Der G7-Club westlicher Industriestaaten war selten so wichtig wie heute in der Ukraine-Krise. Aber bleibt die Einigkeit bestehen?

Auch die internationale Politik kennt ihre Naturgesetze, vor allem dieses: Druck von außen erhöht den Zusammenhalt im Innern, jedenfalls eine Zeit lang. Die G7 sind schon öfter totgesagt worden.

Doch beim Gipfeltreffen in Elmau ist zu besichtigen, wie der mörderische Angriffskrieg des russischen Präsidenten Putin die Gemeinschaft der G7-Demokratien wiederbelebt: Der Club der reichen Industriestaaten ist als globaler Krisenmanager so wichtig wie lange nicht.

Mehr noch: Die G7 sind, bei aller Kritik an ihrem exklusiven Führungsanspruch, einige der wenigen internationalen Plattformen, die während des Ukraine-Krieges überhaupt zu wirksamem Handeln in der Lage sind.

Während die Vereinten Nationen wieder unter Lähmungserscheinungen leiden, haben die sieben großen Industriestaaten nach Putins Überfall auf die Ukraine schnell Sanktionen gegen Russland beschlossen und damit gezeigt, dass sich der Westen gegen den Angriff auf die internationale Friedensordnung entschlossen zur Wehr setzen kann.

Worauf es für Kanzler Scholz beim G7-Gipfel ankommt

Die Allianz Nordamerikas mit den vier größten Staaten Europas und Japan zu bewahren, ist für Gipfel-Gastgeber Scholz die wichtigste Aufgabe des Treffens. Der Kanzler hat viel Arbeit in die Vorbereitung investiert, aber ein Selbstläufer ist es trotzdem nicht.

Ein Importverbot für russisches Gold, das Putins Geldzuflüsse abermals begrenzen soll, ist noch einfach zu beschließen. Doch inzwischen leidet der Westen unter ernsten Kollateralschäden der bestehenden Russland-Sanktionen: Energiepreis-Explosion, verschärfte Inflation, drohende Rezession, dazu eine Nahrungsmittelkrise – das ist ein giftiger Mix, der schnell zu einer Solidaritätsermüdung auf Kosten der Ukraine führen könnte. Lesen Sie auch: Kanzlergattin Britta Ernst - Gipfel-Premiere als First Lady

Zumal sich herausstellt, dass Putin trotz der westlichen Ausstiegsbemühungen mit dem Energieexport jetzt nicht weniger, sondern sogar mehr verdient als vor dem Krieg; Länder wie China oder Indien denken gar nicht daran, ihre Gas- und Öleinkäufe in Russland einzustellen, im Gegenteil. Ein Patentrezept dagegen gibt es nicht.

G7-Gipfel in Deutschland: Die besten Bilder aus Elmau

Die Politiker haben sich beim G7 Treffen auf Schloss Elmau nach dem Abendessen zu einem informellen Gruppenbild aufgestellt.
Die Politiker haben sich beim G7 Treffen auf Schloss Elmau nach dem Abendessen zu einem informellen Gruppenbild aufgestellt. © Michael Kappeler/dpa | Michael Kappeler/dpa
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist Gastgeber des G7-Gipfels wirtschaftsstarker Demokratien.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist Gastgeber des G7-Gipfels wirtschaftsstarker Demokratien. © Michael Kappeler/dpa | Michael Kappeler/dpa
Bayern, Garmisch-Partenkirchen: Teilnehmer einer Großdemonstration des Bündnisses «Stop G7 Elmau» halten vor der Demonstration ein Transparent mit der Aufschrift
Bayern, Garmisch-Partenkirchen: Teilnehmer einer Großdemonstration des Bündnisses «Stop G7 Elmau» halten vor der Demonstration ein Transparent mit der Aufschrift "Fight G7". © Angelika Warmuth/dpa
Von Links nach Rechts: EU-Ratspräsident Charles Michel, Italiens Premierminister Mario Draghi, Kanadas Premierminister Justin Trudeau, der französische Präsident Emmanuel Macron, Bundeskanzler Olaf Scholz, US-Präsident Joe Biden, der britische Premier Boris Johnson, der japanische Premierminister Fumio Kishida und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Von Links nach Rechts: EU-Ratspräsident Charles Michel, Italiens Premierminister Mario Draghi, Kanadas Premierminister Justin Trudeau, der französische Präsident Emmanuel Macron, Bundeskanzler Olaf Scholz, US-Präsident Joe Biden, der britische Premier Boris Johnson, der japanische Premierminister Fumio Kishida und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. © BENOIT TESSIER / POOL / AFP
Christian Neureuther (l.) mit Carrie Johnson, Miriam Neureuther, Brigitte Macron, Britta Ernst und Amelie Derbaudrenghien bei einer Nordic Walking Tour am Rande des G7-Gipfels auf Schloss Elmau.
Christian Neureuther (l.) mit Carrie Johnson, Miriam Neureuther, Brigitte Macron, Britta Ernst und Amelie Derbaudrenghien bei einer Nordic Walking Tour am Rande des G7-Gipfels auf Schloss Elmau. © Ronald Wittek/Pool/Getty Images
"Fight G7 - Schluss mit Kriegen" steht auf einem Protestplakat. Der G7-Gipfel ist begleitet von Gegendemonstrationen. © Daniel Vogl/dpa
Biden dankte Scholz für Deutschlands Beitrag zu den Sanktionen gegen Russland. Die Bundesrepublik sei der wichtiste Verbündete der USA in Europa, sagte der US-Präsident.
Biden dankte Scholz für Deutschlands Beitrag zu den Sanktionen gegen Russland. Die Bundesrepublik sei der wichtiste Verbündete der USA in Europa, sagte der US-Präsident. © Michael Kappeler/dpa
Ein Arbeiter reinigt den roten Teppich auf Schloss Elmau, in Bayern. Die G7-Gruppe trifft sich hier zu einem Gipfel.
Ein Arbeiter reinigt den roten Teppich auf Schloss Elmau, in Bayern. Die G7-Gruppe trifft sich hier zu einem Gipfel. © Susan Walsh / POOL / AFP
Fotografen, Kamerateams und weitere Journalisten wurden mit mehreren schweren Transporthubschraubern vom Typ Sikorsky CH-53 von Schloss Elmau zum internationalen Medienzentrum in Garmisch-Patenkirchen transportiert.
Fotografen, Kamerateams und weitere Journalisten wurden mit mehreren schweren Transporthubschraubern vom Typ Sikorsky CH-53 von Schloss Elmau zum internationalen Medienzentrum in Garmisch-Patenkirchen transportiert. © imago/Chris Emil Janßen | imago/Chris Emil Janßen
Argentiniens Präsident Alberto Fernandez erhält Blumen von einem Mädchen in bayerischer Tracht, als er am Münchner Flughafen ankommt, um am G7-Gipfel teilzunehmen.
Argentiniens Präsident Alberto Fernandez erhält Blumen von einem Mädchen in bayerischer Tracht, als er am Münchner Flughafen ankommt, um am G7-Gipfel teilzunehmen. © AFP/Argentina's Presidency | AFP/Argentina's Presidency
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder empfängt den US-Präsidenten in München.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder empfängt den US-Präsidenten in München. © CHRISTOF STACHE / AFP
Die Airforce One auf dem Rollfeld des Flughafen München. Sie bringt US-Präsident Joe Biden zum G7-Gipfel.
Die Airforce One auf dem Rollfeld des Flughafen München. Sie bringt US-Präsident Joe Biden zum G7-Gipfel. © Armin Weigel/dpa
Zwei Polizisten stehen am Flughagen München. Die Sicherheitsvorkehrungen zum G7-Gipfel sind hoch.
Zwei Polizisten stehen am Flughagen München. Die Sicherheitsvorkehrungen zum G7-Gipfel sind hoch. © Armin Weigel/dpa
Frankreichs Präsident Macron mit seiner Gattin Brigitte am Flughafen München. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (r.) empfängt den Besuch mit einer Bayerischen Ehrengarde.
Frankreichs Präsident Macron mit seiner Gattin Brigitte am Flughafen München. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (r.) empfängt den Besuch mit einer Bayerischen Ehrengarde. © CHRISTOF STACHE / AFP
Der G7-Gipfel wird von Protesten begleitet, wie hier in der Münchener Innenstadt.
Der G7-Gipfel wird von Protesten begleitet, wie hier in der Münchener Innenstadt. © Johannes Simon/Getty Images
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Ein Preisobergrenze für russisches Öl funktioniert in der Praxis wohl nicht

Wie sehr die Industriestaaten unter Druck stehen, zeigt der Vorstoß des US-Präsidenten in Elmau, Putin mit einer Preisobergrenze für Öl in die Knie zu zwingen. Biden muss handeln, denn die Benzinpreise in den USA sind seit Beginn des Ukraine-Krieges um 50 Prozent gestiegen, was fünf Monate vor den Midterms in den USA für viel Wut bei den Bürgern sorgt.

Christian Kerl, EU-Korrespondent.
Christian Kerl, EU-Korrespondent. © Privat

Die Idee klingt ja auch gut: Wenn weltweit Abnehmer russischen Öls eine solche Preisobergrenze festlegen, sinken in Russland die Einnahmen und daheim die Benzinpreise. Aber das funktioniert nur, wenn die überwiegende Zahl der Staaten weltweit mitmachen würde. Leider ist das nicht in Sicht.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Die G7-Staaten wollen Putins Spaltungsversuchen widerstehen

Dass der Gipfel Bidens Vorstoß dennoch prüft, zeigt den Ernst der Lage: Auf keinen Fall soll Putins Plan aufgehen, mit der provozierten Energie-Krise den Westen zu spalten und die Unterstützung für die Ukraine zu schwächen. Der Auftakt in Elmau zeigt, dass diese Gefahr erkannt ist und – vorerst – gebannt sein dürfte.

Die G7 haben schon andere Krisen gemeistert. Der Club wurde 1975 in ähnlich turbulenten Zeiten gegründet, auch damals ging es um gefährdete Energieversorgung und hohe Inflation. Und Biden hat recht: Diesmal sind die wirtschaftlichen Voraussetzungen der Industriestaaten, eine Krise abzufedern, insgesamt besser als vor einem halben Jahrhundert.