verfahren verhindern, um die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu sichern.“

    Sollte der neue Staatsvertrag gekippt werden, so Bellut, würden dem ZDF jährlich rund 150 Millionen Euro fehlen. „Wenn die Beitragsanhebung nicht kommt, wird das auch die mittelständisch geprägte deutsche Produktionswirtschaft und die Kreativen treffen. Das ZDF könnte seine Wirkung als größter Auftraggeber auf diesem Markt nicht mehr wie bisher entfalten. Das träfe die ohnehin von der Pandemie gebeutelte Branche massiv und nachhaltig“, so Bellut.

    (msb/dpa)