Die Politik überbietet sich mit Forderungen nach Entlastungen für die Bürger. Das meiste ist reiner Populismus, meint unser Autor.

Entlastungen wünscht sich angesichts der hohen Inflation derzeit wohl nahezu jeder in der Bundesrepublik: Seien es die Millionen Menschen, die mit ihrem geringen Einkommen bislang gerade so über die Runden kamen und jetzt immer größere Einschnitte hinnehmen müssen. Oder Empfänger und Empfängerinnen von Sozialleistungen, die in der gleichen Lage sind.

Und da sind die gut situierten Leute, die den Lohn für ihre oft aufreibende Arbeit zunehmend weniger genießen können, weil auch die schönen Dinge wie Urlaub, Restaurantbesuche & Co. immer mehr kosten. Aber, um mal eine Lanze für die Gutverdiener zu brechen, damit halten sie wichtige Zweige der Wirtschaft wie den Dienstleistungssektor mit am Laufen.

Geld – egal, wie viel – kann nur einmal ausgegeben werden. Wer beim Handwerksbäcker jetzt ein paar Euro mehr für Brötchen und Kuchen ausgibt, spart die Mehrkosten vielleicht beim Metzger ein oder gibt in beiden Läden weniger Geld aus. Beides ist schlecht für die Unternehmen. Und weil es für viele Menschen in Deutschland wohl auch in absehbarer Zeit kein dickes Lohnplus geben wird, gefährdet diese Entwicklung über kurz oder lang Arbeitsplätze.

Alexander Klay, Wirtschaftskorrespondent
Alexander Klay, Wirtschaftskorrespondent © Reto Klar | Reto Klar

Die Folge der hohen Inflation: Die Konsumstimmung in Deutschland ist derzeit so schlecht wie noch nie. Dabei waren es in den vergangenen Jahren gerade die Privatleute, die mit ihren Ausgaben die Wirtschaft gestützt haben. Unser Wohlstand ist in Gefahr – und immer mehr Menschen wird klar, dass wir deutliche Abstriche beim Lebensstandard machen müssen. Weiterlesen: Hohe Inflation – Kanzler Scholz warnt vor schweren Zeiten

Entlastungen: Warum viele Forderungen Fantasterei sind

In dieser Gemengelage finden Politiker wie Bayerns Ministerpräsident Markus Söder mit ihren Forderungen natürlich besonderes Gehör: Der CSU-Politiker will unter anderem einen längeren Tankrabatt, weitere Billigangebote für Bus und Bahn, ein Gebührenmoratorium für den Staat – gleichzeitig drängt seine Partei auf die Einhaltung der Schuldenbremse. Das klingt nach Fantasterei. Das ist es auch. Und Söder ist damit längst nicht allein.

Genau so fraglich sind jedoch auch die Aussagen derer, die derzeit eher auf der Bremse stehen. Wenn die SPD von „zielgenauen Entlastungen“ spricht, klingt das erst einmal recht planlos.

Es wird Zeit für eine Versachlichung der Debatte. Dazu müssten vor allem die Zahlen auf den Tisch, damit mündige Bürgerinnen und Bürger sich ein Bild machen können: Was ist drin? Und was wird sich der Staat so gar nicht mehr leisten können, nachdem nun die Corona-Pandemie durch den Ukraine-Krieg nahtlos als nächste Krise abgelöst wurde?

Hohe Inflation: Warum davon auch der Staat profitiert

Fakt ist: Der Staat verdient an der Inflation prächtig. Wenn stark steigende Preise etwa für Lebensmittel unser Einkommen auffressen, bedeuten sie dank der Mehrwertsteuer auch hübsche Mehreinnahmen für den Fiskus. Genauso ist es mit steigenden Preisen an der Zapfsäule: Wegen der hohen Steuerbelastung dürfte man im Finanzministerium insgeheim gleich doppelt jubeln.

Und auch die gut gemeinte Energiepauschale der Ampelkoalition fällt in diese Kategorie: Sie unterliegt der Einkommensteuer. Milliardensummen fließen direkt zurück an den Staat. Hier sollte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) dringend öffentlichkeitswirksam für Aufklärung sorgen: Welchen Spielraum hat der Staat?

Gleichzeitig sollte jeder, der Entlastungen fordert, ihre Kosten beziffern können. Sonst ist der Vorwurf gerechtfertigt, dass es sich bei den Rufen nach einem dauerhaften 9-Euro-Ticket, einem Gaspreisdeckel oder anderen schönen Verheißungen um Populismus in Reinform handelt.

Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de