New York/Köln. Weltweit sind 160 Millionen Kinder von Kinderarbeit betroffen. Schon die Kleinsten müssen aushelfen, wenn Eltern ihren Job verlieren.

  • Weltweit steigt die Kinderarbeit an: 160 Millionen Kinder müssen arbeiten
  • Wegen der Corona-Pandemie könnten zusätzliche neun Millionen Kinder in die Kinderarbeit abrutschen
  • Erstmals seit zwei Jahrzehnten stieg die Zahl der betroffenen Kinder wieder
  • Schon Kleinkinder im Alter von fünf Jahren müssen gefährliche Arbeit verrichten

Zum Welttag gegen Kinderarbeit am 12. Juni 2021 legen die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) und das Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen UNICEF einen erschreckenden Report vor. Beide Organisationen warnen mit dem aktuellem Bericht „Child Labour: Global Estimates 2020, trends and the road forward” („Kinderarbeit: Globale Schätzungen 2020, Trends und der Weg in die Zukunft”) davor, dass die Fortschritte bei der Überwindung von Kinderarbeit zum ersten Mal seit 20 Jahren ins Stocken geraten sind.

Der Stillstand im Vergleich zu den Vorjahren sei „alarmierend“, sagen die Initiatoren der Studie. Die Vereinten Nationen wollen mit der die Förderung ländlicher Gebiete und der Unterstützung von Familien, Kinderarbeit langfristig abschaffen.

Denn der bislang positive Trend hat sich umgekehrt: Zwischen 2000 und 2016 war die Zahl der Mädchen und Jungen in Kinderarbeit noch um 94 Millionen gesunken. Jetzt ist die Zahl seit 2016 erstmals wieder gestiegen auf 160 Millionen Kinder, die auf Feldern, in Fabriken, in Bergwerken, in der Industrie, im Dienstleistungsektor und Halden arbeiten müssen. Das ist eine Zunahmen von 8,4 Millionen Kindern in den vergangenen vier Jahren.

Mexiko: Ein 11-jähriger Junge arbeitet in einer Bernsteinmine im Bundesstaat Chiapas.  Foto: Eduardo Verdugo/AP/dpa
Mexiko: Ein 11-jähriger Junge arbeitet in einer Bernsteinmine im Bundesstaat Chiapas. Foto: Eduardo Verdugo/AP/dpa © Foto: Eduardo Verdugo/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Kinderarbeit: Viele Familien sind gezwungen, tragische Entscheidungen zu treffen

„Wir verlieren im Kampf gegen Kinderarbeit an Boden, und das letzte Jahr hat diesen Kampf nicht einfacher gemacht“, sagte UNICEF-Exekutivdirektorin Henrietta Fore. „Jetzt, im bereits zweiten Jahr mit weltweiten Lockdowns, Schulschließungen, wirtschaftlichen Krisen sowie schrumpfenden Staatshaushalten, sind viele Familien gezwungen, tragische Entscheidungen zu treffen." Daher fordere UNICEF Regierungen und internationale Entwicklungsbanken auf, vorrangig in Programme zu investieren, die Kinder aus Kinderarbeit herausholen und wieder in die Schule bringen können, sowie in soziale Schutzprogramme, die Familien helfen können.

Dabei trifft es die kleinen Kinder besonders. Denn die Zahl der Mädchen und Jungen im Alter von fünf bis elf Jahren in Kinderarbeit sei deutlich angestiegen, so dass diese Altersgruppe weltweit etwas mehr als die Hälfte der Betroffenen stellt. Für viele Kinder hat sich die Art der Arbeit auch verändert. Sie müssen Dinge tun, die ihre körperliche und seelische Gesundheit bedrohen.

Wo Kinderarbeit in großem Ausmaß stattfindet

Im fast ganzen südlichen Kontinent Subsahara-Afrika haben Bevölkerungswachstum, wiederkehrende Krisen, extreme Armut und unzureichende soziale Basisschutzmaßnahmen in den letzten vier Jahren zu zusätzlichen 16,6 Millionen Mädchen und Jungen in Kinderarbeit geführt.

Und sogar in Regionen, in denen es seit 2016 einige Fortschritte gab, wie in Asien und der Pazifik-Region sowie in Lateinamerika und der Karibik, sind diese durch COVID-19 gefährdet. In der Vergangenheit fiel besonders Mexiko wegen Kinderarbeit auf.

Auch interessant

Die Corona-Pandemie verschlimmert die Lage der Kinder

Wie schlimm sich die Corona-Pandemie gerade für die Kinder aus diesen armen Regionen auswirken könnte, haben die UN mit einem Simulationsmodell errechnet. Der Bericht schätzt, dass weltweit neun Millionen zusätzliche Kinder bis Ende 2022 durch die Pandemie in Kinderarbeit gedrängt werden können. Das Simulationsmodell zeigt, dass diese Zahl auf 46 Millionen ansteigen könnte, wenn gefährdete Kinder keinen Zugang zu angemessenen sozialen Basisschutzmaßnahmen haben.

Die Grafik zeigt, wie sich die Kinderarbeit weltweit entwickelt hat, erst jahrelang positiv, weil der Wert gesunken ist. Aber in 2020 wieder angestiegen.
Die Grafik zeigt, wie sich die Kinderarbeit weltweit entwickelt hat, erst jahrelang positiv, weil der Wert gesunken ist. Aber in 2020 wieder angestiegen.

Wirtschaftliche Krisen und geschlossene Schulen wegen der Corona-Pandemie wirken direkt auf die Kinder und verschlechtern sogar das Leben derjeniger, die vor der Pandemie bereits arbeiten mussten. Sie müssen länger und unter schlechteren und gefährlicheren Bedingungen arbeiten, weil ihre Eltern ihre Jobs oder Einkommensmöglichkeiten verloren haben. Dazu verursacht die Corona-Krise mehr psychische Probleme bei Kindern.

„Die neuen Schätzungen sind ein Weckruf. Wir können nicht tatenlos zusehen, wie eine neue Generation von Kindern in Gefahr gerät”, sagte ILO-Generaldirektor Guy Ryder bei der Vorstellung des Berichts. Er forderte Schutmaßnahmen und Investitionen in die betroffenen Regionen. "Wir sind an einem entscheidenden Moment und vieles hängt davon ab, wie wir handeln. Es ist Zeit für neues Engagement und Energie, um die Trendwende zu schaffen und den Kreislauf von Armut und Kinderarbeit zu durchbrechen.“