Berlin. Zwei Jahre nach dem Corona-Ausbruch fühlen sich viele Beschäftigte ausgelaugt. Eltern hoffen auf einen Impfstoff für die Kleinsten.

  • Besonders in Kitas und Schulen zirkuliert das Coronavirus, die Inzidenzen sind hier besonders hoch
  • Viele Probleme, die es seit Pandemiebeginn gibt, wurden nicht angegangen
  • Wann könnte es eine Impfung für Kinder unter fünf Jahren geben? Biontech ereilte kürzlich ein Rückschlag

Es ist ein Mantra der Corona-Politik seit Monaten: Schließungen von Bildungseinrichtungen als allerletzte Maßnahme. Doch während die Politik beschwört, dass Kinder als Letzte die negativen Folgen der Pandemie tragen sollen, erhalten viele Eltern in diesen Tagen andere Nachrichten aus den Kitas ihrer Kinder: Ansteckungen, Quarantänefälle, geschlossene Gruppen.

Bei immer neuen Infektionsrekorden hat Omikron auch die Kitas längst erreicht. Präzise bundesweite Zahlen, wie viele Kitas gerade ganz oder teilweise geschlossen sind, wie viele Kinder, Erzieher und Erzieherinnen in Quarantäne müssen, gibt es für Kitas nicht. Einen Hinweis auf die Dramatik der Lage liefert Berlin, dort ist fast ein Viertel der Kitas ganz oder teilweise geschlossen.

Omikron-Welle trifft Eltern, Kinder und Erzieher hart

Dass die Omikron-Welle durch das Land rollt, spüren alle, die mit Kitas zu tun haben, sagt Katharina Queisser, Mitglied im Bundesvorstand der Bundeselternvertretung der Kinder in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege. Die Welle treffe auf Eltern, Fachkräfte und Kinder, die erschöpft seien von zwei Jahren Pandemie.

In vielen Kitas seien Betreuungszeiten eingeschränkt, die Eltern daher in Schwierigkeiten, Kinderbetreuung und Job zu vereinbaren, sagt Queisser. Gleichzeitig hätten sie vielfach Angst, dass sich ihre Kinder in der Kita infizieren. „Der Druck auf alle Beteiligten ist im Moment sehr hoch.“

Doch in der politischen Diskussion geht es nur selten um den Alltag der Kleinsten und derer, die sie betreuen. Den Erzieherinnen und Erziehern entgeht das nicht, sagt Doreen Siebernik, Kita-Expertin im Vorstand der Bildungsgewerkschaft GEW. „Wir reden viel über Schule und Entwicklung, und die Kitas werden vergessen“, sagt sie. „Das treibt die Kolleginnen um.“ Ihre Arbeit werde seit zwei Jahren reduziert auf einen reinen Betreuungsauftrag, um die pädagogische Arbeit gehe es kaum.

Durchseuchung der Kitas „ein sehr gefährliches Experiment“

Jenseits der Frage der Wertschätzung sieht die Gewerkschaft zudem eine Reihe praktischer Probleme, die auch zwei Jahre nach Beginn der Pandemie nicht gelöst seien. Noch immer fehle es an FFP2-Masken, „von Luftfiltern in Kitas ganz zu schweigen“. Die ohnehin vielerorts dünne Personaldecke werde durch die Sicherheitsmaßnahmen weiter strapaziert. „Die Erschöpfung ist groß. Wir haben hohe Krankheitszahlen, die Ausfälle steigen massiv“, sagt die Gewerkschafterin.

Dass viele Einrichtungen die Gruppen der Kinder nicht mehr mischen würden, um Ansteckungen zu vermeiden, werfe nicht nur pädagogische Konzepte über den Haufen. „Das ist auch wesentlich personalintensiver und verschärft den Personalmangel.“ Siebernik dringt auf mehrmalige Tests pro Woche in den Kitas: „Es ist ein sehr gefährliches Experiment, darauf zu setzen, dass die Kitas durchseucht werden.“

Familienministerin fordert PCR-Tests für Kinder und Kita-Personal

Bundesfamilienministerin Anne Spiegel verspricht den Kitas nun Unterstützung. „Für die nächsten Wochen kommt es darauf an, alle verfügbaren Ressourcen zu mobilisieren, damit Schulen und Kitas den Regelbetrieb aufrechterhalten können“, sagt die Grüne unserer Redaktion.

Sie bietet an, die Einrichtungen sechs Wochen lang mit fast 8000 pädagogischen Fachkräften aus zwei Bundesprogrammen bei der Betreuung der Kinder zu unterstützen. „So geben wir den Kitas und Schulen mehr Flexibilität und helfen, Personalengpässe zu überbrücken.“ Spiegel fordert zudem, dass auch bei Kita-Personal und Kindern positive Schnelltests mit den knapp werdenden PCR-Tests überprüft werden.

Neben Maßnahmen wie der Betreuung in festen Gruppen bleiben für diese Altersgruppe als Schutz vor allem die Tests. Die Impfquote ist unter dem pädagogischen Personal zwar hoch, laut Kita-Register liegt sie bei über 90 Prozent. Für die meisten Kita-Kinder aber gibt es noch keinen solchen Schutz: Bislang ist kein Impfstoff für Kinder unter fünf Jahren zugelassen.

Hoffnungen hatten die Biontech-Gründer Özlem Türeci und Uğur Şahin im September geweckt. Türeci kündigte den damals bevorstehenden Antrag auf Zulassung ihres Vakzins für die Fünf- bis Elfjährigen an. „Bis Ende des Jahres erwarten wir dann auch die Daten zu den jüngeren Kindern ab sechs Monate“, fügte Türeci hinzu.

Wann ein Impfstoff für Kitakinder kommt, ist offen

Vor Weihnachten musste Biontech einen Rückschlag mitteilen: In der Studie zeigten zwei Impfungen zwar eine hohe Wirksamkeit bei Kindern im Alter von sechs bis 24 Monaten. Aber: „Bei Kindern im Alter von 2 bis unter 5 Jahren war dies nicht gegeben.“ Experten zufolge könnte dies an der für die Altersgruppe stark reduzierten Dosierung liegen. Sicherheitsbedenken gab es aber nicht.

Die Studie wird nun um eine dritte Impfung erweitert. Bei „erfolgreichem Verlauf“ könne Biontech „in der ersten Jahreshälfte 2022“ Daten für eine Notfallzulassung vorlegen. Der US-Hersteller Moderna rechnet im März mit den Ergebnissen seiner Studie zum Impfstoff für Kinder im Alter von zwei bis fünf Jahren.

Eltern von Kindern im Kita-Alter bleiben also weiterhin im Ungewissen, wann ein Impfstoff hierzulande zugelassen und dann von der Ständigen Impfkommission empfohlen sein könnte. Dabei ist der Leidensdruck vieler Familien groß.

Die von Eltern ins Leben gerufene Initiative „u12schutz.de“ bringt bundesweit Familien mit Ärzten zusammen, die Kinder unter fünf Jahren „off label“ impfen, also das Vakzin auch ohne gültige Zulassung für diese Altersgruppe spritzen. „Im Moment liegen uns 21.000 Anfragen vor“, sagt eine der ehrenamtlich Engagierten. Diese kämen besonders aus Berlin, Hamburg und Bremen, wo die Inzidenzen aktuell besonders hoch sind.

Experten raten von „Off label“-Impfungen ab

Ihren richtigen Namen will die Ehrenamtliche von „u12schutz.de“ nicht nennen. Die Vertreter der Initiative und mit ihnen verbundene Ärzte fürchten Repressalien von Impfgegnern. Wer zu dem Projekt Kontakt aufnimmt, bekommt über einen mehrstufigen Sicherheitsprozess einen Arzt in seiner Nähe vermittelt, der auch ganz kleine Kinder impft.

Was vergangenes Jahr aus Whatsapp- und Facebook-Gruppen betroffener Eltern begann, hat sich inzwischen professionalisiert. Die Initiative verfügt über eine Internetseite und arbeitet bundesweit mit knapp 50 Praxen zusammen.

Jörg Dötsch, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin an der Uniklinik Köln, hofft auf die baldige Zulassung eines Impfstoffes für die ganz Kleinen, schließlich gebe es auch in dieser Altersgruppe Kinder mit chronischen Erkrankungen. „Für die ist die Einführung eines zugelassenen Impfstoffes ein Segen, der sie vor schweren Verläufen schützen kann“, sagt Dötsch, der im Corona-Expertenrat der Bundesregierung sitzt.

Von einer „Off label“-Impfung rät er jedoch dringend ab. Schließlich sei die angemessene Dosis noch nicht bekannt. Zudem bestehe nicht der rechtliche Schutz vor möglichen Folgen wie nach einer Zulassung. „Es ist nichts besser geworden im Vergleich zum Beginn der Pandemie“, zieht Katharina Queisser von der Bundeselternvertretung Bilanz. „Die Lage ist noch unsicherer geworden, das System bröckelt extrem.“