Kurz vor der Bundestagswahl wird es heikel: Warum die Zuspitzung der Schlacht ums Kanzleramt nichts Schlechtes sein muss.

Nun ist es doch noch passiert. Auf den letzten Metern vor der Bundestagswahl hat sich das Ringen um Deutschlands nächste Regierung in einen knallharten Lagerwahlkampf verwandelt.

Auslöser ist die Rede von Unionskanzlerkandidat Armin Laschet auf dem CSU-Parteitag in Nürnberg, in der er den Sozialdemokraten vorwarf, in der Nachkriegsgeschichte „immer auf der falschen Seite“ gestanden zu haben. Zwar bezog sich Laschet im Nachsatz auf die Wirtschafts- und Finanzpolitik der SPD, allerdings stellte er seine Äußerungen in einen größeren historischen Rahmen.

Entschuldigung von Armin Laschet gefordert

Die SPD, die mit Willy Brandt einen Kanzler vorweisen kann, der für seine Entspannungspolitik zwischen Ost und West den Friedensnobelpreis erhielt, ist auf der Zinne. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil verglich Laschet gar mit Donald Trump; andere forderten eine Entschuldigung.

Zugegeben: Schön sind solche Scharmützel nicht. Gerade wir Deutschen lieben eher die moderaten Töne im politischen Diskurs, reagieren schnell verstört auf Polemiken. Das war nicht immer so, wenn man auf frühere Wahlkämpfe blickt, hat sich aber in den letzten Jahrzehnten immer stärker durchgesetzt. Nicht umsonst hat Angela Merkel drei Bundestagswahlkämpfe mit dem Prinzip der asymmetrischen Demobilisierung gewonnen, also jener Methode, die Zuspitzungen vermied.

Lagerwahlkampf muss nichts Schlechtes sein

Auch die beiden Kandidaten von Union und SPD haben diesmal zunächst versucht, in einem solchen „Schlafwagenmodus“ ins Kanzleramt zu kommen. Dass Laschet diese Strategie nun gegen Ende (und entgegen seinem Naturell) verwirft, zeigt, wie groß die Panik im Lager der Union ist.

Ein Lagerwahlkampf muss dabei nicht per se etwas Schlechtes sein. Zum einen stärkt er die parteiinterne Identifikation, weil er die Unterschiede zwischen den politischen Wettbewerbern mit größerer Brutalität deutlich macht. Laschet hat mit seinen Äußerungen nicht nur das eigene Lager hinter sich versammelt, sondern auch dafür gesorgt, dass sich die SPD in ihrer Empörung geschlossen gegen ihn stellt. Wer gewinnen will, braucht nicht nur gute Inhalte, sondern auch ein klares Feindbild.

Es geht um Deutschlands Zukunft

Zum anderen geht es bei dieser Wahl um nichts Geringeres als Deutschlands Zukunft und das wichtigste Regierungsamt im Staat. Dafür darf auch mit härteren Bandagen gekämpft werden. Dass dies bei den vergangenen Wahlen nicht geschah, lag vor allem daran, dass Merkels Herausforderer wussten, damit angesichts des moderaten Stils der Amtsinhaberin nicht punkten zu können. Das ist diesmal anders, weil alles offen ist. Und weil keiner der drei Kandidaten jenen Amtsbonus mitbringt, den Merkel hatte.

Natürlich gibt es Grenzen. Dort, wo Konkurrenten im Wahlkampf persönlich diffamiert werden. Etwa, indem man private Dinge, die nichts über die Kanzlertauglichkeit sagen, in die Öffentlichkeit zerrt. Oder Gerüchte verbreitet. Solche roten Linien sind im jetzigen Wahlkampf aber noch nicht überschritten worden.

Kandidaten müssen Grenzen im Blick haben

Von den Kandidaten kann erwartet werden, dass sie diese Grenzen im Blick haben. Und dass ihr Streben nach dem Kanzleramt nicht dazu führt, dass sie jegliche Moral über Bord werfen. Es geht ja nicht nur darum, dass sie nach der Wahl vielleicht mit dem einen oder anderen Konkurrenten gemeinsam regieren müssen und die Wunden dafür nicht zu tief sein sollten. Sondern auch darum, dass man niemanden im Kanzleramt wissen möchte, der um der Macht willen zu völliger Skrupellosigkeit bereit ist.

Was man von den Kandidaten nicht erwarten kann und auch nicht sollte: dass sie im Wahlkampf kein böses oder falsches Wort über den Gegner verlieren. Das wäre realitätsfern.