Berlin. Das Ende der Maskenpflicht naht in der Corona-Pandemie. Das Bundesverfassungsgericht entscheidet am Mittwoch über eine Klage der AfD.

  • Sollte die Maskenpflicht weiter aufrecht erhalten bleiben?
  • Dazu gibt es auch in der Politik unterschiedliche Meinungen - wie auch unter den Deutschen selbst, wie Umfragen zeigen
  • Karl Lauterbach warnt vor den möglichen Folgen

Sobald alle Deutschen ein Impfangebot bekommen haben, würde Außenminister Heiko Maas (SPD) alle Corona-Auflagen aufheben. Der Testfall: der Wegfall des Mund- und Nasenschutzes. Gegen die Maskenpflicht im Bundestag zog die AfD sogar nach Karlsruhe. Heute wird eine womöglich wegweisende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erwartet.

Die Quarantänepflicht etwa würde der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach „heute schon aufgeben“. Wer vollständig geimpft sei, „sollte nicht in Quarantäne gehen, auch dann nicht, wenn er aus einem Virusvariantengebiet kommt“, sagte er unserer Redaktion. Aber die Maske? Da wartet Lauterbach ab.

In der U-Bahn erkennt man nicht, wer geimpft und wer nicht

Anruf bei Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery. Er glaube nicht, „dass wir auf die Maske komplett verzichten können.“ Sein Argument: „Man kann in der U-Bahn nicht auf den ersten Blick erkennen, ob jemand geimpft ist und zurecht keine Maske trägt.“

Einige „Vorsichtsmaßnahmen“ bleiben für Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) „vorerst auch für geimpfte Personen sinnvoll, wie zum Beispiel das Tragen einer Maske in Innenräumen“, sagte sie unserer Redaktion. Wie Montgomery hält sie es im Alltag für „kaum praktikabel, zum Beispiel im öffentlichen Nahverkehr oder im Supermarkt zwischen geimpften und ungeimpften Personen zu unterscheiden.“

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Mehrheit der Deutschen befürwortet eine Aufhebung

Eine knappe Mehrheit der Deutschen befürwortet einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov zufolge eine Aufhebung aller Corona-Maßnahmen für vollständig Geimpfte ab September. Maas rechnet sogar noch viel früher damit, nämlich „im Laufe des August“. Die britische Regierung von Boris Johnson macht es vor: Sie will noch im Juli die Maskenpflicht streichen. Wann folgt Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) dem Beispiel?

Im Bundestag ordnete Parlamentspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) die Maskenpflicht am 6. Oktober 2020 an. Die AfD-Fraktion lief dagegen Sturm: 19 Abgeordnete reichten eine Organklage ein. Sie wollten allzu gern neue Fakten schaffen.

Allerdings nahmen die Kläger noch am Morgen der Entscheidung am 7. Juli ihren Antrag beim Bundesverfassungsgericht zurück. Das Verfahren wurde daher eingestellt, wie das Gericht in einem am Mittwoch in Karlsruhe veröffentlichten Beschluss entschied. Demnach hätten die Karlsruher Richter die Organklage sonst einstimmig als unzulässig verworfen.

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Von Anfang war der Mund- und Nasenschutz das Symbol der Pandemie. Erst tat sich die Politik schwer, sie vorzuschreiben. Dann konnte es gar nicht schnell gehen, nicht wenige Maskendeals gerieten in der Folge unter Korruptionsverdacht. Nun könnte sie erneut zum Erkennungszeichen werden: für eine Rückkehr zur Normalität.

Die Ärzteschaft löste die Diskussion aus

Genau genommen, kam der erste Anstoß zur Abschaffung aus der Ärzteschaft. Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, sagte, „da wird es Leute geben, die sich immer noch nicht impfen lassen wollen. Das kann aber nicht sein, dass dann der Rest der Republik weiter Maske trägt. Das müssen dann die tun, die sich nicht impfen lassen wollen“, sagte er in einem Interview.

Auf dieser Welle surften viele Politiker: Maas, Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) („Dann kann man das so machen“), CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak. Ungeimpfte könnten zunehmend weniger erwarten, dass die Gesellschaft an Maßnahmen festhalten, um auch diejenigen zu schützen, „die sich nicht haben impfen lassen“, meint Ziemiak.

Lauterbach und Lambrecht haben Bedenken

Der Wegfall der Maske wäre auch ein Stück Psychologie: Anreiz und Strafe zugleich - für die Impfmuffel. Der CDU-Gesundheitsexperte Rudolf Henke würde schrittweise vorgehen. Ausschlaggebend wäre für ihn nicht zuletzt, dass die Inzidenzen für Menschen über 60 Jahre so niedrig blieben wie jetzt.

Für Experte Lauterbach ist „ganz klar, dass es irgendwann zur Aufhebung der Maskenpflicht kommen wird“. Aber er würde es nicht an Inzidenzen oder an Impfangebote knüpfen, sondern an der objektiven Herdenimmunität.

Je höher die Impfquote, desto wahrscheinlicher Erleichterungen

„Ein Risiko ist auf jeden Fall da, wenn man alles öffnet und beispielsweise 30 Prozent der Bevölkerung noch nicht geimpft sind. Dann sind die Kliniken wieder sehr schnell voll“, warnt er. Die Frage sei, bei welcher Herdenimmunität der Verzicht auf die Maske zu verantworten wäre.

„Die Spielräumen hängen davon ab, wie groß der Anteil der Geimpften ist“, erläutert Lauterbach. „Schaffen wir es 85 Prozent der Erwachsenen zu impfen, oder schaffen wir das nicht? Davon wird viel abhängen.“

Die Angst vor der Delta-Variante und der begrenzten Wirksamkeit von Vakzinen

Und wenn wir es nicht schaffen? „Dann wird die Abschaffung der Maskenpflicht nicht funktionieren“, antwortet Lauterbach. Eine Skepsis, die Lambrecht teilt, denn: „Auch eine Impfung bietet keinen hundertprozentigen Schutz vor einer Weitergabe des Virus, wie sich zuletzt an der Ausbreitung der Delta-Variante in einigen Ländern gezeigt hat.“

Grundsätzlich ist sie vorsichtig optimistisch, weil Impfstoff für alle zur Verfügung steht und die Bürger das weitere Geschehen selbst in der Hand haben: „Je höher die Impfquote ist, desto besser werden wir auch mit der Delta-Variante zurechtkommen“, sagt Lambrecht.

Auf jeden Fall könnten für geimpfte Personen viele (andere) Einschränkungen aufgehoben werden, „gerade was das Reisen betrifft“, glaubt die Justizministerin. Allerdings dürfe man nicht vergessen, dass es für bestimmte Personengruppen wie Kinder, Jugendliche und Schwangere noch keine generelle Empfehlung einer Impfung gebe. „Es ist daher wichtig, weiterhin vorsichtig und rücksichtsvoll zu sein.“